
W&V Marketplace Convention 2025:
KI und Social Commerce revolutionieren Marktplätze
KI übernimmt den Checkout, TikTok Shop revolutioniert die Kundenbeziehung und chinesische Brands drängen mit neuen Strategien in den Westen. Die Marketplace Convention 2025 zeigte: Brands müssen jetzt handeln – oder verschwinden in der Plattform-Amnesie.

Foto: Jochen G. Fuchs für W&V.
ChatGPT kauft ein, TikTok Shop wird zum Umsatztreiber und Google launcht seinen AI Mode. Die Marketplace Convention 2025 in Köln zeigte E-Commerce-Entscheidern: Die Marktplatz-Ökonomie steht vor der größten Transformation ihrer Geschichte.
Marktplätze dominieren den E-Commerce – und wachsen weiter
Marktplätze regieren die Welt des E-Commerce. Das belegte Daniela Bojahr (Chief Revenue Officer, ECDB) mit beeindruckenden Zahlen in ihrer Keynote "The Marketplace Briefing - Europas Plattformmarkt in Zahlen".
Die Fakten sprechen für sich:
- 86% der globalen E-Commerce-Umsätze laufen über Marktplätze – nur 14% über klassische Shops.
- Über 5 Billionen USD werden jährlich über Plattformen umgesetzt.
- Europa wächst dabei am schnellsten: +15,1% CAGR, während der Marktplatzanteil bereits bei 70% liegt.
In Deutschland verschieben sich die Kräfteverhältnisse dramatisch: Temu stieg mit 35% Wachstum auf Platz 4 der größten Marktplätze – vor Zalando. Amazon bleibt mit 61 Mrd. USD GMV unangefochtener Spitzenreiter, doch neue Player wie Shein und Shop Apotheke drängen in die Top 10.
Besonders bemerkenswert: 33% der 30 am schnellsten wachsenden Marktplätze sind Refurbished-Plattformen. Nachhaltigkeit wird zum Wachstumstreiber. Spezialisierte Marktplätze wie TCGplayer (Sammelkarten, +24% CAGR) und Bricklink (LEGO, +39% CAGR) zeigen, dass Nischen überdurchschnittlich wachsen.
KI übernimmt die Kaufentscheidung
Doch die dominante Welt der Marktplätze befindet sich im Umbruch. Vollkommen neuartige KI- und Social-Commerce-Marktplätze verändern die Einkaufsgewohnheiten der Kunden für immer. Brands müssen jetzt reagieren – sowohl um laufende Umsatzabwanderungen zu stoppen als auch um sich auf radikalere Umwälzungen vorzubereiten.
Paul Krauss (Partner AI, Team One) fächerte in seiner inspirierenden Keynote "The New Aggregator: Agents, Context & Invisible Commerce" die Palette der zukünftigen KI-Commerce-Kanäle auf: vom Instant Checkout in ChatGPT über KI-Browser bis hin zum frisch gestarteten AI-Mode von Google.
Seine zentrale These: "Die altbekannten UIs sterben langsam aus – die KI kauft zukünftig ein."
In der nachfolgenden Panel-Diskussion "AI Commerce: A whole new world" diskutierte Host Jochen G. Fuchs (W&V) mit Hendrik Reuter (Director E-Commerce, OLYMP) und Daniel Marschollek (Head of Digital Transformation & Consumer Experience, Nestlé) über die Konsequenzen für Brands.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Völlig neue Marktplätze entstehen. KI-Plattformen werden zu Commerce-Destinationen, die klassischen Marktplätzen Marktanteile abnehmen können.
- Daten sind die neue Währung. Jede Frage, die ein Kunde stellen könnte, muss aus den Produktdaten im PIM beantwortbar sein. Sonst schlägt die KI das Produkt nicht vor. Die Qualität der Daten entscheidet über Sichtbarkeit.
- Brands gewinnen an Bedeutung. In einem KI-gesteuerten Chat wird die Kaufentscheidung am stärksten durch Branding beeinflusst. Starke Marken haben einen Vorteil, wenn Produkte nicht mehr visuell verglichen werden.
- Der Kampf ist nicht verloren. Krauss machte den anwesenden Brands Mut: Auch wenn ChatGPT & Co. zu riesigen Marktplätzen werden, können Brands mit eigenen KI-Angeboten dagegenhalten und Kunden denselben Komfort bieten wie OpenAI.
Social Commerce schafft neue Kundenbeziehungen
Björn Ognibeni richtete in seiner Keynote "Das Funnel-Paradox: Warum Marken die Mitte vergessen – und Digital China genau dort gewinnt" den Blick nach Osten. Asiatische Plattformen und Brands prägen mit ihren Ablegern den westlichen Markt in rasender Geschwindigkeit.
Ein dominantes Thema: der Aufbau persönlicherer Kundenbeziehungen. Während durch KI der Handel anonymer wird, bietet Social Commerce in der Mitte des Funnels neue Möglichkeiten für Brands zum Beziehungsaufbau.
In der Panel-Diskussion "Success in the Age of Social Commerce & AI" zeigten Tayfun Öner (Gründer, Miralina's Halal Sweets) und Sebastian Romanus (Director Digital Brand & Community Experience, Cosnova), moderiert von Jochen G. Fuchs, eindrucksvoll den Erfolg ihrer Strategien:
Auf TikTok Shop und Roblox eröffnen sich neue Wege zum Beziehungsaufbau. Diese Aktivitäten bewirken einen Halo-Effekt, der weit über den jeweiligen Kanal hinausstrahlt. Social Commerce wird zum Markenerlebnis – mit messbarem Impact auf alle Kanäle.
Praxis-Insights: Von Amazon Ads bis Multichannel
Den vorausschauenden Blick in die Zukunft kombinierte die Marketplace Convention praxisnah mit Vorträgen zu Alltagsthemen der Marktplatzwelt.
Amazon Brand Marketing wird messbar
Gabriel Reitz (Director Business Development & Strategy, Front Row) demonstrierte mit dem Case "Awareness, die sich auszahlt – Sennheiser's Amazon Advertising im Realitätscheck", wie Brand Marketing auf Amazon messbar wird.
Die Herausforderung: Amazon wird oft nur als Conversion-Channel betrachtet. Awareness-Investitionen werden hinterfragt. Wo ist der ROI?
Front Row entwickelte für Sennheiser eine 3-Stufen-Strategie: Content-Optimierung durch A/B-Testing, Full-Funnel-Media von Prime Video bis Sponsored Products, und ROI-Nachweis über die Amazon Marketing Cloud (AMC).
Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen:
- +147% Orders bei Shoppern, die der "Hear More"-Kampagne ausgesetzt waren
- +293% Detail Page Views
- +155% Sales
- Content-Optimierung allein brachte +11% Conversion Rate und +15% Sales Uplift
Die zentrale Erkenntnis: Mit AMC wird Brand Marketing keine Black Box mehr. Awareness wird zu messbarem ROI. Das Framework "Content + Media + AMC = Connected Commerce" ist wiederholbar und skalierbar.
Weitere Praxis-Highlights
Martin Heubel (Amazon Strategy Consultant, Consulterce Ltd.) gab in "Erfolgreich durch die Amazon Jahresverhandlung" Einblicke in Erfolgsstrategien aus 2025. Seine Empfehlung: Vorbereitung ist alles – wer Daten und Argumente hat, sichert sich bessere Konditionen.
Marius Eckel (Head of E-Commerce & Marketplaces, Selva Technik) teilte in "Multichannel-Strategien: Mehr Kanäle, mehr Chaos oder mehr Kanäle, mehr Umsatz?" praxisnahe Learnings aus 8 Jahren Marktplatzgeschäft. Seine Message: Mehr Kanäle bedeuten mehr Umsatz – wenn Prozesse und Systeme skalierbar sind.
Fazit der Marketplace Convention 2025: Drei Handlungsempfehlungen für Brands
Die Marketplace Convention 2025 machte deutlich: Die Marktplatz-Ökonomie expandiert in alle Richtungen. KI-Plattformen werden zu neuen Marktplätzen, Social Commerce schafft direkte Kundenbeziehungen, und asiatische Player verändern die Spielregeln.
Brands müssen jetzt drei Dinge tun:
- Produktdaten KI-ready machen: Jede mögliche Kundenfrage muss aus den PIM-Daten beantwortbar sein
- Social-Commerce-Strategien entwickeln: TikTok Shop, Roblox und Co. als Beziehungskanäle nutzen
- Full-Funnel-Strategien mit Messbarkeit kombinieren: Brand Building und Performance sind kein Widerspruch mehr
Wer diese Entwicklung ignoriert, verliert nicht nur Marktanteile – sondern verschwindet in der Plattform-Amnesie. Die Transformation hat begonnen.
Mut, Kompetenz und Leadership-Qualitäten: Das zeichnet die W&V Top 100 aus. >>> Hier findest Du alle W&V Top 100/2025: Menschen, die was bewegen.
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