Rutschen nicht immer wieder awardträchtige Cases durch?

Das kann ich nicht ausschließen. Unsere Kollegen in Russland beispielsweise haben für Adidas ein tolles Rooftop-Event gemacht. Wirklich klasse. Aber wenn man nicht zufällig darauf stößt, geht einem so eine Arbeit durch die Lappen. Die Agentur hat sich nicht weiter darum gekümmert, weil sie generell nicht einreicht. Darum ist der Austausch mit den Ländern für mich wichtig. Eine Aufgabe, die Jason Romeyko künftig verstärkt übernimmt, unser Global Executive Creative Director, der seit einem halben Jahr bei uns ist. Wir arbeiten sehr eng zusammen.

Wer reicht ein? Die Länder?

Nein, das erfolgt im Wesentlichen zentral. Alles läuft über meinen Tisch. Daneben können aber Agenturen selbstverständlich vereinzelt auch selber Arbeiten einreichen. 

Alles Weitere wie die Auswahl der Wettbewerbe und der Kategorien übernimmt das Award-Management-Team?

Ja. Ein kleines Team checkt, wo Arbeiten bereits gewonnen haben und welche Wettbewerbe und Kategorien in Frage kommen. Ich streiche dann meistens nur noch einige aus der Liste. Für eine gute Arbeit gibt es ja heute unzählige Möglichkeiten einer Einreichung. So werden die Betreiber von Festivals immer reicher - und Agenturen immer ärmer.

Wie viele Arbeiten schauen Sie sich an pro Jahr?

Das ist schwer zu sagen und lässt sich nicht in Zahlen fassen. Das ist ja unter anderem auch mein ganz normaler Job als Kreativchef, Arbeiten anzusehen und zu filtern. Aber auch, Idee zu globalisieren. Wie beispielsweise die Kampagne "Own Business Day" für Metro, mit der der Großhändler die Bedeutung der vielen selbstständigen Unternehmer weltweit würdigt. Die Idee basiert auf einem zentralen Briefing und wurde dann in den Ländern eigenständig den nationalen Bedingungen entsprechend umgesetzt. Nachdem ich mir alle nationalen Umsetzungen angesehen hatte, konnte ich die besten davon auswählen und zu einem Casefilm zusammenfassen. Das Ergebnis ist sehr gut und wird jetzt international eingereicht.

Erst die Kampagne und dann wird überlegt, wie ein Casefilm aussehen kann? Wäre es nicht sinnvoller, von Anfang an den Blick darauf zu haben und entsprechend Material zu produzieren?

Wir arbeiten ja nicht mit dem Ziel, einen Preis zu gewinnen, sondern um ein Kunden-Briefing bestmöglich zu erfüllen. Ob das dann irgendwo auf der Welt einer Jury gefällt oder nicht, ist mir in dem Moment herzlich egal. Deshalb braucht es auch erst mal keinen Casefilm. Erst wenn die Arbeit fertig ist, denken wir darüber nach, wie man sie am besten in zwei Minuten darstellen kann. Nicht nur für Awards, sondern auch für die eigene Showreel.

Wie selektieren Sie?

Ich stelle mir grundsätzlich die Frage: Würde ich diese Arbeit in die Agenturpräsentation aufnehmen? Wenn nicht, wird sie auch nicht zu Wettbewerben eingereicht. Das ist der Grund, weshalb wir auch keine Hundeshampoo-Kampagne mehr einreichen, wie ehrlich gesagt vor vielen Jahren schon mal passiert. Ich hatte sie durchgewunken und am Ende holte sie zu allem Überfluss auch noch einen Löwen in Cannes. Wir ernteten damit reichlich Spott. Zu Recht. Aber damals ging es ausschließlich um Awards. Heute ist das anders. Ich kann nicht international ernst genommen werden, und wenn jemand fragt, was unsere erfolgreichste Arbeit ist, antworte ich mit einer Hundeshampoo-Anzeige. Unser erfolgreichstes Projekt im letzten Jahr war die Kooperation mit DOT. – auch für uns eine völlig neue Art zu arbeiten. Wir haben uns an einem Unternehmen beteiligt und helfen seit zwei Jahren, ein enorm innovatives Produkt zu gestalten und zu vermarkten. Das ist etwas, das ich in Zukunft weiter fördern möchte.

Und die oft geschmähten Award-Arbeiten?

Innovative Projekte, die als Prototypen auf hohem Niveau zeigen, was heute möglich ist, sind völlig legitim. Sogar wichtig. Entscheidend ist, dass das Verhältnis zu sichtbaren Kampagnen stimmt. Wie das Verhältnis aussehen soll, da hat jede Agentur ihren eigenen Maßstab. Bei manchen sind es 50, bei anderen 30, bei wieder anderen nur 5 Prozent. Wir sollten uns aber generell diesbezüglich alle etwas wenig um die Anderen kümmern. Sondern lieber darum, den eigenen Weg klar zu definieren. Der Erfolg einer Agentur findet im realen Leben statt. Nicht bei Awardshows.

Angesichts des Aufwands, den Sie betreiben Was spricht denn dafür, dass man auch als kleine Agentur an Wettbewerben teilnimmt?

Zuerst sollte man nicht auf das jährliche Kreativranking schielen, das es in dieser Form ja eh nur in Deutschland gibt. Und das auch nur bedingt aussagekräftig ist. Bei der Jagd nach einem Rankingplatz im Jahresranking kann man da mit den Großen rein quantitativ nicht mithalten. Dafür aber bei der Qualität umso mehr. Deshalb macht es auch unbedingt Sinn, einzureichen. Wenn man mit einer tollen Designarbeit einen Grand Prix gewinnt, dann ist es nun mal die beste Arbeit im Wettbewerb und Benchmark für die Branche. Egal von wem. Dann bekommt die Agentur die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Das stärkt das Renommee. Und macht Arbeiten, die in einer Nische stattfinden, sichtbar.


Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.