
Nach dem Web Summit:
Vertrauen – die Basis für New Work
Gesine Märten über den Erfolg eines Experiments und die bleibenden Erkenntnisse aus neun Tagen Pop-Up-Agency beim Web Summit in Lissabon. Vertrauen ist alles, schreibt die Senior-Beraterin von Ketchum Pleon in ihrem Gastbeitrag.

Foto: Ketchum
Neun Tage Pop-up Agency liegen hinter uns. Neun Tage Neues. Neun Tage höchster Anspannung. Neun Tage stolz sein auf das, was wir aus diesem Experiment gemacht haben – und das Experiment mit uns. Ein Team aus Digital- und Markenstrategen, Marketing- und PR-Experten und einem Art Director, das nie zuvor in dieser Konstellation gemeinsam gearbeitet hatte, ist am 30. Oktober nach Lissabon aufgebrochen, um unbekannte Arbeitsmethoden zu erproben, Trends vom Web Summit einzuatmen und dabei jeden Schritt live zu dokumentieren. Eine Herausforderung auf ganz vielen Ebenen, die von allen Beteiligten vollen Einsatz und Aufgeschlossenheit erfordert hat. Neben den fachlichen Erkenntnissen, die wir in diesem Projekt gewonnen haben, bleibt ein zentraler Gedanke bei mir haften: Ohne Vertrauen geht es nicht. New Work erfordert loslassen. Nach dem Loslassen folgt die Verantwortung jedes Einzelnen.
Vertrauen vom Leadership
Bei der Ausgestaltung unseres Pilotprojektes hatten wir vollkommen freie Hand. Einerseits erhöht es den Druck, wenn es kaum Leitplanken gibt. Andererseits glaube ich, wäre unser Projekt niemals so dynamisch verlaufen, wenn Rahmen und Erwartungen vorab zu eng gesteckt worden wären. Wir haben uns eine Aufgabe gesucht, die wir innerhalb der ersten drei Tage nach neuen, selbst gewählten Methoden bearbeitet haben, haben ihr eine eigene Struktur gegeben und die Kontrolle über alle Owned Channels der Agentur übernommen – und das gänzlich ohne langwierige Abstimmungs- und Freigabeschleifen. Dafür mit voller Rückendeckung und dem Vertrauen, dass unser bunt zusammengewürfeltes Team zu Höchstformen auflaufen wird.
Vertrauen im Team
Um so intensiv mit Kolleginnen und Kollegen zusammen zu arbeiten und zu leben, bedurfte es eines Höchstmaßes an gegenseitigem Respekt, Offenheit, Selbstreflektion und der Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu artikulieren und die der anderen zu akzeptieren. Wir haben gemerkt, dass wir bei der Arbeit in Kleinteams am effizientesten vorankamen. Dafür war es unabdingbar, sich wechselseitig aufeinander zu verlassen und auf den Ergebnissen der anderen aufzubauen. Doch das Vertrauen erstreckte sich nicht nur auf unsere beruflichen Herausforderungen, sondern auch die persönliche Ebene, denn die Tore zwischen der kollegialen Welt und privatem Raum waren weit geöffnet. Als einer Kollegin das Smartphone gestohlen wurde – ihr wichtigstes Arbeits-, Kommunikations- und Orientierungswerkzeug – haben wir Geräte geteilt, damit sie weiterhin am digitalen Austausch in der Gruppe partizipieren konnte. Das illustriert beispielhaft, wie wir als Team in kürzester Zeit eine unglaublich starke Mentalität gegenseitiger Unterstützung entwickelt haben.
Vertrauen in sich
Ein Projekt, in dem man sowohl die gewohnte Umgebung, als auch das vertraute Team, die eingefleischten Methoden und Themen verlässt, erfordert auch sehr viel Zutrauen zu sich selbst. Bei jedem von uns gab es einen Punkt temporärer Unzufriedenheit mit dem eigenen Beitrag zum Ganzen. Diese Momente schnell zu überwinden, hat in der Kürze der Zeit nur dank gegenseitiger Bestärkung und Wertschätzung funktioniert. Das Schöne an unserem Experimentierraum war ja gerade, dass jeder alle Methoden und Schritte ausprobieren konnte, auch wenn sich nicht jeder gleichermaßen damit wohlgefühlt hat. Am Ende trägt die Erfahrung dazu bei, dass wir uns unserer eigenen Stärken noch intensiver bewusst geworden sind – mit dem Anspruch, ein kleines bisschen über uns hinaus zu wachsen.
Vertrauen von Unterstützern
Nicht zu unterschätzen ist außerdem das Vertrauen der W&V Redaktion, die einem unbekannten Team für einen kurzen Zeitraum eine redaktionelle Spielfläche zur Verfügung gestellt hat. Zu Beginn der Reise war kaum abzuschätzen, welche Arbeitsfortschritte wir erzielen und ob wir tatsächlich substanzielle Erkenntnisse teilen können. Doch es gab das Vertrauen in unsere Idee. Das war Ansporn für uns, den Live Blog zum Web Summit zum Herzstück unserer Arbeit zu machen – trotz zusätzlicher Belastung, das eigene Tun nahezu stündlich zu reflektieren, jeden Schritt zu dokumentieren und nach erschöpfenden Arbeitstagen noch ein Statement in die Kamera zu sprechen. Wir sind dankbar, dass der Blog uns die Möglichkeit gegeben hat, viele Menschen bei unserem kleinen Experiment mitzunehmen.
Neues Team, ungewohnte Arbeitsumgebung, eine Aufgabe aus einem meist fremden Themenfeld, neue Methoden, permanente Live Berichterstattung – was hätte da schon schief gehen können? Alles. Aber davon wäre die Welt auch nicht untergegangen. Das ist genau die Einstellung, die wir brauchen, um uns neu zu erfinden und dazu zu lernen. Dass wir trotz aller Unsicherheiten zu Ergebnissen gekommen sind, die uns alle stolz machen, ist einem Team unterschiedlichster Persönlichkeiten mit einer gemeinsamen Arbeitskultur zu verdanken, das Vertrauen erfahren hat. Und möglicherweise auch ein klein wenig dem Charme Lissabons.