Wegen all dieser Vorteile fragt man sich nun, warum sich ebendiese Technologie, die seit mehreren Jahren diskutiert und als revolutionär bezeichnet wird, immer noch nicht durchgesetzt hat.

Transparenz: Cultural Change als Hürde

Fest steht, dass die bloße Verfügbarkeit einer neuen, scheinbar game-changing Technologie noch lange nicht dazu führt, dass alle Teilnehmer entlang der Supply-Chain diese auch tatsächlich einsetzen wollen und sich damit dazu bereiterklären, ihre Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern.

Im Gegenteil: Will eine Technologie eine ganze Branche dazu "zwingen", sich zu verbessern, werden sich vermutlich einige dagegen wehren. Nicht zuletzt, weil das Internet auf einer gewachsenen Infrastruktur aufbaut, die von einigen Playern ausgenutzt wird: So profitieren zahlreiche Marktteilnehmer von der aktuell noch vorherrschenden Intransparenz der Supply-Chain.

Bot-Netzwerke und Crawler sorgen immer noch für Verschwendung von Werbegeldern. Diejenigen Player, die vom betrügerischen Verkauf von Werbeinventar profitieren, werden auch keine Technologie befürworten, die maximale Transparenz erfordert.

Es ist eine Sache, sich euphorisch über die Möglichkeiten der Blockchain zur Schaffung von Transparenz zu äußern, aber eine andere, in der Realität durch den Einsatz dieser Technologie als schwarzes Schaf entlarvt zu werden.

Zudem ist anzunehmen, dass auch die Walled Gardens wie Google, Facebook und Amazon nicht begeistert wären, würden durch die Blockchain-Technologie ihre Margen aufgedeckt werden: Noch profitieren die großen Tech-Player finanziell von der Intransparenz der Lieferkette digitaler Werbung und maximieren eigene Erlöse.

Warum die Blockchain technologisch noch in den Kinderschuhen steckt

Aber nicht nur, was die Motivation einiger Branchenteilnehmer betrifft, sondern auch technisch gilt es noch einige Hürden zu überwinden, bevor die Blockchain sich durchsetzen kann.

Momentan ist die Technologie schlicht noch zu langsam für den Realtime-Einsatz, bei dem Entscheidungen über Transaktionen innerhalb von Millisekunden getroffen werden müssen. Die Leistung der Blockchain ist hier noch lange nicht vergleichbar mit den etablierten Ad-Exchanges, die Verifikation von Inventar oder Datenverarbeitung und -speicherung in Echtzeit ermöglichen.

Außerdem lebt die Blockchain davon, eine Open-Source-Technologie zu sein. Es besteht jedoch die Gefahr, dass einige Teilnehmer beabsichtigen, die Technologie übermäßig zu regulieren. Das würde dazu führen, dass ein Großteil ihres Potenzials verloren ginge.

Die Branche sollte darauf achten, nicht ihre ganze Hoffnung in eine Technologie zu setzen, die darauf abzielt, Probleme in der Supply-Chain aufzudecken. Längst gibt es weniger komplexe Lösungen, die zur Verbesserung von Transparenz führen und die Verifikation von Anzeigen vereinfachen – und selbst diese haben sich leider noch immer nicht flächendeckend durchgesetzt.

Noch steckt die Blockchain-Technologie in den Kinderschuhen: Für ihren erfolgreichen Einsatz in der digitalen Werbung muss sie nicht nur weiterentwickelt werden. Die größte Hürde ist wohl der kulturelle Wandel, den die Werbeindustrie durchlaufen muss. Nur, wenn alle Teilnehmer entlang der Supply-Chain auch dazu bereit sind, maximale Transparenz nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern, kann die Technologie erfolgreich sein.

Und nur dann kann die Blockchain eine neue Marketing-Technologie-Ebene bereitstellen, die die strukturellen Herausforderungen, die sich aus der gewachsenen Architektur der Ad-Tech-Branche ergeben, löst und den Boden für einen neuen Innovationsboom ebnen.

*) Als Geschäftsführer der Mediamath Germany GmbH leitet Jens Bargmann seit April 2018 das Berliner Büro und die Geschäftstätigkeiten des Technologieunternehmens im DACH-Markt sowie in Nord-, Mittel- und Osteuropa. Zuvor war Bargmann als Vice President Commercial DACH, Nordics, Central/Eastern Europe für die Neukundengewinnung, das Umsatzwachstum und den weiteren Ausbau des Vertriebs von Mediamath zuständig. In mehr als 15 Jahren in leitenden Positionen in der Digitalbranche hat  Bargmann unter anderem als Managing Director DACH die Geschäfte von Glow Digital Media im deutschsprachigen Raum verantwortet und war in der Position des Director Strategic Accounts DACH bei Marin Software für die Entwicklung des Vertriebs zuständig.


Autor: W&V Gastautor:in

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