Der HR kündigte an, gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einzulegen. Da er aber an die Gerichtsverfügung gebunden ist, gibt es bereits eine aktualisierte Form des Beitrags in den Mediatheken der ARD und des HR. Darin wurde der fragliche Halbsatz unkenntlich gemacht und der Sprecher liest ihn nicht mehr vor.

Wer ist eigentlich Agnieszka Lewandowska?
Wäre die Dokumentation gedruckt erschienen, hätte es hinter dem Namen ein * geben müssen mit dem Hinweis Name von der Redaktion geändert. Der HR bekam eine E-Mail, in der diese Person auf die Situation der Amazon-Mitarbeiter aufmerksam macht. Allerdings stammt die Mail offenbar von einem Busfahrer, der die Leiharbeiter zur Schicht brachte. "Die in dem Beitrag bildlich dargestellte und verlesene E-Mail ist selbstverständlich nicht erfunden", sagt HR-Sprecher Tobias Häuser. Aus Gründen des Informantenschutzes sei der Name aber geändert worden. Dies kommt in der Doku aber nicht zum Ausdruck, was den Verdacht aufkeimen ließ, dass es sich dabei um eine Manipulation handeln könnte. Häuser schränkt daher ein, es wäre "sicherlich ratsam gewesen, auf die Verwendung eines geänderten Namens in dem Film ausdrücklich hinzuweisen."

Anwalt Ralf Höcker findet, dass "das Quellen-Pimpen in Form einer erfundenen, angeblich leidenden Phantom-Polin ist hochgradig unseriös" sei. Kein Zuschauer rechne mit dergestalt fingierten E-Mails. "Kein Journalist sollte zu solchen Manipulationen greifen."

Warum erwägt der HR jetzt, gerichtlich gegen die Kanzlei Höcker vorzugehen?
In der Mitteilung der Anwälte heißt es, dass der HR eine Manipulation freiwillig eingeräumt habe. Daran stößt sich der HR. In der Mitteilung heißt es: "Eine im Film als Beweis für die behaupteten Missstände als Screenshot gezeigte E-Mail war fingiert, die angebliche polnische Zeugin frei erfunden. Wörtlich teilte die HR-Rechtsabteilung dazu mit: '‚Dass eine Frau Agnieszka Lewandowska niemals als Leiharbeiterin bei Amazon beschäftigt war, ist richtig'."

Der Sender beanstandet, dass der unmittelbar folgende Satz seiner Erklärung weggelassen wurde: "Hierbei handelt es sich um eine Legende, derer sich die Autoren zum Schutz ihres Informanten bedient haben."

Welche Rolle spielt der "Bad Hersdorfer Kreisanzeiger" in der Diskussion um die Glaubwürdigkeit der Doku?
Er brachte einen Artikel über Silvina Cerrada, die in der Doku als Amazon-Zeitarbeiterin zu Wort kommt. Im "Kreisanzeiger" warf sie den ARD-Reportern vor, verfälschend zitiert worden zu sein. Die Meldung wurde von überregionalen Medien aufgegriffen und befeuerte die Diskussion um die Glaubwürdigkeit des Fernsehbeitrags.


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.