Streit um ARD-Doku:
Juristischer Kleinkrieg: Wie die Amazon-Doku die Gerichte beschäftigt
Die Empörungswelle über die ARD-Dokumentation "Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon" ist zwar abgeebbt, doch Diskussionsstoff liefert sie noch immer. Inzwischen beschäftigt der Film die Anwälte. Worum geht es?
Die Empörungswelle über die ARD-Dokumentation "Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon" ist zwar abgeebbt, doch Diskussionsstoff liefert sie noch immer. Inzwischen beschäftigt der Film die Anwälte. Worum geht es?
Welchen Vorwurf erhebt CoCo Job Touristik gegenüber dem Hessischen Rundfunk (HR)?
Nach der Dokumentation kündigte Amazon seine Zusammenarbeit mit CoCo Job Touristik, dem Unternehmen, das für den Transport und die Unterbringung der Leiharbeiter verantwortlich war. Die Anwaltskanzlei Höcker erwirkte vor dem Landgericht Hamburg im Auftrag der CoCo Job Touristik eine Einstweilige Verfügung wegen "Schmähkritik" gegen den HR. In dem beanstandeten Satz heißt es, dass die Menschen "abgefüttert" würden "wie die Schweine". Die E-Mail, in der dies behauptet wurde, sei fingiert. Die polnische Zeugin sei frei erfunden, schreiben die Anwälte in einer Mitteilung. Sie berufen sich darauf, dass der HR "eine Manipulation" freiwillig eingeräumt habe. In der Mitteilung heißt es auch: "Wörtlich teilte die HR-Rechtsabteilung dazu mit: 'Dass eine Frau Agnieszka Lewandowska niemals als Leiharbeiterin bei Amazon beschäftigt war, ist richtig'."
Wie reagiert der HR?
Er weist den Vorwurf der Manipulation ausdrücklich zurück: "Alle in der Dokumentation aufgeführten Zeugen und schriftlichen Belege existieren nachweislich. Bei der angeblich frei erfundenen Zeugin und ihrer E-Mail ist lediglich die wahre Identität des Zeugen bewusst unkenntlich gemacht worden."
Der HR kündigte an, gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einzulegen. Da er aber an die Gerichtsverfügung gebunden ist, gibt es bereits eine aktualisierte Form des Beitrags in den Mediatheken der ARD und des HR. Darin wurde der fragliche Halbsatz unkenntlich gemacht und der Sprecher liest ihn nicht mehr vor.
Wer ist eigentlich Agnieszka Lewandowska?
Wäre die Dokumentation gedruckt erschienen, hätte es hinter dem Namen ein * geben müssen mit dem Hinweis Name von der Redaktion geändert. Der HR bekam eine E-Mail, in der diese Person auf die Situation der Amazon-Mitarbeiter aufmerksam macht. Allerdings stammt die Mail offenbar von einem Busfahrer, der die Leiharbeiter zur Schicht brachte. "Die in dem Beitrag bildlich dargestellte und verlesene E-Mail ist selbstverständlich nicht erfunden", sagt HR-Sprecher Tobias Häuser. Aus Gründen des Informantenschutzes sei der Name aber geändert worden. Dies kommt in der Doku aber nicht zum Ausdruck, was den Verdacht aufkeimen ließ, dass es sich dabei um eine Manipulation handeln könnte. Häuser schränkt daher ein, es wäre "sicherlich ratsam gewesen, auf die Verwendung eines geänderten Namens in dem Film ausdrücklich hinzuweisen."
Anwalt Ralf Höcker findet, dass "das Quellen-Pimpen in Form einer erfundenen, angeblich leidenden Phantom-Polin ist hochgradig unseriös" sei. Kein Zuschauer rechne mit dergestalt fingierten E-Mails. "Kein Journalist sollte zu solchen Manipulationen greifen."
Warum erwägt der HR jetzt, gerichtlich gegen die Kanzlei Höcker vorzugehen?
In der Mitteilung der Anwälte heißt es, dass der HR eine Manipulation freiwillig eingeräumt habe. Daran stößt sich der HR. In der Mitteilung heißt es: "Eine im Film als Beweis für die behaupteten Missstände als Screenshot gezeigte E-Mail war fingiert, die angebliche polnische Zeugin frei erfunden. Wörtlich teilte die HR-Rechtsabteilung dazu mit: '‚Dass eine Frau Agnieszka Lewandowska niemals als Leiharbeiterin bei Amazon beschäftigt war, ist richtig'."
Der Sender beanstandet, dass der unmittelbar folgende Satz seiner Erklärung weggelassen wurde: "Hierbei handelt es sich um eine Legende, derer sich die Autoren zum Schutz ihres Informanten bedient haben."
Welche Rolle spielt der "Bad Hersdorfer Kreisanzeiger" in der Diskussion um die Glaubwürdigkeit der Doku?
Er brachte einen Artikel über Silvina Cerrada, die in der Doku als Amazon-Zeitarbeiterin zu Wort kommt. Im "Kreisanzeiger" warf sie den ARD-Reportern vor, verfälschend zitiert worden zu sein. Die Meldung wurde von überregionalen Medien aufgegriffen und befeuerte die Diskussion um die Glaubwürdigkeit des Fernsehbeitrags.