Kolumne:
"Live is Live": Kann Echtzeit-Content für Podcasts funktionieren?
Früher oder später werden Live-Aufzeichnungen auch bei auditiven Inhalten ankommen, sagt W&V-Kolumnist Stephan Schreyer. Das Bedürfnis, Audio-Content live zu erleben ist da.
Vor einiger Zeit habe ich mich etwas intensiver mit dem Live-Streaming Portal Twitch befasst. Derzeit nutzen vorrangig Gamer dieses Portal. Meist zur Übertragung und Kommentierung von Videospielen.
Inspiriert durch den Live-Charakter stellt sich mir die Frage: Kann "live" auch für auditiven Content wie zum Beispiel Podcasts ein Treiber sein oder ein Treiber werden? Derzeit fristet auditiver Live-Content gefühlt eher ein Nischendasein. Es gibt ihn aber. Hier sind zwei Varianten:
- Live-Aufzeichnungen auf einem Event, anschließend on-demand zur Verfügung gestellt
- Live-Streaming, häufig via Facebook, Youtube oder Instagram. Teilweise mit direkten Interaktionsmöglichkeiten für die Zuhörer, z.B. via WhatsApp Chat usw. Derzeit ist dies insbesondere im Non-Corporate-Podcast-Bereich zu finden
Live-Aufnahmen bei Podcasts sind nur noch eine Frage der Zeit
Von den "großen Playern" am Markt oder auf Corporate-Ebene, ist im Bereich "Live-Audio-Content" kaum etwas zu finden. Weder als Format noch technisch als Distributionsmöglichkeit auf Seiten der großen Plattformen.
Warum eigentlich? Ist noch keiner auf die Idee gekommen? Schafft es die Technik nicht? Oder erinnert "Live-Audio-Content" zu sehr an lineares Radio mit festen Sendezeitpunkten und stößt daher auf wenig Interesse? Mal ehrlich: Sind mp3 Files on-demand im Jahr 2019 wirklich der Gipfel von auditivem Content?
Fragen über Fragen und Grund für eine nicht repräsentative Umfrage bei großen Playern am Markt*. Wie sehen diese „Live-Audio-Content“? Das Feedback: Durchwachsen! Für die einen ist es (noch) kein Thema. Andere haben es auf dem Schirm, finden es spannend, wiederum andere arbeiten bereits daran. Mehr wollte (noch) keiner verraten. Es dürfte also spannend bleiben.
Die Frage, ob ein "Big Bang" im Bereich "Live-Audio-Content" ansteht, stellt sich aus meiner Perspektive nicht. Er wird, ja er muss kommen. Früher oder später. Alles andere wäre absurd, denn technisch sollte das alles kein Problem sein, genügend Finanzkraft ist auch da und im Non-Corporate-Podcast-Bereich ist er schon längst zu finden. Für die große Masse der Hörerinnen und Hörer haben die on-demand Angebote derzeit noch klar die Nase vorne. Ihr Vorteil, neben der Möglichkeit sie offline zu hören, liegt im zeit- und ortsunabhängigen Konsum. Allerdings gibt es auch noch keine fetten "Live-Audio-Content" Angebote bzw. technische Distributionsmöglichkeiten: Das berühmte Henne-Ei-Problem.
Die wichtigen Fragen sind: Gibt es in der on-demand Ära nicht auch das Bedürfnis, Audio-Content live zu erleben? Auch nicht für die "Generation Kopfhörer"? Wie schafft "Live-Audio-Content" ein derartiges Hörerlebnis, dass mit der Technik und den Möglichkeiten von heute, wieder zu einer bestimmten Uhrzeit auf "Play" gedrückt wird?
Audionutzung hat Potenzial für Markenbildung
Wir werden nur hören was funktioniert oder nicht, wenn wir es versuchen. Und das können derzeit wohl überwiegend nur die mit ausreichend Finanzkraft ausgestatteten "Big Player". Lizenzen oder Ideen für "digitale Live-Audio-Shows" kosten häufig mehr, als das Monatsabo einer Tageszeitung. Vor dem Hintergrund der steigenden Mobilität der Menschen und der damit einhergehenden Zunahme der Audionutzung könnte dies allerdings ein durchaus interessanter Markt sein - insbesondere für Markenbildung und Markenbindung.
Übrigens: Wenn der Mehrwert, die Relevanz und das Hörerlebnis passen, könnte "Live-Audio-Content" durchaus ein Teil der Monetarisierung darstellen, beispielsweise mit Subscription-Business-Modellen oder schlicht dem Audio-Ticket für Event XY, um nur ein paar Ansätze zu nennen.
*Acast, Audible, Audio Now, FYEO, OMR, Podimo, Spotify, Podigee, Viertausendhertz.