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Twitter schiebt politischer Werbung den Riegel vor
Vom 22. November an gibt es keine politische Werbung mehr bei Twitter. Der Microblogging-Dienst stellt sich damit gegen den Konkurrenten Facebook auf.

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Rechtzeitig vor der heißen Phase der US-Präsidentschaftswahl 2020 hat Donald Trumps Lieblingskommunikationskanal Twitter angekündigt, keine politische Werbung mehr schalten zu wollen. "Wir glauben, dass Reichweite für politische Botschaften verdient werden muss, statt teuer erkauft zu werden", stellte Twitter-Chef Jack Dorsey mit einem Tweet klar.
Vom 22. November an können demzufolge keine Tweets gegen Bezahlung im Nachrichtenstrom von Nutzern platziert werden. Konkrete Regeln sollen eine Woche vorher veröffentlicht werden. Anders als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist Dorsey der Ansicht, politische Anzeigen seien keine freie Meinungsäußerung, sondern bezahlte Reichweite. Und das könne erhebliche Auswirkungen haben, "auf die die heutige demokratische Infrastruktur möglicherweise nicht vorbereitet ist."
Dorsey kritisierte indirekt die Facebook-Position. Twitter würde sich unglaubwürdig machen, wenn die Firma einerseits sagen würde, man unternehme alles, um die Verbreitung irreführender Informationen einzudämmen - sie aber zugleich gegen Bezahlung verbreiten ließe. Auch das unter anderem von Facebook vorgebrachte Argument, es gehe bei politischer Werbung um die Redefreiheit, ließ Dorsey nicht gelten. "Hier geht es nicht um freie Meinungsäußerung. Hier geht es darum, für Reichweite zu bezahlen", schrieb er.
Dorsey räumte ein, dass Kritiker Twitter vorwerfen könnten, der Werbe-Stopp bevorteile Amtsinhaber. "Aber wir sind Zeugen geworden, wie viele politische Bewegungen ein massives Ausmaß ohne jegliche politische Werbung erreichten." Twitter habe auch erwogen, nur Anzeigen von Wahlkandidaten zu stoppen, schrieb Dorsey. Ein solches Verbot wäre aber unfair und leicht zu umgehen gewesen, deswegen habe man sich für einen radikalen Schnitt entschieden, erklärte er.
Bei Politiker-Äußerungen, die nicht als Anzeigen verbreitet werden, setzt Twitter unterdessen seine Regeln gegen Beleidigungen oder Hassrede aus, wenn die Tweets Nachrichtenwert haben. Dafür war auch der Kurznachrichtendienst in die Kritik geraten, insbesondere wegen umstrittener Tweets von Trump.
Bei der Präsidentenwahl 2016 waren aus Russland bei Facebook und Twitter in großem Stil als Werbung Beiträge verbreitet worden, die die Spannungen in der US-Gesellschaft verstärken sollten und zum Teil auch direkt den heutigen Präsidenten Donald Trump unterstützten.
Die jüngste Debatte wurde unter anderem von einer Werbeanzeige des Trump-Lagers mit irreführenden Informationen über den demokratischen Präsidentschaftsanwärter Joe Biden befeuert. Der Sender CNN weigerte sich, sie zu senden - Facebook hingegen nicht. Zuckerberg betonte, Online-Netzwerke sollten nicht darüber entscheiden, was falsch oder faktisch korrekt sei.
Das Wahlkampfteam von Trump kritisierte den Vorstoß von Twitter als einen weiteren Versuch, konservative Stimmen zu unterdrücken. Der US-Präsident kommuniziert viel über Twitter. Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, ein aufsteigender Polit-Star der Demokraten, lobte die "ethische Entscheidung".
Beim als Trump-Kritiker bekannten US-amerikanischen Journalistik-Professor Jeff Jarvis stieß das Vorhaben von Twitter auf Skepsis. "Wenn wir preiswerte und effizient ausgerichtete politische Werbung unterbinden, dann bleiben uns Kampagnen des großen Geldes im Fernsehen - genau das, was wir seit Jahrzehnten hinter uns lassen wollen. Wir bleiben auch bei den etablierten Machthabern, die mit großem Geld und mit Unterstützung der großen Parteien arbeiten und Macht haben."
Facebook ist mit monatlich rund 2,45 Milliarden Nutzern viel größer als Twitter. Der Kurznachrichten-Dienst kam nach letzten vergleichbaren Zahlen auf rund 330 Millionen aktive Nutzer. Inzwischen gibt Twitter nur noch bekannt, wie viele Nutzer der die Firma mit ihrer Werbung erreichen kann - zuletzt waren das 145 Millionen.
mit dpa