Kann man ohne eine medial-digitale Infrastruktur und den kreativen Austausch unter hippen Leuten überhaupt einen klaren Gedanken fassen?

Uhlemayr: Ja, na klar! Hippe Leute gibt es nicht nur auf der Schanze oder vor dem Berghain, sondern auch auf dem Pfänder oder am Bodenseeufer. Ganz zu schweigen von den Mitte-Dreißigjährigen, die genug von der Stadt haben und zurückkommen. Die Spielwiese für Kreative ist am Bodensee übrigens ebenbürtig mit der in Hamburg oder Berlin. Nur die Kunden sind kleiner, was es für mich allerdings enorm spannend macht. Dazu kommt: Bei Towa kommt man beruflich viel rum. Von Shanghai über Wien bis nach Hamburg oder Austin ist alles dabei.

von Loringhoven: Richtig, und wenn mir doch mal der digitale Input fehlt, dann geht's entweder an die Alma Mater Zeppelin-Universität in Friedrichshafen – das neueste Berliner "Hipster-Wissen" abholen – oder ich reise nach Berlin und werfe mich in Diskussionen und aktiven Austausch. Aber der große Vorteil ist, ich kann hier am See mehr klare Gedanken fassen als früher. Und dazu kommt, dass die Kultur hier in Vorarlberg bzw. Österreich eine andere ist – weniger gehetzt, nachhaltiger, wertiger. Auszeiten werden akzeptiert und niemand schickt Mails oder ruft an, wenn man im Wald oder am See ist. Und nein: Das hat nichts mit mangelnder digitaler Infrastruktur zu tun, denn hier ist Österreich im Vergleich zu Berlin viel besser. Faszinierend ist, dass Ideen am Ende genauso schnell iterativ entwickelt und umgesetzt werden, wie ich es aus Berlin von anderen Unternehmen gewöhnt bin.

Was wiederum hier leben Sie als Vorteil: Was können Sie am Bodensee schaffen, was in Berlin nicht geht?

von Loringhoven: Meinen zwei Söhnen Natur näherbringen, Baumhäuser bauen, unendlich viele Sportarten ausprobieren. Aber auch zur Ruhe kommen. In Berlin ist man immer von der Angst verfolgt, etwas zu verpassen. Hier in Vorarlberg habe ich gelernt, Dingen neuen Wert beizumessen: Zeit mit meinen Kindern, Ruhe, Luft, Freiheit.

Uhlemayr: Ich sehe meinen Sohn lieber zwischen ein paar Kühen aufwachsen anstatt an einer vierspurigen Straße. Zudem hat es uns in Hamburg schon immer ins Umland gezogen, aber das war ohne Auto und mit Kinderwagen ziemlich aufwendig. Jetzt müssen wir nur zur Türe raus.

Beruflich stoßen wir hier auf jede Menge Neugier und unsere Kunden schätzen die Art und Weise, wie wir an Dinger heran gehen. Und das kommt natürlich von den Erfahrungen aus Berlin und Hamburg. 

von Loringhoven: Ich habe beruflich jetzt mit einer ganz anderen Klientel zu tun. In Berlin habe ich zu 90 Prozent mit Startups gearbeitet, das waren andere Herausforderungen, aber doch eben immer wieder sehr ähnlich. Jetzt setze ich für die Industrie wirkliche "Big Data"-Projekte um und kann mich damit in ganz andere Felder hinein entwickeln.

Philipp von Loringhoven, Towa

Philipp von Loringhoven, Towa

Vielleicht sind die Großstädte sogar überbewertet - oder?

von Loringhoven: Nein, auf gar keinen Fall, Berlin ist genial! Ich liebe die Stadt. Berlin ist für mich Europa, der "Meltingpot", der vieles treibt. Allgemein bieten Großstädte unendlich viele Möglichkeiten, aber mit Kindern war das für mich der Horror. Und das nicht etwa wegen Angst vor Unfällen oder Ähnlichem, sondern weil die Infrastruktur dort einfach nicht zu den Bedürfnissen von Kinder passt. Das merken glücklicherweise immer mehr Leute und ziehen an den See. Denn wir tun uns immer noch nicht leicht, neue Kollegen mit internationaler Erfahrung zu gewinnen.

Uhlemayr: Das stimmt, in der Großstadt ist mehr Dichte an guten Leuten vorhanden. In Vorarlberg ist es richtig schwer, Mitarbeitet auf Senior-Level zu finden, die uns weiterbringen und Grenzen überschreiten möchten. Aber irgendwann kommt der Tag, an dem das Dorf attraktiver wird. Ich konnte mit Anfang 20 dem Allgäu auch nicht wirklich etwas abgewinnen und musste einfach raus. Und dann kam Berlin. Eine krasse Zeit, die ich nicht missen möchte. Und auch heute bin ich noch gerne dort. Genauso gerne wie in Hamburg. Aber heute "rule-t" das Dorf.

Welche Zulagen haben Sie bekommen, dass Sie Berlin für den Bodensee verlassen?

von Loringhoven: Die Freiheit für Experimente, das ist unbezahlbar! Außerdem hat die Agentur den Umzug übernommen. Generell helfen wir bei Towa allen unseren Kollegen dabei, hier in der Region gut anzukommen und sich zuhause zu fühlen.

Uhlemayr: Für mich war ein Firmenwagen das ausschlaggebende Argument, da die Bedingung für einen Umzug in den Süden war, dass wir in die Nähe meiner Familie ins Allgäu ziehen. Jetzt schraube ich jeden Tag ordentlich am Kilometerstand und fahre in Summe 120 km. Das wichtigste aber war, dass es in der Agentur Menschen gibt, die Lust auf geilen Scheiß haben. Und nicht einfach nur in vollem Gehorsam etwas abarbeiten.

Wie sieht es mit dem Angebot von Aus- und Weiterbildung aus?

von Loringhoven: Wir können die Aufgaben unserer Kunden nur dann gut lösen, wenn wir für diese Herausforderungen gut aufgestellt sind. Fortbildungen sind für uns keine Kosten, sondern ein Investment in die Zukunft der Agentur. Intern treiben wir einen aktiven Wissensaustausch voran. Etwa dadurch, dass wir wirklich zu 100 Prozent agil arbeiten und für unsere Kunden die Teams passend zur Aufgabe zusammenstellen. Austausch und Diskussion sind Teil unserer Agentur DNA. Und hier profitieren wir natürlich sehr durch die ganzen "Zugezogenen", die wir für Towa begeistern konnten und die aus den unterschiedlichsten Bereichen ein sehr breites Wissensspektrum mitbringen.

Uhlemayr: Und natürlich haben wir ein Budget für Aus- und Weiterbildungen für alle Kollegen, ob das nun für Messen eingesetzt wird oder für MOOCs (Massive Open Online Course).  

von Loringhoven: Und wir haben ein aktives Coaching und Mentoring etabliert. Wir versuchen also nicht nur die handwerkliche Seite aller weiter zu entwickeln, sondern fördern auch die Unternehmenskultur. Jeder soll hier wachsen können.

Irmela Schwab/Annette Mattgey


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Autor: W&V Redaktion

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