Klartext mit Katharina Wolff:
Sexismus ist nicht plötzlich da. Sexismus entwickelt sich.
"Ein toxischer Mitarbeiter kann dem Unternehmen immensen Schaden zufügen", warnt Personalberaterin Katharina Wolff. Schon beim Recruiting kommt es darauf an, Egoisten und Narzissten auszusieben.
Deutschland ist das Land, in dem es auf die Leistungen ankommt, die auf dem Papier stehen. Unternehmen haben jedoch erkannt, dass vielmehr zählt, ob ein neuer Mitarbeiter auch ins Team und zu den gelebten Werten passt. Wer stört oder sogar durch sexistische Übergriffe das Klima vergiftet, kann für ein Unternehmen teuer werden - über den Imageschaden hinaus, den zum Beispiel Scholz & Friends gerade erlitten hat.
Wie kann ich solche Fehlgriffe beim Recruiting vermeiden? Das war meine Ausgangsfrage, die ich Katharina Wolff, Gründerin von D-Level, gestellt habe. In der neuesten Ausgabe von "Klartext - Katharina Wolff über Köpfe, Karrieren und digitale Konzepte" spricht sie über falsche Anreize, den Wert von Peer-Interviews und wie man Narzissten erkennt.
Wenn sich Firmen beim Recruiting nur auf Zeugnisse und Leistungen verlassen, ist die Gefahr groß, dass sich der Mitarbeiter später als nicht teamfähig und nicht zur Unternehmenskultur passend entpuppt. Wie lässt sich der Cultural Fit schon im Vorhinein abschätzen?
Um herauszufinden, ob ein Kandidat wirklich ins Unternehmen passt, sollte zunächst ein klares Wertekorsett bestehen und entsprechend wertebasiert interviewt werden. Es muss klar sein: wer die Werte des Unternehmens nicht teilt, passt nicht. Da darf es keine Kompromisse geben. Wenn Zweifel bestehen: den Kandidaten lieber gehen lassen, als es mit Unsicherheit im Bauch zu versuchen. Ein Kandidat, der die Werte des Unternehmens missachtet, kommt der Firma teurer zu stehen, als die Stelle erst vakant zu lassen.
Zum anderen rate ich immer wieder dazu, Peers interviewen zu lassen. Ob ein Kandidat ins Unternehmen und ins Team passt, kann das Team in der Regel selbst am besten beurteilen - nicht zuletzt auch, weil das Team selten einer fragwürdigen Incentivierung folgen. Eine Führungskraft kann bei der Besetzung der Position unter Zeitdruck stehen und aufgrund dessen eine falsche Entscheidung treffen. Das HR-Team bekommt im schlechtesten Fall Hiring Boni, so profitieren sie erst einmal lediglich von der Rekrutierung selbst und nicht dann, wenn sich herausstellt, dass der Mitarbeiter wirklich passt und einen guten Job macht.
Auch Personaldiagnostik, die z.B. auf der Methode der DISC-Tests beruht, einzusetzen, kann dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen.
Einzelne Narzissten oder Sexisten können ein ganzes Teamgefüge sprengen. Wie kann ich mich im Vorstellungsgespräch dagegen wappnen, auf so eine Person reinzufallen?
Um einen Narzissten erkennen zu können, sollte man zunächst wissen, was ihn genau ausmacht. Es gibt 5 international anerkannte Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung:
- die Betroffenen haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit
- sie gehen davon aus, bewundert zu werden und fordern das auch ein
- sie sind selbst stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs beherrscht
- Sie glauben von sich, besonders und einzigartig zu sein
- Sie erwarten, bevorzugt behandelt zu werden.
Erste Hinweise, ob man einen Narzissten vor sich hat, geben Fragen nach den Erfolgen des Kandidaten. Redet er nur von sich und nicht vom Team-Erfolg, kann das schon ein erstes Indiz sein. Auch simple Fragen nach Hobbies können Aufschluss geben: Team-Sportarten lassen Narzissten schwerlich zu.
Narzissten sind aufgrund ihres Auftretens und ihrer Selbstsicherheit unter Entscheidern recht häufig vertreten. Hier kann man gut ansetzen und gezielt Fragen dazu stellen, wie viel Feedback der/die Kandidat/in aus / aus seinen/ ihren Teams zulässt und darüber Referenzen einholen. Jemand der vom Team als reflektiert oder als guter Zuhörer beschrieben wird, ist kein Narzisst.
Narzissten können sich zwar sexistisch verhalten. Allerdings ist Sexismus eher durch eine gewisse Überheblichkeit, einer abschätzenden Geisteshaltung gegenüber Frauen geprägt. Wenn so eine Person im Arbeitsumfeld nie ausgebremst wurde, kann sich eine Art überbordendes Machtgefühl entwickeln, dass schädlich ist. Sexismus ist nicht plötzlich da. Sexismus entwickelt sich und dafür braucht es Raum. Sexisten fallen daher manchmal erst nach Jahren auf. Sie fallen aber auch nicht vom Himmel.
Lässt sich ein Egoist zum Teamplayer machen? Oder muss ich ihn so einsetzen, dass er nicht stört?
Es kommt zum einen darauf an, wie ausgeprägt diese Eigenschaft ist und zum anderen, wie offen derjenige dafür ist, sich zu ändern. Ein echter Egoist ist in der Lage, das Teamgefüge zu zerstören und massiven Schaden im Unternehmen anzurichten. Die sogenannten "Taker" spannen andere Teammitglieder für ihre Zwecke ein, manipulieren und arbeiten nur für sich selbst. Von solchen Leuten sollten sich Unternehmen sofort trennen.
Wenn jemand, der egoistische Züge zeigt, an sich arbeitet, kann dieser Mitarbeiter allerdings durchaus gut sein für das Unternehmen. Es kann binden, zusammenschweißen und das Teamgefüge am Ende stärken.
Es gibt einige Agenturen, die nur aus Frauen bestehen. Ist das die einzige Lösung gegen Sexismus?
Nein das kann und darf nicht die Lösung sein. Diverse Teams arbeiten besser und effizienter. Das ist schon lang kein Geheimnis mehr. Es wird Zeit, dass gegen sexistisches Verhalten schnell und konsequent vorgegangen wird und das Führungsteams idealerweise paritätisch mit Männern und Frauen besetzt sind. Schon die schiere Anwesenheit einer Frau in übergeordneter Rolle wird das Verhalten gegenüber Frauen im Unternehmen ändern.
Wenn gar nichts mehr hilft: lieber kündigen? Ist sexistisches Verhalten ein Kündigungsgrund?
Sexistisches Verhalten hat eine weite Spannbreite. Sind es Sprüche? Ist es eine Braue, die im falschen Moment hochgezogen wird? Ist es eine grundsätzliche, arrogante oder vorurteilsbehaftete Haltung? Inwiefern ist der Mitarbeiter gesprächsbereit? All das spielt in die Entscheidung hinein, ob ein Mitarbeiter gekündigt werden sollte oder nicht. Sind es andererseits aber sexistische Übergriffe oder belästigt da ein Mensch einen anderen oder wird es körperlich, ist das ein Verhalten, das nicht geduldet werden kann. Ein toxischer Mitarbeiter kann dem Unternehmen immensen Schaden zufügen und sie sind am Ende sogar teurer als die begehrten A-Player.