Was glauben Sie, warum wehren sich die Frauen gerade beim Thema Geld nicht stärker gegen diese Ungleichbehandlung?

Ich glaube, wir wollen immer noch zu viel gefallen, nicht anecken, wollen schön konform bleiben, das ist alles eine gesellschaftliche Norm, in der wir stecken. Niemand mag die ärgerlichen Frauen, niemand mag die aufmüpfigen Frauen. Frauen sollen brav sein, Frauen sollen gut aussehen. Sie dürfen auch schlau sein, aber nur bitte nicht nach mehr Geld verlangen. Ich kenne keinen Mann, der nicht offensiv mit dem Thema umgeht, und witzigerweise kriegen die Männer das ja auch irgendwie hin. Wenn ein Mann zum Chef geht, gilt das Argument: "Ich habe zwei Kinder, ich brauche mehr Geld." Wenn eine Frau dieses Argument vorbringt, heißt es heute teilweise noch: "Verdient Ihr Mann nicht genug?" Verrückt, oder?

Sie selbst erheben Ihre Stimme, indem Sie Vorträge darüber halten, wie Sie sich als Fußball-Moderatorin in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen konnten. Was raten Sie Frauen?

Ich denke, die wichtigste Botschaft an alle Frauen ist, die Dinge nicht zu persönlich zu nehmen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass wir Frauen sehr dazu neigen und uns damit ein Stück weit selbst im Wege stehen. Aber natürlich gibt es zwischen Frauen und Männern Unterschiede in der Emotionalität, und das ist in weiten Teilen auch gut.

Inwiefern?

Am besten kann ich das an meinem Beispiel darlegen: Ich denke, dass mir meine Sensitivität in den Interviews immer sehr geholfen hat. Nicht, dass ich unkritisch gewesen wäre, im Gegenteil, aber es war mir eben möglich, darüber auch Dinge bei meinem Gegenüber leichter zu erspüren. Weil ich eben nicht dicht gemacht oder keinen Testosteron-Wettbewerb daraus gemacht habe, sondern es einfach ein bisschen eleganter, vielleicht manchmal durch die Hintertür gefragt habe.

Kommt es denn auch vor, dass Interviewpartner Sie nicht ernst nehmen?

Nein, das ist kein Thema mehr. Aber ach Gott, es gibt immer noch so Ewiggestrige, die glauben, dass Frauen und Fußball nichts miteinander zu tun haben. Das wird heutzutage aber allgemein eher belächelt. Ich habe mittlerweile auch einen Erfahrungsbonus, ich bin jetzt länger dabei als jeder aktive Trainer auf seinem jetzigen Trainerstuhl. Irgendwann stellt sich auch da Respekt ein. Ich bin nicht kaputtzukriegen. Das nötigt ihnen einen gewissen Respekt ab.

"Schamfreiheit" im Job sorgt für Erfolg

Eine weitere Vortragsreihe, die Sie demnächst halten, widmet sich – in Teilen basierend auf Ihrem neuen Buch No Shame – dem Thema "Scham im Job". Was ist genau darunter zu verstehen?

Es ist die Angst vor falschen Konsequenzen, vor Fehlern, vor Kritik vom Chef oder von den Kollegen. Aber zum Beispiel auch die Angst zu glänzen, was vor allem bei Frauen besonders ausgeprägt ist: Dabei geht es um die Angst, mit einem guten Beitrag andere zu beschämen. Denn wenn ich jetzt besser dastehe, dann kann das zur Folge haben, dass mein Gegenüber mich wiederum schlecht behandelt. Ich habe Angst, einen guten Beitrag zu liefern. Klingt verrückt, kommt aber ganz oft vor.

Wie kamen Sie darauf?

Die Vorlage hat die Aristoteles-Studie von Google geliefert: Dafür sind 180 Teams über mehrere Jahre befragt worden. Man wollte herausfinden, was die Effizienz der erfolgreichen Teams ausmacht. Man könnte ja meinen, dass die Teams erfolgreich sind, die am meisten arbeiten. Oder die, die die beste Ausbildung haben. Oder die, die am meisten Zeit neben der Arbeit miteinander verbringen, also der Sozialfaktor. Aber nichts von alledem war's.

Was war es dann?

Was am meisten zum Erfolg eines Teams beigetragen hat, war eben die "Schamfreiheit", die "psychological safety". Die Leute mussten keine Angst haben, ihren Beitrag zu liefern. Sie hatten keine Angst vor falscher Scham, sie konnten sich in Meetings so äußern, wie sie wollten, sie mussten nicht befreundet sein, aber sie mussten zumindest dem anderen immer den Respekt und die Wertschätzung zeigen, dass dieser schamfrei seinen Beitrag in der Gruppe leisten durfte. Wenn man weiß, dass so viele Mitarbeiter unzufrieden sind, dann ist es doch spannend, dass anscheinend diese psychologische Sicherheit nicht überall vorherrscht.

Sind Frauen von dieser Verunsicherung im Beruf stärker betroffen?

Grundsätzlich ist Scham etwas, das jeder Mensch kennt. Es ist nicht so, dass Männer nicht davon betroffen wären. Sie gehen nur anders damit um. Und vor allen Dingen: Sie sind eher diejenigen, die sofort spüren, wenn sie beschämt werden. Das ist ein typisch männliches Schamphänomen, dass sie sich leichter beschämt fühlen. Bei Frauen ist es eine intrinsische Geschichte: Sie schämen sich für sich, fühlen sich als ungenügend oder unzulänglich, und haben eher das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, dass sie unter ihrer eigenen Messlatte durchlaufen.

Welchen Ausweg gibt es aus dieser Schamfalle?

Es gibt mehrere Strategien, um sich in der Kollegensituation schamfrei zu halten. Das wichtigste ist, dass man keine Angst haben sollte, zu glänzen. Wenn man einen guten Beitrag leisten kann, sollte man den auch leisten und keine Angst haben, dass man möglicherweise andere beschämt. Außerdem kann man versuchen, die Reaktionen der Zuhörer zu antizipieren, indem man sich fragt, wie der Beitrag ankommen wird: Wird er als Angriff aufs Ego bewertet, was natürlich auch immer sein kann. Und wenn man weiß, dass wahrscheinlich jemand Gegenargumente bringen wird, dann ist es gut, wenn man sich vorher schon überlegt, wie man darauf reagiert.

Hilft auch ein Gespräch mit dem Chef?

Wenn man mit seinem Vorgesetzten ein gutes Verhältnis hat, sollte man zumindest mit ihm mal darüber sprechen, wie es mit der psychologischen Sicherheit aussieht. Wenn das nicht geht, muss man versuchen, das für sich allein zu erschaffen, was natürlich nicht ganz so leicht ist. Zumal ein Problem von uns Frauen auch ist, dass wir uns oft mit mangelnder Solidarität auseinandersetzen müssen.

Warum?

Das liegt daran, dass die Geschichte der Frauen im Berufsleben noch relativ kurz ist. Bis in die 1960er-Jahre hinein durften die Männer in der Ehe entscheiden, ob Frauen arbeiten gehen oder nicht. Noch früher durfte eine unverheiratete Frau maximal bei engen Angehörigen arbeiten, wo sie beinahe wie eine Sklavin betrachtet wurde und keinen richtigen Beruf ausüben konnte. Das war eine doppelte Bestrafung. Frauen standen also bis vor sehr kurzer Zeit in einem ganz hohen existentiellen Konkurrenzkampf. Und da steckt uns das "Gefallen-Wollen" leider noch in den Genen.