Fußball-WM 2018:
Bei Waipu.tv rollt der Ball am schnellsten ins Tor
Wenn der Nachbar schon jubelt, schauen Sie noch in die Röhre? Das kann passieren, weil es bei der TV-Übertragung zu Verzögerungen kommt. Streaming-Anbieter Waipu.TV verspricht Abhilfe.
Streaming toppt Kabelanschluss - das ist das Ziel einer neuen Technologie, die der Streaming-Anbieter Waipu.TV nun erstmals zur Fußball-WM 2018 einsetzen will. Der Betreiber Exaring hat sie bereits zum Patent angemeldet. Damit könnten Waipu.TV-User die Tore bei der Fußball-WM am schnellsten sehen, so das Versprechen.
Die Turbo-Übertragung soll noch rechtzeitig vor Start der WM allen Kunden zur Verfügung stehen, die das "Perfect"-Paket abonniert haben. Vorerst lässt sich das Angebot jedoch nur mit Amazons Fire TV oder einem Fire-Tablet sowie über eine App auf Android-Smartphones nutzen. "Über unser eigenes Glasfasernetz und die Vielzahl von Koppelpunkten mit DSL-Netzen können wir die Stärke unseres neuen Übertragungsverfahrens maximal ausreizen", sagte Exaring-Manager Johannes Deisenhofer. Das Verfahren werde zusätzlich mit intelligentem Verkehrs- und Routing-Management kombiniert.
Die Redakteure des IT-Magazins "c't" haben das Angebot bereits im Testlabor unter die Lupe genommen: Demnach kommt Waipu.TV bei der Ausstrahlung sowohl in der ARD als auch im ZDF auf eine Latenzzeit von 2,3 Sekunden und liegt damit vor dem terrestrischen Signal (4,5 Sekunden über ARD, 2,5 Sekunden über ZDF) wie auch vor der HD-Ausstrahlung über Kabel (6,5 Sekunden bei der ARD und sechs Sekunden beim ZDF). Schneller ist nur das Bild über Satellit (0,5 Sekunden Latenz in hoher Auflösung). Als Ausgangswert (Null) wurde das herkömmliche SD-Bild über Satellit genommen, das mit 4,5 Sekunden hinter der Echtzeit liegt.
Es bleibe bei der Übertragung alles beim Alten, das TV-Signal komme teilweise "erschreckend langsam" auf den Fernsehern an, sagte Ulrike Kuhlmann, Redakteurin beim IT-Fachmagazin "c't", der Deutschen Presse-Agentur. Die Redaktion hatte die Ausstrahlung über verschiedene Wege gemessen und teils bis zu 50 Sekunden Zeitunterschied festgestellt - eine halbe Ewigkeit für Fußballfans, die bei offenem Fenster auf das vom Nachbarn längst bejubelte Tor warten müssen. "Haben die Nachbarn Zugriff auf Satellitensignale, können das beim Elfmeterschießen seeehr lange Sekunden werden", sagt Kuhlmann.
Bereits zur WM vor vier Jahren hatte der Effekt des "zeitversetzten Fernsehens" bei vielen Zuschauern für Unmut gesorgt. Ganz vorne sind auch in diesem Jahr die Fans, die per Satellit empfangen. Dabei sei bei ersten Messungen das Bild in schwacher SD-Auflösung mit 4,5 Sekunden am schnellsten angekommen, obwohl dafür das ausgesendete HD-Signal noch heruntergerechnet werden müsse, sagt Kuhlmann. Dicht darauf folgt das Sat-Signal in HD, das eine halbe Sekunde später auf dem Fernsehbildschirm erscheint, aber auch mit einem deutlich besseren Bild entschädigt.
Wer sein TV-Programm terrestrisch über DVB-T2 HD erhält, empfängst die Ausstrahlung im ZDF (2,5 Sekunden Verzögerung zum Sat-SD-Signal) jedoch deutlich schneller als in der ARD (4,5 Sekunden). Dahinter folgt den Messungen der "c't" zufolge das Signal über Kabel. In hoher Auflösung braucht es je nach TV-Sender sechs oder 6,5 Sekunden.
Noch länger müssen Nutzer des Telekom-Angebots "Entertain" auf das Tor warten. "Die Problematik ist bekannt", sagte Telekom-Sprecher Malte Reinhardt der dpa. Sie betreffe alle digitalen Übertragungswege, für die die über Satellit übermittelten Signale noch transcodiert werden müssten. Aktuell falle die Wiedergabe des TV-Bilds über das Streaming-Angebot "Entertain" etwa zwischen acht und zehn Sekunden zurück. Die Telekom arbeite zwar an neuen Technologien, aber bis zur WM werde sich an der Verzögerung nichts ändern.
Streaming-Anbieter, die keine Multicast-Technologie (Aussendung eines Signals an viele Kunden) verwenden, lägen aber noch weit dahinter, da könne die Verzögerung schon mal bis zu 50 Sekunden dauern, sagte Reinhardt. Auf dieses Schneckentempo kommen auch die Redakteure der "c't" in ihrem Testlabor. "Da jubeln die Nachbarn schon lange", bevor der Ball auf dem eigenen Bildschirm ins Tor gehe, sagt Kuhlmann.
"Wenn die Straße jubelt, weiß man, es passiert gleich was", sagt Jörg Meyer vom TV-Streaming-Anbieter Zattoo. Bei Live-Übertragungen wie der Fußball-WM könne die Verzögerung beim Streaming schon mal unangenehm auffallen, wenn die ganze Straße mitfiebere. Beim normalen TV-Programm, etwa beim "Tatort" spiele sie dagegen eher keine Rolle. "Die zeitliche Verzögerung kann man nicht wegreden."
"Wir speichern zudem das Signal für eine flüssige Wiedergabe ein paar Sekunden auf den Endgeräten zwischen", sagt Meyer. Die Schnelligkeit hänge aber auch von Faktoren wie der Leistungsfähigkeit des Fernsehers ab. Zattoo sei aber immerhin schneller als der Live-Stream über Mediatheken von ARD und ZDF. Die "c't"-Redakteure kommen je nach Ausgabemedium auf Verzögerungen von 34 bis 46 Sekunden.
Es gebe technisch bereits verschiedene Ansätze in der TV-Streaming-Branche, das Phänomen in den Griff zu bekommen, sagt Meyer. Spitzenreiter ist der Streaming-Dienst Magine, der auf einem AppleTV auf 21 Sekunden bei der ARD und 20 Sekunden beim ZDF kommt.
Renate Grimming, dpa