"Wir lernen viel über die Bedürfnisse unserer Leser und arbeiten nun - wie angekündigt - daran, demnächst weitere Modelle anbieten zu können, zum Beispiel digitale Abo-Modelle. Spiegel Plus wird im nächsten Jahr schlagkräftiger werden, und wir bereiten den Start weiterer Bezahlangebote vor, von Spiegel Daily zum Beispiel, einer digitalen Tageszeitung."

Wird der "Spiegel" mit 70 also auch digitaler? Zumindest die Strukturen im Verlag sollen es werden. Die Partnerressorts von "Der Spiegel", Spiegel Online und Spiegel TV verzahnen sich laut Brinkbäumer und "verbessern systematisch ihre Zusammenarbeit". Ziel sei es, die Publizistik auf allen Plattformen - Print, Website, Apps, TV-Sender, Social Media – "zu choreografieren und möglichst viele Leser und Nutzer zu erreichen". Erst kürzlich wurde bei Spiegel Online die Redaktionsspitze einmal mehr ausgetauscht.

Als positive Ergebnisse der Verzahnung in der Berichterstattung nennt der Chefredakteur den US-Wahlkampf und datenjournalistische Projekten wie "Football Leaks". "Datenjournalisten, Dokumentare, TV-, Online- und Print-Kollegen aus drei Ressorts - Sport, Wirtschaft, Deutschland - haben perfekt zusammengespielt. Dass wir dann noch das Netzwerk EIC mit zwölf internationalen Partnern ins Laufen gebracht haben, so dass ein abgesicherter Datenaustausch möglich wurde, ist ein riesiger Fortschritt", berichtet Brinkbäumer.

Print bleibt im Hause "Spiegel" wichtig

Doch auch an Print glaubt das Haus weiterhin. Obwohl die verkaufte Auflage des Nachrichtenmagazins seit Herbst 2015 unter die Schwelle von 800.000 Exemplaren pro Erscheinungsintervall gerutscht ist. Ab 21. März 2017 bietet der Verlag mit "Spiegel Classic" einen weiteren Printableger an. Für ältere Leser.

"Eines von vielen neuen Produkten, die wir in den letzten Monaten entwickelt haben", meint dazu Klaus Brinkbäumer. Er beruft sich auf Daten aus der Marktforschung, wonach es eine Lücke für solch ein Heft gibt, "das Themenschwerpunkte setzen wird und sich sehr klug an eine ältere Zielgruppe richten soll". Das Haus will "Spiegel Classic" testen, hängt die Erwartungen jedoch "nicht allzu hoch".

Viele Aktionen und Werbung zum Geburtstag

Doch zunächst steht zum Jahreswechsel das Jubiläum beim Magazin im Vordergrund, das einst mit seiner investigativen Recherche und kritischen Berichterstattung die Mächtigen gegen sich aufbrachte ("Schmierblatt" wetterte Konrad Adenauer, "Scheißblatt" ätzte Willy Brandt).  3650 "Spiegel"-Ausgaben mit 378.000 Artikeln, geschrieben von rund 2000 Redakteuren, verantwortet von 27 Chefredakteuren und verifiziert von 500 Dokumentaren, sollen umfangreich beklatscht werden.

"Der Spiegel" selbst widmet sich in mehreren Jubiläumsausgaben der Geschichte des Nachrichten-Magazins und seiner Bedeutung in der Gegenwart. Ausgabe 2/2017 erscheint mit einer DVD-Beigabe - einem Film von Spiegel TV über 70 Jahre "Spiegel". Spiegel Online startet am Geburtstag selbst, am 4. Januar, eine Sonderseite zum Jubiläum. Kern ist das Gewinnspiel "7 mal 10". Begleitet wird das Gewinnspiel von Beiträgen zur Geschichte des Nachrichten-Magazins aus sieben turbulenten Jahrzehnten.

Die erste Ausgabe vom "Spiegel", sie kostete 1 Reichsmark (Motiv: Verlag).

Den Jubiläumsausgaben – 1 und 2/2017 – stellt der Verlag eine Werbekampagne in Print, Online, TV und Funk zur Seite. Mit neuen Motiven aus der Markenkampagne unter dem Claim "Keine Angst vor der Wahrheit". Das Bruttowerbevolumen liegt nach Verlagsangaben vom Mittwoch bei rund 1,2 Millionen Euro. Marketingmaßnahmen im Einzelverkauf und Abonnement werden das Jubiläum nutzen.

Neben internen Veranstaltungen mit den Mitarbeitern plant der Verlag Veranstaltungen für Leser und externe Gäste. Anlässlich des Geburtstags hat der Hamburger Senat am 6. Januar zu einem Empfang ins Rathaus eingeladen. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist als Festrednerin vorgesehen. Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sowie Klaus Brinkbäumer werden zu den geladenen Gästen sprechen.

Ein Buch zum Jubiläum, das am 11. Januar erscheint, soll den Aufstieg des Nachrichtenmagazins nachzeichnen, indem es die wichtigsten Scoops, Essays und Storys aus sieben Jahrzehnten dokumentiert oder kuratiert.

Über allem hängt das Spardiktat ...

Doch bei all dem darf nicht vergessen werden: Mit der "Spiegel-Agenda 2018" muss die Marke erstmals seit Bestehen massiv Kosten senken und Einschnitte beim Personal vornehmen. Das Sparprogramm soll von 2018 an den Jahresetat von Redaktion, Dokumentation und Verlag um 15 Millionen Euro dauerhaft entlasten.

Dabei fallen geplant rund 150 Stellen weg, wobei erstmals rund 35 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen wurden. Der Kurs soll das Haus aber auch auf modernen Kurs bringen. Hass: "Wir investieren in zahlreiche neue Produkte und sind als multimediales Haus hervorragend aufgestellt."

Geschäftsführer Thomas Hass (Foto: Spiegel/Christian O. Bruch).

Fakt ist aber auch: Die Digitalisierung und der Umbau kommen teils recht langsam voran. So stagniert etwa das E-Paper des "Spiegel"-Magazins bei rund 53.000 Exemplaren. Ein Umstand, der die ganze Zeitschriftenbranche bewegt. Generell sind beim Thema Bezahlinhalte digitaler Art die Verlage nach Einschätzung von VDZ-Chef Stephan Scherzer noch nicht da, wo sie sein wollen.

"Wir kommen tatsächlich langsamer voran, als sich das viele gewünscht haben, weil die Alles-ist-umsonst-Kultur so weit entwickelt ist", sagte Scherzer der "dpa". Es gebe schon viele Special-Interest-Medien mit klugen Bundle-Angeboten, also ein Abo für alles, Print, Websites, Mobile, Services. Und: einen "extrem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk". 


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.