Keine Folge ohne Burn-out, Beziehungstragödien, Alkoholprobleme, Familienkrach, Rabenmütter oder Psycho-Anfälle. Und wehe, man hat den letzten "Tatort" aus Berlin, Dortmund oder Frankfurt nicht gesehen – dann tritt der aktuelle Fall vor lauter Grübeln über die Zusammenhänge in den Hintergrund.

Während "Tatort"-Ermittler gehäuft durchs persönliche Schlamassel irrlichtern, wird fast zufällig ein Fall gelöst. Immer öfter endet der Sonntagabend mit dem Gedanken: Dieser "Tatort" muss auf die Couch! Aber der Zuschauer möchte doch gerne mit der Zuversicht in die neue Woche starten, dass das Böse besiegbar und die Polizei dein Freund und Helfer ist …

Für die These vom Psycho-Overkill spricht, dass oft die plattesten Sprüche der Ermittler beim Zuschauer am besten ankommen. Das spiegelt sich auch im Top-"Tatort" des Jahres 2016 wider - mit 12,69 Millionen Zuschauern für das beliebte Duo Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers). Sie hatten Anfang Mai in Münster den Fall "Ein Fuß kommt selten allein" zu klären und 37,1 Prozent Gesamtmarktanteil erzielt. Zwar einmal mehr recht komödiantisch, aber im Kern schlicht erzählt.

Warum besiegt der "Tatort" das Böse nicht mehr?

Liebe ARD, nicht missverstehen: Der "Tatort" ist und bleibt eine Bank im TV-Geschäft. Die Marke wird gepflegt – das ist offensichtlich. Nur zu viel Pflege sollte nicht immer sein. Dieser klassische Krimi muss auch heutzutage nicht die Welt erklären; er soll in erster Linie gut unterhalten. Inzwischen wäre oftmals ein klassisch erzählter "Polizeiruf 110" mit abgeschlossenem Handlungsstrang der bessere "Tatort". Oder ein wiederbelebter "Letzter Bulle". Dafür haben wir einst Horst Schimanski so geliebt: Er kam, sah, siegte.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.