Was bleibt also den Vermarktern? Den Ton in Werbepausen noch höher drehen?

Die komplette Werbewirtschaft muss umdenken. In den Werbepausen sinkt das Aufmerksamkeitslevel deutlich. Das lässt sich nicht ändern. Es gilt: Je jünger die Zielgruppe, desto intensiver werden Smartphone und Tablet genutzt. Darauf müssen wir uns einstellen. Doch der Umkehrschluss, dass damit TV-Werbung wirkungslos verpufft, ist ebenso falsch wie die Annahme, dass wir Spielfilme bald nur noch auf winzigen Handy-Screens ansehen. Fernsehen bleibt als Werbemedium mit schnellem Reichweitenaufbau relevant. Markenartikler müssen sich jedoch über die neue Rollenverteilung im Klaren sein: TV und Mobile bzw. Online können sich gegenseitig pushen. Das setzt lediglich voraus, dass beide Kanäle von Anfang an in der Kommunikationsstrategie richtig positioniert, beziehungsweise als zusammenhängend betrachtet werden.

TV ist jedoch nicht rückkanalfähig. Die bisherigen Versuche, TV und Smartphone direkt miteinander zu verknüpfen, haben keine breite Akzeptanz erfahren.

Es reicht schon, auf Google zu achten. Gezielte Suchanfragen lassen sich über TV-Spots massiv nach oben ziehen. Hier ist der Zusammenhang sehr deutlich – auch ohne technische Verknüpfung. Laut Analysen wie der Screenforce-Studie der TV-Vermarkter und von Dentsu Aegis wird das Suchvolumen der Marken im Internet zu über 17 Prozent durch Fernsehwerbung beeinflusst – keine andere Mediengattung erzielt vergleichbare Werte. In den ersten drei bis acht Minuten nach der Ausstrahlung des Spots steigt das Suchvolumen massiv an – denn dann greifen die Zuschauer auf dem Sofa verstärkt zu Tablet oder Smartphone, googeln nach den gerade beworbenen Begriffen oder rufen gleich die kommunizierte Landingpage auf. Auf die Sekunde genau zu wissen, welcher Spot wann und wo läuft, heißt vor allem aber auch, wissen, wann dadurch Peaks im Suchverhalten erzielt werden. Und genau auf diese Ausschläge können wir mit Online Kampagnen reagieren, um den Traffic direkt aufzugreifen.

Stellt sich die Frage, ob die Kosten in einem gesunden Verhältnis dazu stehen.

Wer sich mit seinen Spots auf die großen Sender konzentriert, erzielt eine hohe Netto-Reichweite, aber das kostet dann natürlich entsprechend. Im Vergleich zu den hohen Kosten für eine TV Kampagne bringen geringe Investitionen in die bessere Verzahnung zwischen TV und Online deutlich bessere Ergebnisse. Erstmals können wir die Performance von TV-Kampagne in Echtzeit messen: Bewirken die Spots auf diesem Sender und zu dieser Zeit wirklich die gewünschten Peaks bei den Online-Suchanfragen? Bei Bedarf kann dann eine TV-Kampagne datengetrieben optimiert werden. Die Ergebnisse hängen natürlich von einer Reihe von Kriterien ab und unterscheiden sich demnach auch deutlich. Aber eine Studie der Advertising Research Foundation (Anmerkung: Die ARF ist seit 1936 eine Institution im US-Werbemarkt) hat gezeigt, dass der sogenannte "Klicker-Effekt" enorm hoch ausfällt. Der Untersuchung zufolge steigt der ROI bei einem koordinierten TV-Digital-Mix um durchschnittlich 60 Prozent. Integrierte TV-Radio- oder TV-Print-Kampagnen schaffen dagegen lediglich Steigerungen von im Schnitt 20 Prozent.

Ist eine explizit auf die TV-Spots abgestimmte Online-Kampagne erforderlich?

Das ist keine Raketenwissenschaft. Um einen TV-Spot ins Netz zu verlängern, muss dieser zwar in Bild und Text umgewandelt werden und entsprechend der Ausstrahlungszeitpunkte der Spots ausgespielt werden. Das ist für Adwords-Kampagnen innerhalb Googles Suche und auch für Social Media recht einfach. Display-Ads mögen etwas komplexer sein, aber auch sie lassen sich vergleichsweise einfach und zeitlich zielgenau aussteuern. Parallel können Spots natürlich auch als Bewegtbild-Version auf YouTube verlängert werden. Wichtig ist auch, wo der TV-Spot innerhalb des Werbeblocks platziert wird. Erst- und Letzt-Platzierungen im Werbeblock sind wesentlich erinnerungsstärker, was sich in den anschließenden Online-Suchen deutlich widerspiegelt.

Es stellt sich die Frage, wie groß muss dann der werbliche Aufwand im Web sein, um TV-Spots zeitsynchron im Web zu verlängern? Hier reichen doch kleine Budgets, oder?

Grundsätzlich ist kein zusätzliches Budget nötig. Oft reicht es bereits, das vorhandene Online-Budget umzushiften. Allgemein ist die Höhe der jeweiligen Budgets für TV bzw. Online vom Kampagnenziel abhängig. Dabei gelten grundsätzlich altbekannte Regeln weiterhin. Eine Produktneueinführung in stark umworbenen Märkten benötigt mehr Budget, als die Pflege einer etablierten Marke. Außerdem ist die Orientierung am Werbedruck des Wettbewerbs notwendig. Als Faustregel gilt: Fünf bis zehn Prozent des TV-Budgets sollten in Online-Werbemaßnahmen umgeleitet werden, um eine effiziente TV-Sync-Kampagne aufzusetzen. Diese Optimierungen kann und sollte daher jeder Werbungtreibende, der im TV aktiv ist, vornehmen. Immanent logisch ist es vor allem für Marken mit E-Commerce-Fokus: Sobald ein Call-to-Action in Richtung Online kommuniziert wird, erklärt sich von selbst, wie relevant die intelligente Verzahnung beider Kampagnen ist.

TV-Flights laufen oft für zwei Wochen, gefolgt von einer vierwöchigen Pause. Gilt das auch für Synchronisierte Kampagnen?

Die Mechanik ist ähnlich. Da sich die volle Werbewirkung erst nach einigen TV Kontakten mit der Zielgruppe entfaltet, sollten die Sync-Kampagnen nicht direkt zu Beginn einer neuen TV Kampagne, sondern etwas zeitversetzt starten. Wie lange ein Spot braucht, um seine volle Wirkung zu erreichen und die Aufgabenstellung zu erfüllen, hängt vor allem von der Zielsetzung der Kampagne ab: Steht die Marke im Vordergrund? Soll ein Produkt neu eingeführt werden oder soll der Spot den Abverkauf eines bekannten Produktes fördern? Muss viel Information transportiert werden, erfordert das mehr Zeit und mehr TV Kontakte, als wenn es um ein schnelles Wiedererkennen der Marke geht. Zu beachten ist auch: Reine TV-Imagewerbung erzielt nur eine indirekte Auswirkung auf den Online-Traffic. Sales-orientierte Spots steigern dagegen sofort die Suchanfragen. Die Aussteuerung der synchronisierten Digital-Kampagne läuft automatisiert und folgt den bekannten Optimierungsmechanismen: Der GRP-Level im TV muss mit dem Online-Werbedruck korrespondieren. Ist der TV-Werbedruck hoch, sollte er es also auch online sein. Ihr Gefühl, wie viele TV-Kampagnen verfolgen bereits einen vernünftigen Online und Search-Ansatz? Um hier valide Zahlen zu nennen, müssten alle Kampagnen über Hurra.com laufen – was leider nicht der Fall ist. Fakt ist jedoch, dass laut Nielsen Media Research in 2017 fast vier Milliarden Euro TV-Werbeausgaben auf E-Commerce fokussierte Märkte entfallen - und der Bereich wächst weiter. Schätzungsweise ein Drittel aller TV Kampagnen hat einen mehr oder weniger starken E-Commerce Fokus. Wie bereits gesagt, ist für diese Marken die Sychronisierung von TV- und Online-Kampagnen sehr relevant. Trotzdem funktioniert diese bisher bei den wenigsten, was auch an den internen Strukturen bei großen Mediaagenturen und Kunden liegt: Häufig arbeiten getrennte Abteilungen mit separaten Budgets, so dass wir mit einem Lösungsansatz für eine enge Verzahnung der beiden Welten noch häufig gegen Mauern rennen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändern wird. Selbst für Branding-Kampagnen ist eine durchdachte Verbindung von Online und TV sinnvoll. Der Online-Impact von einzelnen TV-Spots lässt sich auch hier messen. Damit können wie auch hier in Echtzeit eine Metrik für die Effizienz einzelner TV Werbeblöcke anbieten.

Dominik Willert ist Jahresbeginn Senior Manager Programmatic TV bei Hurra. Seine TV-Erfahrung hat er beim RTL-Vermarkter IP Deutschland gesammelt, wo er zuletzt Senior Manager Strategy war. Das TV-Tracking- und Sync-Tool "TV AdDetection" setzt Hurra vor allem für Kunden aus den Bereichen Fashion, Reise, Outdoor oder aus dem Finanzbereich ein. Kunden aus anderen Branchen lassen das Potential, das ihnen die Verzahnung von TV und online bietet, oftmals noch ungenutzt.

 

Dominik Willert ist als Senior Manager TV bei der Digital Performance Agentur hurra.com

Dominik Willert ist als Senior Manager TV bei der Digital Performance Agentur hurra.com


Autor: Leif Pellikan

ist Redakteur beim Kontakter und bei W&V. Er hat sich den Ruf des Lötkolbens erworben - wenn es technisch oder neudeutsch programmatisch wird, kennt er die Antworten. Wenn nicht, fragt er in Interviews bei Leuten wie Larry Page, Sergey Brin oder Yannick Bolloré nach.