Zunächst die nüchternen Fakten, staubtrocken, von Wissenschaftlern warnend präsentiert. Jetzt weiß man aber, dass Fakten allein keine Entscheidung treiben, es müssen immer auch Emotionen im Spiel sein. So folgen dann die Horrorszenarien, Angst ist eine starke Emotion, dazu mehr Fakten, die sich aber zu einer riesigen Welle aufbauschen, so dass man beim Betrachten der möglichen Zukunft alle Hoffnung fahren lässt, dass die Aufgabe, vor der wir stehen, zu groß erscheint, in der Folge, dass wir vor Angst – wie in einer Schockstarre – gar nichts mehr machen. Die Angst, sich vom bisher so geliebten Leben verabschieden zu müssen, mit ungewissem Ausgang, diese Angst sorgt bei Vielen für eine automatische Schutzreaktion: Sie lehnen es ab. Sie gehen die Veränderung nicht mit. Weil die Aufgabe so unlösbar erscheint. Jetzt aber geht die Geschichte weiter, mit einer neuen Erzählweise.

Sie ist lösungsorientiert, sie ist hoffnungsvoll, sie fokussiert sich nicht auf Probleme, sondern auf Lösungen, auf Chancen, auf eine neue Form von Zukunft, die wir selbst gestalten können und die besser sein kann als das Jetzt. Genau in diese Phase treten wir jetzt ein, und ohne die Fridays for Future wäre das nicht möglich gewesen.

Geht denn Ihre Vorgehensweise im Hinblick auf die Erzählweise in eine ähnliche Richtung?

Wenn ich Vorträge zum Thema Klimawandel, Mobilitäts- oder Energiewende halte, erschrecke ich die Zuhörer anfangs auch immer, denn jedem muss erstmal klar werden, warum wir darüber reden. Und dann ist es mein Ziel, ein hoffnungsvolles Engagement bei den Menschen zu entfachen, denn ja: Die Zukunft wird anders, an einigen Stellen werden wir uns von gelernten Dingen und Gewohnheiten verabschieden müssen, aber wenn wir uns jetzt engagieren, können wir tatsächlich eine bessere Welt schaffen – und das ist doch toll, oder?

Wie greifen Sie das Thema Klimaveränderung in Ihrer Arbeit als TV-Wetterexperte auf?

Da habe ich unglaubliches Glück, denn ich moderiere seit 2001 ein werktägliches Magazin zur Primetime, eine Viertelstunde ab 19:15 Uhr, es heißt „alle wetter!“ und beschäftigt sich mit Wetter, Klima, Klimawandel und all den Themen, die davon tangiert werden. In jeder Sendung gibt es Reportergeschichten, Erklärelemente und einen Gesprächsgast, und in über 3500 Sendungen konnte ich deswegen bereits unglaublich viele Aspekte rund um Klimawandel, Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder Energiewende beleuchten.

In meinem 45-minütigen Wissensmagazin „Alles Wissen“ donnerstags 20:15 Uhr sind wir monothematisch, und eine der aktuellen Ausgaben dreht sich beispielsweise nur ums Klima, vor ein paar Wochen ging es 45 Minuten nur um Energie. Darüber hinaus bin ich regelmäßig bei „Live nach Neun“ im Ersten, wo wir auch immer wieder über Klimathemen reden. Also, mir gehen allein schon im TV die Möglichkeiten und ich denke auch die Inhalte nicht aus.

Wie schafft man es ihres Erachtens, komplexe Themen wie den Klimawandel einem breiten Publikum vermitteln? Wie kann man lernen, komplexe Themen überzeugend und spannend zu vermitteln? Gerade dann, wenn die Zeit knapp ist. Wie ziehen Sie Ihre Zuschauer ins Thema?

Ich denke, das hat gar nichts mit dem Klimawandel zu tun, sondern gilt grundsätzlich: Mach es einfach, ohne dass es falsch wird. Sprich in Bildern, die plakativ, aber auch belastbar sind. Nimm Bilder, die die Menschen berühren, mit denen sie etwas anfangen können. Menschen müssen verstehen, warum wir darüber reden und warum es sie interessiert, ansonsten hören sie nicht zu.

Es ist ein bisschen wie in der Schule:  Der gute Lehrer schüttet nicht Wissen über Schüler aus, sondern weckt deren Neugier, er versucht, „ein Licht zu entzünden“, denn dann lernen Schüler nicht durch Wiederholung, sondern durch Eigeninteresse. Und damit das gelingt, muss ich authentisch sein, im besten Sinne sympathisch und glaubwürdig. Ernsthaft zu sein bedeutet ja nicht, ernst zu sein. Wenn Zuschauer das spüren, habe ich eine Chance.

Die TV-Sender haben über die Hochwasser-Katastrophen im Juli umfassend berichtet und mit Spenden-Galas Millionen Euro für die Betroffenen in NRW und Rheinland-Pfalz generiert. Die Frage, die sich uns stellt, ist, ob man nicht viel früher die enormen Niederschlagsmengen hätte vorher sagen können müssen? Haben die Frühwarnsysteme beispielsweise des Deutschen Wetterdienstes versagt?

Die korrekte Antwort eines Wissenschaftlers auf egal welche Frage beginnt mit: Das kann man so nicht sagen. Die Wettervorhersagemodelle haben das Ereignis ziemlich gut abgebildet und auch angemessene Regenmengen vorhergesagt. Deswegen haben Meteorologen vor dem Ereignis auch gewarnt. Ab diesem Punkt wird es aber schwierig. Denn es geht ja nicht nur um das Regenereignis, sondern insbesondere um die möglichen Folgen.

Und wir hatten früher im Jahr bereits vergleichbare Regenmengen an anderer Stelle, wo nichts passierte, denn: Flaches Land, wenig Versiegelung, kaum Menschen, niemand sprach in der Uckermark von einer Hochwasserkatastrophe. Wer also schätzt die möglichen Folgen ein, wer trifft die Entscheidung, einen Landkreis zu evakuieren, auf die Gefahr hin, dass sich das Hauptereignis hinter dem Hügelrücken einen Landkreis weiter abspielt? Was wir auf jeden Fall aus den katastrophalen Folgen lernen werden: Das Warnwesen muss modernisiert werden, Zuständigkeiten und Entscheidungswege klar definiert und geübt, meteorologische Begrifflichkeiten gelernt werden, denn eines ist sicher: Derartige Ereignisse können nahezu überall in der Republik passieren.

Brauchen wir in den klassischen Medien, und insbesondere im Fernsehen mehr Klimaberichterstattung angesichts der Bedeutung des Themas für die Menschheit? Die Formate könnten dabei je nach Zielgruppe sehr unterschiedlich sein – von Dokus über einem Format á la „Klimaschau“ (Analoge zur „Tagesschau“ oder Sportschau“) bis hin zu fiktionalen Ansätzen ist ja vieles denkbar. Was meinen Sie: Wie können Medien – insbesondere TV-Sender – in Zukunft besser über das Klima berichten?

Unsere Herausforderung ist es, den Klimawandel und seine Herausforderungen als neue Normalität im Programm, in unseren Medien zu verankern. Nicht in einzelnen Sendungen oder Formaten, sondern in einem ganzheitlichen Ansatz. Ich überspitze es mal: Mit einer „Klimabrille“ betrachtet, gibt es wenige Themen, die NICHT mit Klimawandel und seinen Folgen in Berührung kommen. Und dieses Verständnis brauchen zunächst alle Medienschaffende, dazu brauchen sie selbst erstmal einen besseren Überblick über dieses komplexe Thema.

Tatsächlich müssen wir Journalisten mehr über den Klimawandel, seine Folgen und Möglichkeiten zur Bekämpfung und Anpassung wissen. Wir brauchen bei den Medien mehr und im Ranking innerhalb der Häuser wichtigere Klima-Kompetenzzentren. Wenn die Kollegen mehr übers Klima wissen, und dann ergeben sich all die Kommunikationsformen für die Zuschauer von selbst. Denn eines ist klar:  Unter den Kollegen gibt es so viel Kreativität, dass es völlig dumm wäre, hier schon bestimmte Formate vorzugeben.

Gerade bei einem so wichtigen Thema wie der Klimakrise ist es wichtig, alle Menschen und Bevölkerungsgruppe mitzunehmen. Die TV-Sender – ganz gleich ob öffentlich-rechtlich oder privat – können dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. Wie könnten neue mediale Angebote aussehen, die nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen und die es vielleicht sogar schaffen, Skeptiker oder gar Leugner des Klimawandels zu erreichen?

Eines ist klar: Leugner des Klimawandels kann man leider nicht vom Gegenteil überzeugen. Denn wenn jemand eine Überzeugung hat, egal ob richtig oder falsch, dann glaubt die Person ja daran. Und Glaube hat nichts mit Fakten oder Beweisen zu tun. Und einen Glauben legt man nicht so leicht ab.

Also was können wir Ihrer Meinung nach tun?

Die Kommunikationswissenschaftlerin Maren Urner sagt: Wir können eine „glaubende“ Person fragen: Was müsste passieren, damit Du Deine Überzeugung änderst? Wenn darauf keine Antwort kommt, darf man es getrost vergessen. Wenn aber eine Antwort kommt, lohnt es sich, ins Gespräch einzusteigen. Allerdings nicht mit Fakten! Es geht darum, Vertrauen aufzubauen, Ängste zu nehmen, damit allmählich ein Verständnis entsteht. Soweit also die kommunikationswissenschaftliche Frage. Und das hilft uns natürlich in unserer Kommunikation: Wir müssen glaubwürdig sein.

Und wie sieht das in der Praxis ganz konkret aus? Was muss man den Menschen anbieten, um sie für ein Thema zu gewinnen?

Glaubwürdige Fakten. Ja, das ist ein Widerspruch in sich, aber das menschliche Gehirn tickt nun mal so. Menschen müssen spüren, dass wir mit Ernsthaftigkeit an Themen herangehen, wobei Ernsthaftigkeit nicht heißt, immer ernst zu sein. Und die Zuschauer müssen spüren, dass wir vertrauensvoll mit unserer Aufgabe umgehen, dass uns die Sache und die Zuschauer wichtig sind. Klingt vielleicht banal und nach Allgemeinplatz, aber ganz ehrlich: Eine gesunde Balance zwischen faktenbasierter Ernsthaftigkeit und emotionaler Ansprache ist alles andere als einfach. Sie müssen doch einfach mal den Fernseher einschalten. Sehen wir nicht alle immer wieder staubtrockene Faktenwerfer oder völlig überzogene Anbiederei? Ich denke, da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns…

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W&V Redaktion
Autor: W&V Redaktion

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