Filmwirtschaft zieht Bilanz:
Sommer, Sonne und WM setzen dem Kino zu
Bei Besuchern und Umsatz hat die Kinobranche zwischen Januar und Juni ein Sechstel eingebüßt - "erwartungsgemäß" im WM-Jahr.
Zwischen Januar und Ende Juni sind deutlich weniger Zuschauer in deutsche Kinos geströmt. Wörtlich heißt es in der Halbsjahresbilanz der Filmwirtschaft: "Drei Monate anhaltend gutes Wetter und die Fußball-WM haben in den deutschen Kinos in der ersten Jahreshälfte erwartungsgemäß für Besucher- und Umsatzeinsatzbußen gesorgt. Nach den Erhebungen der Halbjahreszahlen im Auftrag der deutschen Filmwirtschaft ist aktuell im ersten Halbjahr mit ca. 46 Millionen Besuchern und damit einem voraussichtlichen Besucherminus von 17 Prozent sowie mit einem Umsatzminus von ebenfalls 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu rechnen."
Die flauen Halbjahreszahlen ermittelten ComScore Movies / Rentrak Germany im Auftrag der deutschen Filmwirtschaft. Kein Grund zur Panik, meint Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher e.V.. Er betont: "Kino war und ist ein volatiles Geschäft. In WM-Jahren stellen sich Betreiber wie Filmverleiher schon darauf ein, dass das 'eigentliche' Kinojahr erst nach der WM losgeht." Der Rückgang der Besucherzahlen sei verglichen mit 2010 und 2014 „absolut WM-typisch“ und betreffe auch alle anderen europäischen Länder.
Dennoch sehen die Kinos auch strukturellen Verbesserungsbedarf und schauen durchaus selbstkritisch auf die vergangenen Monate: "Kino muss und wird noch digitaler werden und sich technologisch breiter aufstellen. VR-Stations in den Foyers mit der Möglichkeit, mitten im Film zu sein, Gaming-Ecken passend zum Film, 360-Grad-Kinosäle und 3D ohne Brillen, LED-Leinwände - technisch gesehen gibt es jede Menge Trends und Alleinstellungsmerkmale für das Kino der Zukunft", so Thomas Negele, Vorsitzender des HDF Kino e.V., mit einem Ausblick, was Kinobesucher in den kommenden Jahren erwarten wird.
Zunächst einmal geht es ins zweite Halbjahr
Und da erhofft sich die Branche viel vom "Filmfeuerwerk". Versprochen wird: "Ein bunter Mix aus RomCom, Family Entertainment, großen deutschen Blockbustern und feinen Arthouse-Filmen wird zahlreiche Besucher in die Kinos locken." Allein der neue Til-Schweiger-Film "Klassentreffen 1.0 - Die unglaubliche Reise der Silberrücken" lasse Großes hoffen (September). Matthias Schweighöfer ist mit "100 Dinge" in der zweiten Jahreshälfte vertreten (Dezember), genauso wie Deutschlands Liebling Hape Kerkeling mit der Verfilmung seiner Lebensgeschichte "Der Junge muss an die frische Luft" (Dezember).
Große Hoffnungen setze die Kinobranche auch auf den Film "Das schönste Mädchen der Welt" (September). Schon der temporeiche Trailer schlage einen mit einer modernen Cyrano-de-Bergerac-Variante sowie Rap-Battles und einem rotzfrechen Mädchen sofort in den Bann, heißt es. "Im dritten und vierten Quartal erwarten wir dieses Jahr wieder viele hervorragende deutsche Filme, die ihren Beitrag dazu leisten werden, die jetzige Bilanz bis zum Jahresende deutlich aufzubessern", sagt Klingsporn.
Auch Hollywood liefert demnach im zweiten Halbjahr zuverlässig Top-Entertainment: Bereits im Juli startet "Mamma Mia 2", es folgen unter anderem "Venom" im IMAX-Format (Oktober), "Der Nussknacker und die vier Reiche" (November), die Fortsetzung von "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" (November) und "Die Rückkehr von Mary Poppins" (Dezember).
"Insgesamt rechnen wir in diesem Jahr noch mit bis zu 20 Filmstarts, denen wir ein Besucherpotenzial von mehr als 800.000 Besuchern zutrauen", so Klingsporn weiter.
Auch wollen viele Kinobetreiber in den kommenden sechs Monaten Events rund um die Filme anbieten - ein Trend, der sich seit den vergangenen Jahren immer stärker abzeichnet. "Sneak Previews, Matineen und Darstellerbesuche sind einige erfolgreiche Beispiele dafür, wie man das Kino zu einem Event-Ort entwickeln kann", erklärt Negele. "Wir haben festgestellt, dass dies bei den Besuchern sehr gut ankommt, besonders wenn die Vermarktung dieser Veranstaltungen über Social-Media-Kommunikation spitz auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt wird."
Zudem ziehen Kinos und Verleiher beim Marketing an einem Strang: Eine gemeinsame Kommunikation im Rahmen der Kampagne "Kino. Läuft bei uns." soll die Lust auf großes Kino besonders in der jüngeren Zielgruppe stärken.
Was im ersten Halbjahr funktionierte
Mit 3,4 Millionen Besuchern war das Superhelden-Epos "Avengers: Infinity War" der meistgesehene Kinofilm des ersten Halbjahres in Deutschland - laut Media Control. Hinter der Marvel-Produktion mit Stars wie Chris Hemsworth als Thor (Kinostart 26. April) platzierte sich der dritte Teil der Sadomaso-Romanze "Fifty Shades of Grey - Befreite Lust" (Kinostart 8. Februar); sie zählte rund 2,8 Millionen Besucher.
Auf Platz drei kam die am 17. Mai gestartete Actionkomödie "Deadpool 2", die zwei Millionen Menschen sahen.
Bester deutscher Kinofilm von Anfang Januar bis Ende Juni war "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" mit 1,8 Millionen Besuchern auf Platz sechs.