Auch klassische Produktionsfirmen sind in Bewegung, haben inzwischen Digital- und Social Media-Experten an Bord. Sie müssen flexibler sein, da beispielsweise das Personal für die Produktion eines TVCs ein völlig anderes sein muss als das für einen Snapchat-Post oder eine Facebook-Serie. Auch die Kosten sind völlig andere. Generell gilt: Die Aufgabe eines Redakteurs ist es stets, eine Geschichte zu erzählen und zwar so, dass sie für ein bestimmtes Publikum interessant ist und von diesem optimal verstanden wird. Dazu müssen die Möglichkeiten der verschiedenen, auch der neuen Medienkanäle, verinnerlicht und genutzt werden. Das ist schon immer so gewesen, auch schon beim Wandel von analoger zu digitaler Aufzeichnung, beim Wandel von TV zu Online und on Demand-Medien, von Desktop zu Mobile etc. Im übrigen: Die allermeisten unserer Redakteure verstehen sich als Kreative und sind schon aus privater Motivation genauestens mit den neuen Kanälen vertraut. Einer unserer VJs hatte über 20.000 Abonnenten auf Instagram und genauso viele auf Youtube, als er bei uns anfing. Es findet also in großen Teilen ein Wandel von unten statt. Diese Menschen sorgen mit den Erfahrungen, die sie mitbringen, für die Erweiterung des Verständnisses von optimaler Kundenerreichung - und der Mittel, die man dafür braucht. 

Wie ändert sich dadurch der kreative Prozess?

Bei der inhaltlichen Konzeption laufen alle Fäden zusammen. Die Verantwortlichen in diesem Bereich müssen grundsätzlich wissen, was für Publishing-Möglichkeiten es aktuell gibt und wie sie funktionieren. Diese holen sich dann die jeweiligen Fachleute dazu, je nachdem, wer die Zielgruppe ist und wie das Kommunikationsziel aussieht. Allerdings wird viel nutzerorientierter gedacht als früher. Es wird auch nicht mehr automatisch die Kamera geschultert, in vielen Situationen z.B. können Text-/Bildanimationen besser wirken.

Welche Fehler fallen Ihnen am häufigsten auf, wenn Sie im Netz unterwegs sind und auf einen Film stoßen?

Oft mangelt es an der Herangehensweise. Videos im Netz, gerade in Social-Media-Kanälen, haben eine komplett andere Erzählstruktur als auf klassischen Kanälen. Hier stehen die wichtigen Infos im Vordergrund, muss man schnell auf den Punkt kommen, sonst ist der Nutzer weg. Beim Video entscheidet sich schon in den ersten drei Sekunden, ob ein Zuschauer dranbleibt, weiterschaut oder weiterscrollt. Wichtig ist, dass Sie ihn gleich zu Beginn fesseln, neugierig machen, überraschen, süchtig nach der Auflösung machen. Wie bei ‚klassischen‘ Produktionen gilt auch hier: Wer es schafft, Emotionen zu hervorzurufen, gewinnt. Nur so bleibt die Botschaft haften.

Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, Videocontent erfolgreich zu verbreiten: Entweder, Sie zeigen etwas, was Menschen unbedingt gerade wissen wollen und großen Nutzwert hat - etwa wie man eine Ananas optimal schneidet - oder Sie schaffen etwas, das so sensationell ist, dass es jeder, der es gesehen hat,  teilt und allen seinen Freunden davon erzählt. Pull und Push, alles dazwischen hat in der Regel keine Chance. Dieses Prinzip finde ich viel zu oft nicht berücksichtigt.

Haben wir in manchen Punkten nicht auch zu viel Bewegtbild? Etwa, wenn Inhalte schneller als Text erfasst werden, z.B. Listen?

Nein, ich denke nicht, dass es zu viel Bewegtbild gibt. Im Gegenteil: ich bin überzeugt, dass es davon in Zukunft noch viel mehr geben wird. Bewegtes Bild ist einfach authentischer, glaubwürdiger, emotionalisierender, unterhaltender und auch informativer als das gedruckte Wort. In allen Lebenslagen. Die klassische 40-seitige Gebrauchsanweisung für die Mikrowelle zum Beispiel wird durch den Hinweis abgelöst werden, dass alle Infos zum Gerät im Hersteller-Kanal auf YouTube zu finden sind.

Vergessen Sie nicht: Menschen sind soziale Wesen, die sich am liebsten von anderen Menschen informieren lassen - nachweislich bleibt dann auch am meisten hängen. Authentische Protagonisten schaffen Vertrauen. Einem Menschen, der mein Nachbar sein könnte, glaube ich eher als einer anonymen Quelle, und ich erlebe im besten Fall auch noch so etwas wie Nestwärme – das alles geht nur mit Bewegtbild.

Bernhard Jungwirth ist seit der Gründung 2005 Geschäftsführer von Mhoch4. Die Agentur hat sich auf Bewegtbild spezialisiert und ist Teil der Markenfilm-Gruppe. Bei Mhoch4 entwickeln er und sein Team Bewegtbild-Content für TV, Online und Social Media - von Web Serien, Image-,  und Erklärfilmen bis zu redaktionellen Beiträgen. Zu den Kunden zählen etwa Allianz, Sixt, Funke Mediengruppe, Nestle, Lufthansa und Audi.

 


Annette Mattgey, Redakteurin
Autor: Annette Mattgey

Seit 2000 im Verlag, ist Annette Mattgey (fast) nichts fremd aus der Marketing- und Online-Ecke. Als Head of Current Content sorgt sie für aktuelle Geschichten, Kommentare und Kampagnen auf wuv.de. Außerdem verantwortet sie das Themengebiet People & Skills.