2010 hat Alkan mit einem Programm namens Textautomat seinen ersten Prototyp präsentiert, heute produziert die Software im Monat mehr als 15 Millionen Texte für etwa 250 Kunden. Die meisten Kunden kommen dabei aktuell aus dem e-Commerce. "Das ist der Bereich, den wir auch strategisch für uns identifiziert hatten, um uns selbst zu entwickeln und auch gemeinsam mit den Kunden das Produkt voranzubringen", sagt Alkan. Inhaltlich geht es dabei um Content wie Kategorieseiten, Artikelbeschreibungen, Social-Media-Einträge zu neuen Produkten oder auch Newsletter. Immer höhere Bedeutung hat dabei auch, den Inhalt auf die jeweiligen Plattformen anzupassen - per Maschine versteht sich. Alkan dazu: "Wenn ich als e-Commerce-Anbieter auch auf Amazon verkaufen will, dann muss ich den Anforderungen von Amazon entsprechen. Otto als Plattform hat wieder ander Ideen, wie der Text aussehen soll." Diese unterschiedlichen Anforderungen könne man als Regeln im System hinterlegen, die Texte würden dann automatisch erstellt und für die jeweilige Plattform ausgespielt. Die Texte könnten dabei gleichzeitig in mehreren Sprachen erstellt werden.

Blick hinter die Kulissen: So sieht das Backend der Software aus.

Globales Ökosystem als Ziel

Die Idee von AX Semantics basiert darauf, die Kunden in die Lage zu versetzen, mit der Software die Texte in der gewünschten Form erstellen zu lassen. "99,9 Prozent unserer Kunden wollen das genau so", ist Alkan überzeugt. "Die haben eine Idee, wie SEO funktioniert. Die haben eine Idee, was die Conversion treibt im Produkttext. Die wollen die Maschine selbst konfigurieren können. Diese Gewissheit, es selbst besser machen zu können als jeder andere, die kann ich dem Kunden nicht nehmen. Schließlich ist er der Experte in seinem Bereich." 

Auf Basis dieser Überzeugung habe man sich, wie Alkan sagt als "einziges Unternehmen weltweit", entschieden, einen Editor zu bauen, der ohne alle Programmierkenntnisse bedient werden könne. Das mache die Kunden unabhängig und sei außerdem Grundlage dafür, das Produkt massenmarktfähig zu machen. Die Technologie soll nicht nur durch einen exklusiven Kreis an Kunden aus dem e-Commerce genutzt werden können, sondern ein Massenprodukt werden, so die Idee. Dazu gehört auch eine niedrige finanzielle Einstiegshürde.

Ausgehend von der Zugänglichkeit der Technologie für alle mit Text- und Schreibbedarf, hat sich AX Semantics zu einem Plattformanbieter entwickelt. Dabei soll der Kundenbedarf in der Wertschöpfungskette Textgenerierung - von Datenquellen und Datenextraktion bis hin zu E-Commerce-/Publishing- oder Tracking-Systemen und Dienstleistungen bedient werden. Dafür stehen schon jetzt komplementäre Dienstleister und Produkte den AX Semantics-Nutzern direkt zur Verfügung. Mit bereits fünf Managed Service Providern von Europa bis Südamerika und ersten Erfahrungen in Transaktionen über den bereits gestarteten Marketplace, gelte es jetzt diese Anfangserfolge auszubauen. Das Ziel von AX Semantics ist nicht weniger als ein globales Ökosystem rund um AX und NLG.

Hintergrund für diesen Weg ist Alkans Überzeugung, dass e-Commerce zwar der erste und wichtigste Bereich für das Unternehmen sei, die automatische Textgenerierung aber auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden könne. Dafür brauche es planbare und übersichtliche Kosten ebenso wie die Möglichkeit der redaktionellen Freiheit. Im Prinzip sei jeder Mensch, der in seinem Umfeld aus Basis von Daten Texte erstellen müsse, ein potentieller Nutzer. Das könne der Teamleiter in einem Produktionsunternehmen ebenso sein wie ein Arzt. Eine Uni-Klinik habe AX Semantics bereits im Einsatz, berichtet Alkan. Auf Basis von durch Bilderkennungssoftware gewonnenen Erkenntnissen würden dort beispielsweise die Radiologen mit der Stuttgarter Software automatisiert ihre Arztberichte erstellen. Ein Vorteil auch in diesem Einsatzbereich ist dabei die Mehrsprachigkeit. Die Ärzte haben dadurch die Möglichkeit, ihren Patienten die Informationen bei Bedarf in der jeweiligen Muttersprache zu übermitteln und dadurch ein wesentlich besseres Verständnis zu erreichen. 

E-Commerce wichtigster Markt

Eine fast schon natürliche Umgebung für den Einsatz von Software zur Texterstellung ist im Grunde der Medienbereich. Ausgerechnet hier begegnet Alkan nicht selten aber noch für ihn eher nicht nachvollziehbarer Zurückhaltung. Häufig werde hier noch lieber über Innovation geschrieben, als selbst innovativ zu sein. Was möglich ist, zeigt ein Projekt mit der Stuttgarter Zeitung. Beim Feinstaubradar kommen via AX Semantics automatisierte Texte zum Einsatz. Das Projekt wird Ende November mit dem Konrad-Adenauer-Preis, dem  bedeutendsten Preis für Lokaljournalismus in Deutschland, ausgezeichnet. 

E-Commerce bleibe für das Unternehmen strategisch der wichtigste Markt, dort komme auch das größte Wachstum her.  Die umfangreichen Einsatzmöglichkeiten machen die Software aber nach Überzeugung Alkans zu einem für den Massenmarkt tauglichen Produkt, das Pricing soll für die größtmögliche Verbreitung sorgen. Und wer weiß, vielleicht schreibt die Software dann irgendwann doch auch mal auf schwäbisch. 


Autor: Holger Schellkopf

Chefredakteur. Mitglied der W&V-Geschäftsleitung. Sozialisiert mit Print, konvertiert zu digital. Findet beides prima. Feste Überzeugung von @hschellk : Digital Journalism rocks! Versucht ansonsten, sich so oft wie möglich auf das Rennrad zu schwingen oder in die Laufschuhe zu steigen.