Durch eine überschaubare Anzahl verwendeter Content-Elemente sind die Funktionen und Ziele der Buttons und Teaser meist klar. Abzüge im Sinne der Erwartungskonformität gibt es dennoch aufgrund der unterschiedlichen Darstellung und Farbigkeit von Buttons und Call-to-Actions sowie der fehlenden Kennzeichnung externer Verlinkungen.

Die Seite ist grundsätzlich für Mobilgeräte optimiert und führt ohne große Umwege durch den Bestellprozess. Inhalte wirken jedoch besonders in der mobilen Version kleinteilig und Schriftgrößen sowie Klickflächen sind, bis auf den prominenten Warenkorb-Button, oft zu klein gewählt.

Gut: Buttons sind in der Mobilvariante meist so platziert, dass die Seite auch einhändig bedienbar ist, zum Beispiel durch eine fixe Leiste am unteren Seitenrand und zumindest in diesem Aspekt auf den veränderten Darstellungs- und Nutzungskontext eingeht.

Ladebalken und Bestätigung nach dem Hinzufügen eines Produkts zum Warenkorb fühlen sich nicht nur einige Sekunden zu lang an, sondern unterstreichen leider auch die eher unterdurchschnittliche Performance der Seite mit lediglich ≈ 22 Punkten für die mobile Variante im Google Page Speed Test. Auch in der Desktopversion, die mit ≈ 60 Punkten abschneidet, sollte nachgebessert werden.

Obwohl auf der Website eine eigene Apotheken-App beworben wird, findet sich nicht für alle Geräte eine kompatible Version im Play Store (Testgerät: Huawei P20 Pro). Das ist nicht nur kommunikativ irreführend, sondern vergibt auch die Chance über die Verzahnung von Desktop-, Mobilewebsite und App eine nachhaltige Kundenbindung zu etablieren. Schlecht ist darüber hinaus, dass die App auch die User nicht überzeugt: Wir finden überwiegend negative Bewertungen. Für die "größte Versand-Apotheke Europas" ist dies leider ernüchternd.

Digitaler Beipackzettel statt userfreundlichem Content

Lediglich zwei Punkte vergeben wir in der Kategorie Content Quality. Positiv bewerten wir die Ansprache und Tonalität. Diese sind verständlich und zielgruppengerecht und der User findet Hilfestellungen und Erklärungen beispielsweise zur Einreichung eines Rezeptes. Statt langer Texte wären smarte Grafiken und visuelle Hilfen aber die bessere und userfreundlichere Variante.

Die "Themen" aus der Hauptnavigation muten als Beratungs- oder Ratgeberinhalte an, bringen dem Besucher inhaltlich allerdings eher wenig und verfolgen vermutlich eher das Ziel der SEO-Optimierung. Schade, denn gerade hier wäre eine Beratung und entsprechende inhaltliche Aufbereitung richtig platziert.

Sowohl die Textlängen als auch die Aufbereitung der Produktseiten sind, angelehnt an einen Beipackzettel, eher lang und uninspiriert. Wir empfehlen, für Produkte stattdessen eine stichpunktartige Zusammenfassung mit Schlagworten anzubieten und ausführliche Produktdetails zum Beispiel als aufklappbare Abschnitte aufzubereiten. Themeninhalte können in der aktuellen Tiefe auch direkt auf den Kategorieseiten platziert werden und benötigen keinen separaten Bereich. Auf unstrukturierte Blocktexte würden wir in beiden Fällen verzichten.

Der digitale Beipackzettel – wenig anschaulich umgesetzt. Quelle: www.docmorris.de

Der digitale Beipackzettel – wenig anschaulich umgesetzt. Quelle: www.docmorris.de

 

Mangelnde Beratung und schlechte Cross-Selling-Ansätze

Sowohl Struktur als auch Navigation der Informationen auf docmorris.de sind übersichtlich und ohne verschachtelte Ebenen. Im Bereich Utility vergeben wir daher drei Punkte, jedoch mit einem "Aber".

Die Hauptnavigation ist schnörkellos kompakt gehalten, verständlich benannt und fokussiert sich auf das Produktsortiment. Die Möglichkeit ein Rezept einzureichen wird visuell leicht hervorgehoben und führt zur Bestellung von Freiumschlägen und Einreichungsunterlagen. Produktübersichtsseiten helfen mit Breadcrumb-Navigation, einer Sidebar für Unterkategorien und einigen Filtern sich auf der Seite zurechtzufinden.

Eingesetzte Icons sind verständlich, allerdings im Stil etwas inkonsistent. Der Einsatz von Farben ist leider ebenfalls nicht immer einheitlich. Das Grün aus dem Logo findet Einsatz als primäre Aktionsfarbe bei Buttons und Teasern. Allerdings werden auch Inhaltsflächen damit hinterlegt oder Prozessschritte gekennzeichnet. Teilweise ersetzt ein Magenta die Aktionsfarbe der Buttons, welche sonst eher für Hinweise verwendet wird. Hier würde ein konsistenterer Einsatz der Farben die Nutzerführung noch besser unterstützen.

Über die Suchfunktion lassen sich Begriffe, Medikamente und Produkte direkt über die Pharmazentralnummer (kurz: PZN-Nummer) suchen. In einer Vorabansicht werden passende Kategorien sowie Produktvorschläge mit Bild und Preis angeboten. Wer konkret nach einem Produkt sucht (das verfügbar ist) wird so fündig. Alternative Produkte oder Empfehlungen und Produktvorschläge auf Basis der Suche gibt es dagegen leider nicht. Gerade bei allgemeinen Suchanfragen wie "Halsschmerzen" und den zahlreichen Treffern würden wir uns mehr Nutzerführung und Beratung wünschen.

Noch über dem Logo werden Besucher der Webseite mit dem Versprechen einer "umfassenden pharmazeutischen Beratung" empfangen. Wer sich zunächst ohne Beratung direkt umschauen möchte, könnte sich ein erstes Bild mittels Produktbewertungen verschaffen. Leider sind bis auf die Sternebewertung am Produkt und die Anzahl der Bewertung die eigentlichen Kommentare der Nutzer jedoch nicht sichtbar. Auch findet man keine Hinweise darauf, wo diese zu finden sind.

 

Keine Produktbewertungen, obwohl diese eigentlich vorhanden sein sollten. Quelle: www.docmorris.de

Keine Produktbewertungen, obwohl diese eigentlich vorhanden sein sollten. Quelle: www.docmorris.de

Die Produktempfehlungen "Kunden kauften auch", nach Hinzufügen eines Produkts in den Warenkorb, erscheinen willkürlich beziehungsweise unabhängig vom bereits in den Warenkorb gelegten Produkt oder der bisherigen User Journey. Im Test interessierten wir uns beispielsweise für Lutschbonbons gegen Halsschmerzen und erhielten als "Kunden kauften auch"-Vorschlag Augentropfen.

Auf den Produktseiten gibt lediglich die "Wird gerne zusammen gekauft"-Empfehlung samt Gesamtpreis eine Idee für Produktvorschläge abseits einer direkten Beratung per Hotline. Eine Vergleichsfunktion der Produkte steht leider nicht zur Verfügung.

Enttäuschend ist die Funktion der pharmazeutischen Videoberatung, die während unseres Tests schlichtweg nicht erreichbar war. Trotz vielfacher Kontaktversuche (natürlich werktags, zu verschiedenen Uhrzeiten innerhalb der Servicezeiten) war kein Berater erreichbar. Neben Hotline und allgemeinem Kontaktformular gibt es an dieser Stelle aber keine Alternativen, wie beispielsweise Terminvereinbarungen oder einen Rückrufservice, um die verpasste Beratung nachzuholen.

 

Trotz vielfacher Versuche und innerhalb der Servicezeiten war keine Online-Beratung möglich. Quelle: www.docmorris.de

Trotz vielfacher Versuche und innerhalb der Servicezeiten war keine Online-Beratung möglich. Quelle: www.docmorris.de

Das Kaufen von Produkten auf docmorris.de ist unkompliziert: Der Abschlussprozess ist kompakt gehalten und klar in seinen Teilschritten. Negativ fällt auf, dass selbst für die Bestellung rezeptfreier Produkte zwingend eine Registrierung erforderlich ist und auch das Bestellen als Gast ohne eine solche nicht möglich ist.

Das Einreichen von Rezepten mit Bonus und Freiumschlag ist trotz des Medienbruchs selbsterklärend. Die Unterlagen lassen sich dabei selbst ausdrucken oder können kostenfrei zugeschickt werden. Rezeptfreie Produkte können zudem versandkostenfrei mitbestellt werden.

Die Formulare für die Registrierung und den Bestellprozess funktionieren, könnten aber an einigen Stellen nutzerfreundlicher gestaltet sein. Die Eingabe ist kaum an die Felder angepasst, so gibt es für das Geburtsdatum drei Dropdowns, wobei die Auswahl des Jahres initial bei 1921 öffnet. Falscheingaben werden teilweise nicht gekennzeichnet oder wenn, dann nur mit übergreifenden Fehlermeldungen ohne Markierung der zu korrigierenden Felder.

Zu wenig DocMorris

Mit 2,3 Punkten bewerten wir die Brand Perception auf docmorris.de. Optisch unterscheidet sich die niederländische Marke allein farblich von deutschen Online-Apotheken, welche überwiegend Rot- und Blautöne verwenden. Bis auf das Logo und die Websitefarben ist von der Marke DocMorris nicht viel zu spüren und damit fällt unser Resümee in dieser Kategorie äußerst knapp aus.

Joy of Use? Eher nicht.

Auch in Sachen Joy of Use konnten wir nicht über die 2-Punkte-Grenze hinaus gehen, denn innovative Services und Funktionen suchten wir vergeblich. Trotz gesetzlicher Limitierungen im Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten (Einreichen eines Originalrezepts per Post) verpasst DocMorris die Möglichkeit, Kunden interaktiv zu beraten und sich als führende Online-Apotheke zu positionieren. Da wäre mehr drin!

Das Fazit: DocMorris – Ein Online-Shop, mehr nicht.

"Die Apotheke" – von diesem vielversprechenden Slogan ist DocMorris auf der eigenen Website nach unserem Testurteil noch ein gutes Stück entfernt. Insgesamt konnten wir in unserem UX-Check lediglich 2,4 von möglichen fünf Punkten vergeben.

Die Seite erfüllt die Grundanforderungen eines kompakten Online-Shops für Medikamente. Innovationen und interaktive Möglichkeiten finden sich jedoch nicht. Durch die Kleinteiligkeit der Seitenelemente, unscharfe Produktbilder und kleinere Darstellungsfehler vermittelt die Seite einen nicht zeitgemäßen Gesamteindruck. Den größten Nachholbedarf sehen wir im Bereich der Online-Beratung und den Services, hier kann im Verhältnis zu Marktbegleitern noch zugelegt werden. Auch die Marke DocMorris darf nach unserem Geschmack in Zukunft auf der eigenen Website mehr Prominenz zeigen.


*Zum Autor: Markus Lucht ist Managing Partner der UDG United Digital Group, eine der führenden Agenturen in Deutschland im Bereich der digitalen Transformation. Der 44-jährige verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in Digitalagenturen und über umfangreiches Wissen in den Bereichen digitale Markenführung, User Experience, strategische Kundenführung und digitale Transformation.

Zur Methodik: Untersucht wurde im Juni 2020 die User Experience anhand der fünf Hauptkriterien Usability, Content Quality, Utility, Brand Perception und Joy of Use in jeweils drei Unterkriterien. In den Unterkriterien werden jeweils bis zu fünf Punkte vergeben, deren Mittel dann die Punktzahl des Hauptkriteriums bildet. Deren Durchschnitt wiederum ergibt das Gesamtergebnis von maximal fünf Punkten.


Autor: W&V Gastautor:in

W&V ist die Plattform der Kommunikationsbranche. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Eine:n davon habt ihr gerade gelesen.