
Kommunikations-Offensive:
Werbeboykott in Kraft: So verteidigt sich Facebook
Am Tag des Inkrafttretens des Werbeboykotts zahlreicher Unternehmen (#StopHateForProfit) meldet sich Facebook-Cheflobbyist Nick Clegg in mehreren europäischen Tageszeitungen zu Wort.

Foto: Picture Alliance for DLD Hubert Burda
Der ehemalige britische Vize-Premierminister Nick Clegg fungiert bei Facebook heute als Chef der globalen Unternehmenskommunikation. In dieser Funktion meldete er sich an diesem Mittwoch (1.7.) in mehreren europäischen Tageszeitungen zu Wort. Mittlerweile haben sich rund 160 Unternehmen dem Werbeboykott gegenüber dem sozialen Netzwerk angeschlossen. Der von Volkswagen verkündete Boykott betrifft nach W&V-Informationen auch Audi. Gestoppt werden demnach alle Paid-Aktivitäten auf Facebook und Instagram im gesamten Monat Juli. Außerdem werden alle organischen Posts vom 1. bis 7. Juli ausgesetzt.
Nur ein Bruchteil der Interaktionen ist hasserfüllt
Nick Clegg nimmt in seinem Gastbeitrag, der in Deutschland in der FAZ erschienen ist, das Netzwerk in Schutz. In den täglich mehr als 100 Milliarden Nachrichten und Interaktionen sei nur ein "winziger Bruchteil" hasserfüllt. "Bei so vielen Inhalten, die jeden Tag veröffentlicht werden, ist das Entfernen von Hassrede wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", schreibt der Ex-Politiker. "Wenn wir Hassrede auf Facebook und Instagram finden, verfolgen wir einen Null-Toleranz-Ansatz und entfernen sie."
Im Zweifel für die freie Meinungsäußerung
"Wir investieren jedes Jahr mehrere Milliarden Dollar in Mitarbeiter und Technologien, um unsere Plattform sicherer zu machen. Wir haben die Zahl der Menschen, die für die Sicherheit unserer Plattformen zuständig sind, verdreifacht auf mittlerweile mehr als 35.000 Personen", berichtet Clegg. Wenn Inhalte weder als Hassrede eingestuft würden noch gegen andere Richtlinien wie zum Beispiel Wahlbeeinflussung verstießen, entscheide man sich im Zweifel für die freie Meinungsäußerung.
Ob Facebook mit Cleggs Verteidigungsrede die öffentliche Meinung drehen kann, erscheint indes zweifelhaft. Das Grundproblem dürfte ohnehin eher darin liegen, dass der Algorithmus im Ergebnis extreme Positionen und besonders provozierende Standpunkte belohnt.
Facebook verweist auf die erzielten Fortschritte
Der Facebook-Lobbyist pocht indes auf die erzielten Fortschritte. "Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission ergab, dass Facebook 95,7 Prozent der Hassrede-Meldungen innerhalb von 24 Stunden überprüft hat, mehr als Youtube und Twitter", schreibt Clegg. "Mittlerweile erkennen und löschen wir fast 90 Prozent der Hasskommentare noch bevor Nutzer sie melden; vor zwei Jahren waren es lediglich 24 Prozent." Außerdem verweist er darauf, dass die Facebook-Richtlinien gegen Wahlbeeinflussung und Hassrede erst aktualisiert wurden.
Deutschlandchef Tino Krause meldet sich zu Wort
Facebook-Deutschlandchef Tino Krause meint auf W&V-Anfrage zum Werbeboykott der Unternehmen: "Wir stehen mit Werbungtreibenden weltweit in kontinuierlichem Austausch und verstehen, dass sie ihre Botschaften und Inhalte in einem sicheren Umfeld sehen möchten - das wollen wir auch. Wir akzeptieren keine Hassrede auf unseren Plattformen und entfernen diese, sobald wir darauf aufmerksam werden. Unser Ansatz gegen Hassrede und andere unerwünschte Inhalte entwickelt sich stetig weiter und wir investieren jährlich mehrere Milliarden US-Dollar in die Sicherheit unserer Plattformen."