
Interview mit Christian Köhler:
"Wir müssen für die Gesellschaftsform werben, in der wir leben möchten"
Kurz vor der Wahl gerät ein Interview mit Christian Köhler, dem Hauptgeschäftsführer des Markenverbands, zu einem Manifest für Freiheit und Verantwortung.

Foto: Markenverband
Seit 2010 ist Christian Köhler Hauptgeschäftsführer des Markenverbands. Zuvor war er in Geschäftsführungspositionen bei Effem, Kraft Foods und Tchibo. Der in Berlin und Chicago ausgebildete Wirtschaftsingenieur plädiert dafür, Menschen politisch zu integrieren und ihnen, auch als Verbraucher, Verantwortung zu übertragen.
Herr Köhler, in den kommenden Tagen entscheidet sich, wie sich die neue Bundesregierung zusammensetzen wird. Generell: Was raten Sie Politikern für die neue Legislaturperiode?
Ich rate zu klarer Haltung und zu mehr Gelassenheit beim Umgang mit neuen Medien. Das Beispiel ACTA hat gezeigt, dass eine kleine Gruppe von Menschen, die im Internet sehr aktiv ist, die Bundesregierung dazu bringen kann, eine Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu treffen. Man muss aber nicht jeder Sau hinterher laufen, die durchs Dorf getrieben wird.
Läuft die Politik Gefahr, Partikularinteressen überzubewerten und eine Scheinwirklichkeit vorgegaukelt zu bekommen?
Damit das nicht passiert, muss man Menschen insgesamt stärker die Chance geben, politisch teilzunehmen. Deshalb ist es auch für uns als Markenverband notwendig, beim Verbraucher Präsenz zu zeigen, zum Beispiel über unseren Facebook-Auftritt, wo wir den Menschen konkrete Themen präsentieren.
Wichtig ist auch, Politik erlebbar zu machen. Ein sehr gutes Beispiel, wie so etwas funktioniert, ist die Umsetzung des begehbaren Wahlprogramms der CDU von Jung von Matt. Es macht Fakten erlebbar. Genau darum geht es.
Sehen Sie Fake-News als große Bedrohung?
Wir alle haben eine grundsätzliche Aufgabe: Wir müssen für die Gesellschaftsform werben, in der wir leben möchten. Unsere Grundwerte sind nur noch in Teilen der Gesellschaft verankert – denn wir haben aufgehört aktiv für sie zu werben. Bei der Zustimmung zu den demokratischen Werten gibt es Nachholbedarf. Wir müssen hier etwas tun. Das ist ein sehr großes Rad und der Wahlkampf deckt diese Themen überhaupt nicht ab. Schließlich geht es um unsere Freiheit. Die individuelle und unternehmerische Freiheit sind momentan kein Thema, weil sie gefühlt nicht konkret bedroht sind. Aber das Vergessen beginnt da, wo man nicht mehr darüber redet.
Warum ist das ein Thema für den Markenverband?
Freiheit bedeutet gleichzeitig auch Verantwortung. Wir müssen vermeiden, dass Verbraucher entmündigt werden. Politiker sprechen davon, dass sie den Verbraucher "schützen" wollen. Das geht am eigentlichen Thema vorbei. Die Kernfrage lautet: Wie viel Verantwortung gebe ich dem Verbraucher?