ADC-Award:
ADC-Festival 2017: Neue Perspektiven, mehr Professionalität
Qualitativ hochwertige Arbeiten auf breiter Basis, keine Eklats: W&V-Redakteurin Daniela Strasser zieht eine Bilanz des diesjährigen ADC-Festivals.
Häufig gibt es im Nachgang zum ADC-Festival einiges zu kritisieren. Das betraf in den Vorjahren unter anderem zweifelhafte Jury- und Grand-Prix-Votings, gern auch garniert von agenturpolitischem Getuschel.
Das hat sich dieses Jahr geändert. Das diesjährige Festival und der ADC-Wettbewerb lassen die deutsche Werbebranche in einem begrüßenswert positiv und teils auch deutlich professionellerem Licht dastehen als häufig in der Vergangenheit. Dazu nachfolgend eine Bilanz:
1. Der ADC-Jahrgang 2017
365 Nägel haben die Jurys dieses Jahr vergeben. Das entspricht einem Plus von rund zwanzig Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei allerdings nahezu konstant gebliebenen Einreichungszahlen. Die Diskussion um die inflationäre Vergabe von Awards und eine damit möglicherweise einhergehende Entwertung der ADC-Nägel ist keine neue. Sie wurde durchaus berechtigt geführt, siehe etwa die Printpreis-Überhäufung 2016. Dieses Jahr ist das Plus an Nägeln jedoch der großen Zahl an qualitativ hochwertigen Arbeiten geschuldet, die zu Recht mehrere Auszeichnungen verdienten. Viele der im Vorfeld propagierten Favoriten konnten erwartungsgemäß bei den Juroren punkten.
2. Die Grands Prix
Der Kreativclub hat 2017 sein Regelwerk erweitert. Erstmalig konnten die Jurys beim Wettbewerb beispielsweise bis zu fünf Grands Prix vergeben. Was nicht bei allen Juroren im Vorfeld auf Begeisterung stieß, ermöglichte aber deutlich breitgefächertere Entscheidungen als in der Vergangenheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Kreativfestivals können beim ADC auch sogenannte Social Cases mit einem Grand Prix ausgezeichnet werden, wovon die ADC-Jurys Gebrauch machten. Drei der vier Grand-Prix-Gewinner lassen sich im breit gefassteren Sinn als Social-Arbeiten begreifen, haben die höchste Auszeichnung aber verdient. Beispiel "Check it before it's removed" für die Brustkrebsvorsorge, Grand-Prix-Sieger in der Kategorie Werbung. Eine an für sich simple Idee, die sich auf schlaue Weise die Facebook-Logik zu eigen macht (Agentur: DDB). Mit kommerzieller Werbung hat das natürlich wenig zu tun, dafür aber handelt es sich um ein inspirierendes Branchenbeispiel. Guckt man sich alle ADC-Gewinner an, stimmt dieses Mal auch die Melange aus großen, "echten" Arbeiten und Initiativideen, seien sie nun noch so "social" oder nicht.
3. Spezielle Fälle
Trotz übergeordnetem Juroren-Konsens, irgendwas zu meckern gibt es beim ADC immer. 2017 ging es dabei zum ersten Mal um die bislang in Kreativpreisfragen als unantastbar geltende Agentur Heimat, die mit "Du lebst. Erinnerst Du Dich" die meistausgezeichnete ADC-Arbeit 2017 erzielte. In einigen Jurys wurde indes ein anderes Projekt der Agentur für Hornbach diskutiert, das im Rahmen der Biennale beim deutschen Pavillon umgesetzt wurde. Die dazugehörige Idee stammte von einem Architekten, der Hornbach als Kooperationspartner dazu holte. Im Casefilm und in den Credits soll Heimat dies wenigstens anders suggeriert haben, hieß es an mancher Stelle. Die Aufregung legte sich jedoch rasch, die Arbeit blieb beim Großteil der Jurys im Rennen.
An anderer Stelle haben die Juroren ungewöhnlich entschieden: "Dot. The first Braille Smartwatch", oder zu Deutsch die erste Smartwatch für Blinde (Agentur: Serviceplan/Serviceplan Korea). Die Arbeit ist nach Hornbachs "Du lebst" und "Check it, before it's removed" das drittmeistausgezeichnete Projekt und gewinnt derzeit auch international viele Preise. Nicht selten verschließen sich deutsche Werber gegenüber Serviceplan-Ideen. Die Agentur unterhält im Gegensatz zu anderen hiesigen Konkurrenten eine eigene Innovationsabteilung, die international Ausschau nach guten Ideen auch für Awardangelegenheiten hält. Die Agentur hat die Smartwatch für Blinde nicht erfunden, sondern arbeitet mit dem dafür zuständigen Start-up in Korea zusammen und kümmert sich um die Kommunikation. Der Grand Prix ist sicherlich verdient: Auf ein entsprechendes Projekt muss man erstmal aufmerksam gemacht werden.
Dass der Grand Prix in der Rubrik Design vergeben wurde, ist eine andere Sache. Jedenfalls ist an diesem Beispiel gut zu erkennen, dass sich die ADC-Jurys langsam aber sicher öffnen und von Fragen der eigenen Eitelkeit zugunsten einer auch mal übergeordneten Landesperspektive abweichen.
4. Das Festivalmotto
Der bei Eigenvermarktungsfragen durchaus nicht ungewandte ADC-Präsident Stephan Vogel baut sich beim und mit dem ADC auch eine eigene Bühne. Dieses Mal mit dem Festivalmotto "Disrupting Deutschland. Creativity beats Technology?!". Eingelöst worden sei das nicht, sagten die meisten Kongressbesucher, die sich eher enttäuscht von der Qualität mancher Vorträge zeigten. Vielleicht möchten die Vorstandsetagen der deutschen Industrie auch noch gar nicht unbedingt disrupted werden - wer weiß? Laut ADC-Angaben beläuft sich die kundenseitige Besucherzahl bei den Vorträgen im Rahmen des Kongress mitunter auf bis zu 50 Prozent. Zahlen und Namen stehen bislang noch aus. Beim Vor-Ort-Besuch ließen sich entsprechende Größenordnungen bislang nicht verifizieren.
5. Der Nachwuchs
Sehr gut kam dafür der ADC-Nachwuchstag am 10. Mai an. Händeschütteln mit Agenturverantwortlichen, Karrieretalks, Mappenchecks - der Kreativclub hat sich diesmal ein umfangreiches Programm einfallen lassen. Einige Programmpunkte waren kostenfrei, andere nicht, und hier hat der ADC noch Nachholbedarf. Bei entsprechenden Vergünstigungen einiger Ticketpreise könnte er seinen Einflussbereich bei Jungen und Nachwuchskreativen nämlich auch über die Top-30-Agenturen hinaus erweitern.
6. Summa summarum
Gut, professionell und in sehr vielen Teilbereichen deutlich hochwertiger als in den Vorjahren: So lässt sich der ADC 2017 in Kürze am besten beschreiben.