Kommentar von Frank Zimmer:
Bundeswehr-PR und Re Publica: Ein doppeltes Waterloo
"Unfassbar!", twitterte sich Peter Tauber wegen der Re Publica in Rage. Unfassbar schlecht war aber vor allem der Kommunikationsstil auf beiden Seiten. Ein Lehrstück über schlechte PR.
Konflikte, bei denen es nur Verlierer gibt, sind so sinnlos wie lehrreich. Das gilt auch für den Streit zwischen der Bundeswehr und der Digitalkonferenz Re Publica.
Er beschäftigt Menschen im Social Web, die Medien, die PR-Branche und demnächst vielleicht sogar das Parlament, weil der Einsatzbefehl unmittelbar von der Pressestelle des Verteidigungsministeriums ausging und Ursula von der Leyens Parlamentarischer Staatssekretär Peter Tauber sich selbst per Twitter und mit einem trumpesken "Unfassbar!" in die Schlacht warf.
Falls Sie nicht wissen, was eigentlich los ist, sich aber nicht trauen, nachzufragen: Das ist ganz normal. Kaum jemand blickt noch durch, und "unfassbar!" unübersichtlich ist vor allem die Gemengelage aus Übereifer, Beleidigtsein, Schlaumeierei und Larmoyanz.
Die Bundeswehr: Social Media als Schlachtfeld
"Unfassbar!" ist eine Bundeswehr, die nicht Frieden stiftet, sondern einen Social-Media-Krieg gewinnen will. Jeder, der die vergangenen vier oder fünf Jahre nicht in einem Bunker ohne Internet verbracht hat, weiß, was passiert, wenn man mit Themen wie Uniformverbot und Diskriminierung von Bundeswehrangehörigen zündelt. Es führt zum Beispiel zu Mails von "Adolf Hitler" an Re-Publica-Unterstützer, in denen über standrechtliche Erschießung fantasiert wird.
Natürlich hat die Bundeswehr das nicht gewollt. Aber es gehört entweder sehr viel Naivität oder sehr viel Unverfrorenheit dazu, ein solches Thema ausgerechnet auf Facebook oder Twitter - wie es im Marketingsprech heißt - "emotional aufzuladen". Dass die Bundeswehr in Antworten an den Blogger Thomas Wiegold die ganze Aktion als "gelungen" bezeichnet, macht es nicht besser.
Die Re Publica: Kakofonie statt Kommunikationsstrategie
"Unfassbar!" ist aber auch die Kommunikationsstrategie der Re Publica, die nach tagelanger Kakophonie jetzt eine Mischung aus Presseerklärung, Befindlichkeitsbericht und Dokumentation veröffentlicht hat. Sie umfasst 16.753 Zeichen (inkl. Leerzeichen) und ist so lang, dass ich sie mir ausgedruckt habe - es sind 9 DIN-A-4-Seiten, und ich bezweifle, dass viele Leute das lesen werden.
So verständlich der Wunsch nach ausführlicher Klarstellung ist: Die Chance hat die Re Publica verpasst. Die von einer privatwirtschaftlichen GmbH organisierte Digitalkonferenz hat zwar keinen öffentlichen Auftrag, auch wenn sie öffentliche Fördermittel nutzt. Aber sie sollte professionell genug sein, um wichtige Entscheidungen klar und verständlich zu kommunizieren. Vor allem dann, wenn diese Entscheidungen so polarisieren wie ein Uniformverbot. Einfach und hilfreich wäre zum Beispiel gewesen, sofort und unzweideutig aufzuklären, wie weit das Uniformverbot überhaupt geht. Betrifft es nur Aussteller oder auch Speaker? Oder sogar Besucher? So richtig klar war das lange Zeit nicht.
In dem mehr Fragen als Antworten zurücklassenden Radioauftritt von Re-Publica-Veranstalter Markus Beckedahl am vergangenen Donnerstag etwa gibt es neben Kampfvokabeln wie "Frechheit" und "Militarisierung" unterschiedliche Aussagen. Einerseits ist von Uniformverbot bei "werblichen Auftritten" die Rede, andererseits heißt es, dass die Polizei bei einem "Einsatz" auf dem Gelände durchaus Uniform tragen dürfe, die Bundeswehr aber überhaupt nicht. Genauso wurde es der Bundeswehr auch vorher mitgeteilt: Man möchte "keine Uniformen auf der Re Publica" haben.
Ein generelles Uniformverbot für Bundeswehrangehörige wäre kaum nachvollziehbar. Es geht ja nicht um den Auftritt des Metzgers mit bluttriefender Schürze beim Veganertreffen, sondern um ein gesellschaftlich allgemein akzeptiertes Kleidungsstück. Bundeswehruniformen sind auf evangelischen Kirchentagen ebenso üblich wie in der Hamburger Straßenbahn. Auch auf der US-Digitalkonferenz SXSW gab es uniformierte Bundeswehroffiziere, wie dieses W&V-Interview zeigt:
Über das "Warum" soll es hier aber gar nicht gehen, das müssen die Veranstalter unter sich und dann gegebenenfalls mit ihren Besuchern und Sponsoren klären. Aber "Wie" und "Für wen gilt es eigentlich genau": Das wäre in einer emotionalen Ausnahmesituation eine wichtige Information gewesen.
Das setzt natürlich voraus, dass jemand an Deeskalation und Versachlichung interessiert ist. Wesentliche Re-Publica-Macher vermittelten diesen Eindruck nicht. Markus Beckedahl klingt im Interview mit RBB-Reporter Sebastian Schöbel so empört-aggressiv, als wären Fallschirmjäger in seinem Wohnzimmer gelandet. Die Skandalrhetorik mobilisiert vielleicht die eigene Fanbase, hat aber mit professioneller Unternehmenskommunikation wenig zu tun. Die Re Publica ist längst ein Unternehmen geworden. Höchste Zeit, dass sie auch wie eines kommuniziert.