Nur mal so: Wir modernen Männer kleben in der Tat nicht Stunde um Stunde vor dem Bildschirm und pfeifen uns einen Porno nach dem anderen rein. Wir schaffen es dennoch, ein fantastisches Sexleben zu haben. Wir erniedrigen keine Frauen, und wollen sie auch nicht unter uns sehen, sondern auf Augenhöhe. Wir kämpfen Seite an Seite mit Frauen für mehr Diversität und Gleichberechtigung. Und - ganz verrückt - wir können dennoch ganze Kerle sein.

mike Kleiss

Mike Kleiss

Wer auch immer ein Frau-Mann-Bild aus vergangenen Zeiten in einem Werbepost aufleben lässt, wer auch immer Sexismus zulässt, wer auch immer Diskriminierung duldet, sollte keine tragende Rolle mehr in unserer Gesellschaft spielen. Eine Krankenkasse hat meiner Meinung nach den Auftrag, für ihre Mitglieder und Kunden da zu sein. Die TK polarisiert nicht nur, sie spaltet.

Nicht nur Frauen werden hier eindeutig diskriminiert, dieser Spot wertet den modernen Mann komplett ab. Man kann und will sich nicht vorstellen, dass diese Kampagne wahr ist. Im Stillen hatte ich Hoffnung, dass alles nur Fake ist. Dass es einen Hack der Insta-Seite gab. Im Gegenteil, es wird noch schlimmer. Die Techniker Krankenkasse steht zu ihrem „Konzept“.

Heute morgen habe ich die Verantwortlichen mit folgenden Fragen konfrontiert: 1.) Wer genau hatte die Idee zum Video und dem Instagram Post zu „Life-Saving Handjob“2.) Warum setzt die Techniker auf Sexismus und Diskriminierung in ihrer Werbung? 3.) Wie empfinden Sie den Shitstorm, der Sie gerade erreicht? 4.) Warum ist die Wahl auf eine Pornodarstellerin gefallen? 5.) Wie wird sich die Techniker für diese Art von Werbung entschuldigen? Die Antwort macht erneut fassungslos. Es antwortet die Presse-Sprecherin für Pflege und Zusatzversicherungen, Laura Hassinger. Mit keinem Wort erhalte ich Antworten auf meine Fragen, augenscheinlich erreicht mich eine vorgefertigte Antwort des Krisen-Managements.

Ähnlich schlecht wie die Kampagne mutet die Krisen-Kommunikation an, denn man bekräftigt, dass es ja um die Aufklärung in Sachen Hodenkrebs ginge, und dafür „hat die TK bewusst einen ungewöhnlichen Ansatz gewählt und die Aufklärung darüber in einem pornografischen Umfeld platziert.“ Man steht also offen zum Sexismus. Soweit so schlecht. Die ganze Hilflosigkeit und Absurdität wird im Zusammenhang durch den Einleitunsgssatz deutlich: „Diversität, Gleichstellung und respektvolles Miteinander sind uns sehr wichtig. Sexismus in jeglicher Form lehnen wir ab.“

Weil mir Krisenkommunikation nicht fremd ist, und ich weiß wie sich Unternehmen in diesen Situationen fühlen, bat ich erneut um die explizite Beantwortung der Fragen. Einfach, um der Techniker die Möglichkeit zu geben, entsprechend nachzubessern. Die Antwort überraschte: „Hallo Herr Kleiss, unserer Ansicht nach haben wir mit unserer unten stehenden Antwort Ihre Fragen abgedeckt.“

In Sachen Aufmerksamkeit hat die Techniker wirklich alles richtig gemacht. Alles. Nun können die Mitglieder entscheiden, ob die Techniker noch ihre Krankenkasse ist. Die TK hat sichtbar gemacht, wofür sie steht, und zu welchen Mitteln sie greift. Das wird in – so ist es in den sozialen Netzwerken zu lesen – Mitglieder kosten. Ich lege mich fest: Wer Eier hat, kommt ohne Porno und Diskriminierung aus. Wer Eier hat, schafft den Handjob selbst. Wer Eier hat, entschuldigt sich in aller Form für so eine Kampagne und spendet einen Monatsbeitrag aller Mitglieder für einen guten Zweck. Vielleicht für die Hodenkrebs-Forschung. 

(Anmerkung: Die Techniker Krankenkasse hat den Post Donnerstagnachmittag auf ihrer Seite inzwischen durch diese Stellungnahme ersetzt. Nur bei Anny Aurora sind die Bilder noch zu finden.)


Autor: Mike Kleiß

Mike Kleiß ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN. Für Focus-Online schreibt der passionierte Läufer als Kolumnist, in seinen Podcasts spricht er über Hunde und Fussball. Als Kommunikations-Stratege berät er internationale Marken. Der gelernte Journalist lebt für Marken und Medien, und darüber schreibt er regelmäßig bei W&V.