
eHealth:
Digitale Gesundheit: Deutschland muss aufholen
Der digitale Fortschritt in Deutschland kommt nicht ausreichend bei den Patienten an. In einer internationalen Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung schneidet Deutschland schlecht ab und landet auf Rang 16 von 17 untersuchten Ländern.

Foto: Bertelsmann Stiftung
Die Chancen, die sich durch die Digitalisierung für das Gesundheitswesen ergeben, sind eigentlich vielversprechend: Elektronische Patientenakten verhindern Wechselwirkungen bei Medikamenten, Telemedizin verbindet Arzt und Patient auch über weite Distanzen, Gesundheits-Apps unterstützen chronisch Kranke. Eigentlich, denn: Deutschland schneidet im internationalen Vergleich schlecht ab. Der digitale Fortschritt kommt nicht ausreichend bei den Patienten an.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Spitzenreiter sind demnach Estland, Kanada und Dänemark – die Schweiz, Frankreich, Deutschland und Polen belegen die letzten Plätze. In den führenden Ländern sind digitale Technologien bereits Alltag in Praxen und Kliniken: Hier werden Rezepte digital übermittelt, Gesundheitsdaten der Patienten in elektronischen Akten gespeichert (Ärzte und Kliniken können direkt darauf zugreifen), Bürger können die Ergebnisse ihrer Untersuchungen, Medikationspläne oder Impfdaten online einsehen und Ferndiagnosen und Fernbehandlungen per Video sind selbstverständlicher Teil der Gesundheitsversorgung. In Deutschland hingegen stecken diese Entwicklungen noch in den Kinderschuhen.
Status quo in Deutschland
Obgleich die Bundesregierung bereits 2003 die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beschlossen hat und es seit vielen Jahren erfolgreiche digitale Pilotprojekte auf regionaler Ebene gibt – beispielsweise die Notfallversorgung von Schlaganfallpatienten oder das Telemonitoring von Menschen mit Herzerkrankungen an der Berliner Charité und die Start-up-Szene im eHealth-Bereich regelrecht boomt: Die neuen technologischen Möglichkeiten in Deutschland sind schlicht nicht bundesweit und für alle Patienten nutzbar. Im Alltag der Versorgung ist bislang wenig angekommen.
Laut Bertelsmannstiftung liegt das vor allem daran, dass die Politik in der Vergangenheit die Verantwortung für die digitale Transformation an die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen delegiert hat."Hier haben sich die Akteure lange Zeit gegenseitig blockiert. Es ist noch nicht gelungen, alle Verantwortlichen hinter einem gemeinsamen Ziel zu versammeln", erläutert Studienleiter Thomas Kostera. In jüngster Zeit habe die Gesundheitspolitik ihre Führungsrolle zwar ausgebaut. Doch es sei nicht ausgemacht, dass die angedachten Entwicklungen etwa im Bereich der Elektronischen Patientenakten zum Erfolg führen. Der Blick in andere Länder helfe, Stolpersteine zu vermeiden.
Das muss sich ändern:
• Mehr Entschlossenheit in der Politik: Der digitale Wandel im Gesundheitswesen muss aktiv gestaltet werden.
• Nationales, unabhängiges Kompetenzzentrum etablieren: Entscheidend für eine erfolgreiche Digitalisierung ist die Koordination der Prozesse von zentraler Stelle. Das Kompetenzzentrum sollte verantwortlich sein für die Einbindung bestehender Institutionen, Interessengruppen, Experten und Nutzer sowie für die Standardisierung digitaler Anwendungen und die Definition von Schnittstellen.
• Entwicklungen Schritt für Schritt angehen: Bei der weiteren Ausgestaltung der Digitalisierung im Gesundheitswesen sollten einzelne Behandlungsbereiche und Prozesse gezielt angegangen werden. Handlungsleitend sollten dabei die erwartete Verbesserung der Versorgung sowie mögliche Effizienzgewinne sein.
• Akzeptanz fördern: Digitaler Wandel braucht Akzeptanz und eine breit geteilte Zielvorstellung. Die Politik sollte die Kommunikation Richtung Bürger, Ärzte und andere Gesundheitsberufe sowie den Dialog über notwendige und wünschenswerte Entwicklungen als strategische Aufgabe begreifen und angehen.
• Patienten und Ärzte als Nutzer systematisch einbeziehen: Bei der Entwicklung von Teilstrategien sowie digitalen Anwendungen und Prozessen sind die Nutzer – etwa Patienten und Ärzte – einzubeziehen. Dabei geht es um die Endnutzer selber, nicht deren Standesvertreter. Im Sinne der Akzeptanzförderung sollte der Nutzen von Anwendungen früh sichtbar werden.
Die Studie wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von der Forschungsgesellschaft Empirica aus Bonn erstellt und besteht aus zwei Teilen: einem Digitalisierungs-Index, für den Experten aus den untersuchten Ländern jeweils zu rund 150 Kriterien Einschätzungen abgegeben haben, und einer detaillierteren Analyse von fünf für Deutschland in dem Feld besonders interessanten Gesundheitssystemen.