
Gastkommentar von Frank Zimmermann:
Fußabtreter PR – Ich habe es so satt!
Egal, wer es vergeigt hat: Am Ende ist es immer ein "PR"-Deaster oder sogar ein "PR-GAU". Und wenn irgendetwas verdächtig wirkt: Klar, "alles nur PR". Kommunikationsberater Frank Zimmermann kann es nicht mehr hören. Ein Rant.

Foto: FCR PR
Janet Jackson entblößt in der Halbzeitshow des Super Bowl 2004 ihre Brust. Ein peinliches Missgeschick vor Milliardenpublikum? Natürlich nicht! Das war selbstredend ein eiskalt kalkulierter PR-Schachzug für ihre kurz danach startende Welttournee. Drahtzieher: Anonyme und höchst verschlagene Public Relations-Manager mit der moralischen Integrität eines Lord Voldemort hatten im dunklen Hintergrund die Strippen (der Brustbedeckung) gezogen.
Jüngst veröffentlichte Apple die Nachricht, dass im neuen Betriebssystem iOS 12 verantwortungsbewusste Eltern über die Möglichkeit verfügen werden, den Smartphone-Konsum ihrer Sprösslinge zu kontrollieren und zeitlich zu begrenzen. Der mir als seit zwanzig Jahren in der PR-Branche tätigem Fußabtreter sehr vertraute und spontane Reflex eines seriösen Nachrichtensenders – ich rede in diesem Fall von n-tv – war natürlich: Gerade Apple warnt vor Smartphone-Abhängigkeit? Das ist doch nur PR.
Auch mit großem Tamtam verbrämte Substanzlosigkeit wird allzu oft mit PR gleichgesetzt. So schrieb das renommierte Handelsblatt – die sollten es wirklich besser wissen – nach dem Treffen von US-Präsident Trump mit dem nordkoreanischen Diktator Kim: "Ihr dürres Poesiepapier zu Frieden und Abrüstung in Nordkorea ist so vage, dass sich daraus alles und nichts ergeben kann. So gut die PR war, so fragwürdig war die Idee des US-Präsidenten, auf Manöver in Südkorea zu verzichten."
Wenn vermeintlich oder tatsächlich gelogen wird, dass sich die Balken biegen, oder Substanzlosigkeit mit großem Glanz verbreitet wird, dann ist das also PR? Woher kommt dieses sehr verbreitete aber völlig verkehrte Bild der Public Relations eigentlich? Warum ist die PR-Branche bei der breiten Masse gefühlt so beliebt wie Aschenplätze unter Fußballspielern? Ich habe keine Ahnung – aber ich habe es so satt!
Die Werber verstecken sich auch – wenn’s passt
Viele von Ihnen werden sich an die völlig missratene Aktion von H&M vor einigen Monaten erinnern, als mit einem dunkelhäutigen Jungen für ein Hoodie mit der Aufschrift „Coolest Monkey In The Jungle“ geworben wurde. Ein Riesen-Shitstorm war die Folge. Und die Diagnose war auch gleich bei der Hand: Ein PR-Desaster für H&M.
Völlig verkehrt. Das war ein Werbe-Desaster für H&M. Betrachtet man die Werbung nicht als eine der PR untergeordnete Teildisziplin der Kommunikation, womit einige mir gut bekannte und sehr geschätzte Werbekollegen übrigens ein ziemliches Problem hätten, dann ist doch glasklar, wer für diese Minderleistung die Verantwortung trägt. Die PR-Leute waren es ganz sicher nicht.
Wer die Wahrheit sagt, der braucht bekanntlich ein schnelles Pferd. Das weiß ich sehr wohl. Und ich danke der W&V-Redaktion ausdrücklich, mir die Möglichkeit eingeräumt zu haben, dieser vermeintlichen Nestbeschmutzung hier Platz und Öffentlichkeit zu gewähren.
Massenhaft professionelle Lügner?
Die Zahl der in Deutschland im Bereich der Public Relations tätigen Kolleginnen und Kollegen ist nicht ganz klar greifbar. 50.000 sind es mindestens – wahrscheinlich aber deutlich mehr. Und diese Damen und Herren werden von ihren Auftraggebern, ganz überwiegend sehr seriösen Unternehmen, mehrheitlich dafür bezahlt, professionell sowie mit penetranter Permanenz Lügen oder zumindest extrem weichgespülte, substanzlose Nachrichten zu verbreiten? Das glaubt doch ernsthaft kein Mensch. Die Journalisten, die zu unseren Hauptansprechpartnern gehören, sind doch viel zu klug, um auf eine solche organisierte Scharlartanerie reinzufallen.
Es gibt natürlich, ganz gegen meinen persönlichen Geschmack, auch jene PR-Leute, die viel heiße Luft ablassen – und das auch noch ungefiltert mit der ganz großen Luftpumpe – völlig gleich, ob ihre "revolutionäre-Weltneuheit-Meldung" das Tätigkeitsgebiet der Empfänger betrifft oder auch nicht. Es ist klar, dass dieses Art des Postfach-Zumüllens bei den Empfängern nicht gut ankommt. Das ist zwar ein Grund für Vorbehalte gegen einige schwarze Schafe in der PR-Branche, erklärt aber noch lange nicht den Reflex, dass Unaufrichtigkeit und Inhaltslosigkeit mit PR gleichgesetzt wird.
Meine persönliche Berufserfahrung ist ohnehin eine ganz andere: Journalisten und andere Stakeholder schätzen PR-Leute, die seriös und professionell informieren. Und auch die zahlenden Kunden wollen seit vielen Jahren keine aalglatten Ja-Sager als Berater, die gegen üppige Honorare wirklich alles raushauen. Dauerhaft angesehen sind solche PR-Leute, die im besten Unternehmensinteresse, wenn es fachlich und sachlich geboten ist, auch klipp und klar äußern, dass eine geplante Verkündigung vielleicht im nordkoreanischen Staatsfernsehen Berücksichtung fände, in der freien deutschen oder europäischen Presse jedoch keinesfalls.
Mein Appell an alle Kommunikatoren
Mein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den elektronischen Medien, lautet daher: Überdenken Sie bitte einmal Ihre Sichtweise auf die PR-Branche. Nicht immer, wenn es richtig scheiße gelaufen ist und ein übel riechender Kommunikationshaufen unter der Schuhsohle haftet, ist es gerechtfertigt, den mal eben locker auf der PR-Fußmatte abzutreten.
Der Gastautor: Frank Zimmermann ist seit 2003 als Gründer und Inhaber der Agentur FCZ PR als Kommunikationsberater und Krisenkommunikator aktiv. Zuvor arbeitete er als Managing Director am Standort Frankfurt für die PR-Agentur Weber Shandwick.