
Digitaloffensive:
Handelsblatt wirbt mit Hirnvergrößerung
Lesen bildet. Weil aber immer weniger Leser zur Zeitung greifen, geht das "Handelsblatt" mit seinem Digitalangebot in die Offensive und schaltet einen Werbespot, der inhouse entwickelt wurde.
Lesen bildet. Aber immer weniger Leser greifen zur Zeitung. Auch das "Handelsblatt" hat in den vergangenen Jahren an Auflage eingebüßt (IVW II/14: 121.334 Exemplare). Also geht die Verlagsgruppe Handelsblatt mit dem Digitalangebot in die Offensive und schaltet einen Werbespot, der inhouse entwickelt wurde. Thema: Gehirnvergrößerung dank digitaler Medien. Verkaufen soll die Kampagne den "Digitalpass". Damit bündelt das "Handelsblatt" alle Angebote für 15 Euro monatlich (Einführungspreis, später 30 Euro) mit einem Login. Der Handelsblatt Digitalpass umfasst alle Bezahlartikel auf der Webseite, die Handelsblatt Datenbank, alle "Handelsblatt"-Dossiers, das Handelsblatt E-Paper sowie die digitale Tageszeitung "Handelsblatt Live". Neben dem journalistischen Angebot erhalten alle Digitalpass-Kunden Zugang zum Klub "Wirtschaft hautnah". Dort haben sie die Möglichkeit, an Veranstaltungen der Verlagsgruppe Handelsblatt kostenlos oder zu Vorzugspreisen teilzunehmen.
Die Idee, auch die Online-Inhalte sowie Zusatzleistungen zu verkaufen, statt sie zu nur zu verschenken, und dem Leser den Zugang so weit zu vereinfachen, dass er sich nicht stets neu registrieren oder pro Klick bezahlen muss, ist eine überdenkenswerte. Dennoch: Derzeit wird wird laut einer Online-Umfrage von Media Analyzer Paid Content von vielen Nutzern in Deutschland noch nicht akzeptiert und selten genutzt. 56 Prozent der rund 1000 Befragten äußerten sich negativ darüber, dass einige digitale Presseerzeugnisse nur gegen Bezahlung verfügbar sind. Etwa 27 Prozent befürworten die Gebühren, knapp acht Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, dass sie selbst Paid Content nutzen. Knapp die Hälfte von ihnen kauft demnach Inhalte von überregionalen Tageszeitungen, ein Drittel zahlt für Artikel regionaler Tageszeitungen, ein Online-Zeitungs-Abo haben 38 Prozent abgeschlossen. Über die Hälfte der Paid-Content-Nutzer - nämlich 55 Prozent - erwerben vereinzelt Artikel, die sie interessieren (W&V Online berichtete).
Potenzial in jedem Fall für das "Handelsblatt". Das Gratis-Onlineangebot wird aber wohl so bleiben, wie es ist. Nachrichten gibt es also weiterhin zum Nulltarif. Die Verlagsgruppe setzt auf "Freemium": Einige Inhalte sind auch im Netz kostenpflichtig, der Großteil frei zugänglich.
Das Lesen schlauer macht, ist eine Argumentation, die wir gut nachvollziehen können. Ob allerdings der "Handelsblatt"-Leser von der Klinik-Atmosphäre im Stil von "Emergency Room" gefangen genommen wird und auf des Rätsels Lösung hinfiebert, bleibt abzuwarten. Immerhin ist der Protagonist Anzugträger, er mag sich wegen Burnouts im Krankenhaus befinden. Um ihn herum hektik, besorgte Ärzte und Schwestern. Das Tablet legt er dennoch nicht aus der Hand.
Von 1. September bis 12. Oktober zeigt der Wirtschaftstitel bei N24 jedenfalls diesen Spot als 24-Sekünder nebst Reminder, Online ist die Langfassung zu sehen:
Die Hirnaktivität ist auf mehr als 120 Prozent gestiegen. Erfreulich - das wünschen wir auf jeden Fall allen "Handelsblatt"-Lesern. Muss klappen, denn so verspricht es der Claim: "Gehirnvergrößerung durch lesen. Handelsblatt Digitalpass."
Die Umsetzung erfolgte durch die Firma Pirates’n Paradise, Berlin, mit Péter Palátsik als Regisseur. Flankiert wird der Spot durch Print- und Online-Maßnahmen.
Dass es dem "Handelblatt" ernst ist mit der digitalen Welt, zeigte vor einigen Monaten die Beförderung Oliver Stocks: Der Chefredakteur von Handelsblatt Online wurde in die Chefredaktion des "Handelsblatt" berufen. "Mit diesem Schritt wächst die Bedeutung des digitalen Bereichs für Deutschlands Wirtschaft- und Finanzzeitung", so der Verlag im März. Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs damals: "Print und Online gehören zusammen wie Überschrift und Vorspann. Was liegt da näher als eine einheitliche Redaktionsleitung? Es kommt nicht darauf an, über die digitale Welt zu reden, sondern sie zu verändern."