
Lebenslauf-Tuning: Die ungeschminkte Wahrheit?
Es ist nicht immer ein zu Unrecht erworbener Doktortitel: Viele Kandidaten frisieren für ihre Bewerbung einfach mal Vita und Unterlagen. Dabei überschreiten sie manchmal auch Grenzen.
Es ist nicht immer ein zu Unrecht erworbener Doktortitel: Viele Kandidaten frisieren für ihre Bewerbung einfach mal Vita und Unterlagen. Dabei überschreiten sie manchmal auch Grenzen.
Was ein Freiherr darf, das darf ich schon lange, scheint so mancher Bewerber zu denken und macht aus einem Schnuppertag in einer Londoner Werbeagentur mal eben ein ausgewachsenes Auslandspraktikum. „Der Fall Guttenberg hat ein Thema, das immer virulent war, wieder in den Fokus gerückt“, sagt Jürgen Hesse vom Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader. Er verweist auf den Skandal einer angeblichen Promotionsberatung, die im Zusammenspiel mit bestechlichen Professoren Doktortitel „vermittelte“ und 2009 aufflog. Und auch die Schlagzeilen um die Promotionen der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin oder der Stoiber-Tochter Veronica Saß zeigen, dass es sich beim Aufhübschen der beruflichen Vita keineswegs um Einzelfälle handelt. Ans Tageslicht gelangen aber fast nur die Verfehlungen Prominenter.
Doch wie aufrichtig sollten Kandidaten wirklich sein? „Wenn ich mein Auto gut verkaufen will, putze ich es ja auch vorher, entferne Rostflecken und fotografiere es möglichst vorteilhaft, um einen guten Preis zu erzielen“, erklärt Berater Hesse. Schließlich steckt in Bewerbung das Wort Werbung, und die zeigt Produkte oder Dienstleistungen nun mal von der besten Seite. Hesse sieht in deutschen Bewerbungskonventionen etwas stark Ritualhaftes. Beide Seiten wüssten, dass sie sich gegenseitig ein geschöntes Bild präsentierten. Von Personalern hört man immer wieder: „Wir legen Wert darauf, dass der Kandidat weiß, was man von ihm hören möchte.“ Die Unternehmen nehmen also in Kauf, dass die Kandidaten sich in gewissen Grenzen Make-up auflegen.
Über viele Jahre hinweg haben die Arbeitgeber eine Bewerbungskultur geschaffen, in der ein standardisierter Idealkandidat das Maß aller Dinge ist. So standen Bewerber in den letzten Jahren unter erheblichem Druck, möglichst perfekt dazustehen. Ihr Frust in einschlägigen Online-Foren ist entsprechend groß: „Die Arbeitgeberanforderungen werden zunehmend aberwitziger. Für einen befristeten Minijob hätten die Herrren in diesem Land am liebsten einen multilingualen Professor nicht älter als 20 und mit maximal drei Jahren Berufserfahrung“, klagt ein User mit dem Pseudonym Realist im Bewerberforum von Jobrobot. Das Resultat: Ein Teil der Kandidaten arbeitet schon frühzeitig mit sehr viel Aufwand an einer ansprechenden Vita, während andere ihre Bewerbungsunterlagen „trimmen“. Die Arbeitsrechtlerin und Fachbuchautorin Verena Rottmann sieht in den Schönungen und Mogeleien eine Art legitimer Notwehr gegen einen Markt, der ausnahmslos lückenlose und stringente Karrieren verlange. Dennoch geht mancher Kandidat damit nur ein unnötiges Risiko ein.
Absolventen sind immer wieder versucht, auch noch die mickrigsten Berufserfahrungen aufzumotzen. So wird mal ein Praktikum hinzugedichtet oder in eine längere Auslandsreise uminterpretiert. Gerade Auslandspraktika lassen sich nur schwer und mit großem Aufwand nachprüfen. In vielen Branchen wird allerdings auf dem „kleinen Dienstweg“ schon mal nachgehakt, was der Praktikant tatsächlich gemacht hat. „Bei Berufsanfängern hat der Interviewpartner ja gar keine anderen Möglichkeiten einzuhaken. Kandidaten müssen daher damit rechnen, im Bewerbungsgespräch in dieser Hinsicht auf Herz und Nieren geprüft zu werde“, warnt Beraterin Bettina Wengenroth von der GK-Personalberatung.
Lesen Sie mehr dazu in der Titelgeschichte der W&V-Ausgabe 19/2011!