Medientage München:
Neue Perspektiven auf die Medienwelt
Zum Auftakt der Medientage fordert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Internet-Plattformen zur Veränderung ihrer Algorithmen auf. Deren "Bombardement mit Unsinn" müsse eingedämmt werden.
"New Perspectives" - unter diesem Motto stehen die diesjährigen Medientage München. Nach der rein digitalen Veranstaltung im vergangenen Jahr ist eine dieser neuen Perspektiven die Tatsache, dass der fünftägige Branchenevent diesmal Hybrid angelegt ist – und Ingo Zamperoni, Moderator der Auftaktveranstaltung, seine Fragen Gästen live Ort stellen konnte.
Übergreifendes Thema dieses Medientage Gipfels sind die Veränderungen, die die Pandemie in den vergangenen eineinhalb Jahren mit sich gebracht hat – negative und positive. Auf eine der weniger schönen Entwicklung geht der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei seiner Begrüßung ein: die Zunahme der Hassbotschaften im Netz.
Söder fordert von den Internet-Plattformen eine Veränderung ihrer Algorithmen, um solchen Hassbotschaften, insbesondere in den Sozialen Netzwerken, entgegenzuwirken. Es reiche nicht aus, einen Kommentar zu löschen, die Algorithmen müssten vielmehr verändert werden. Denn wer solchen Content konsumiere, der werde danach aufgrund dieser Algorithmen "einem schieren Bombardement mit Unsinn" ausgesetzt. Man rutsche in eine "Art sektenähnliche geistige Gefangenschaft" – dies müsse geändert und neu strukturiert werden.
Problematischer Algorithmus
Auch Wissenschaftlerin und Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim hat mit diesem Algorithmus so ihre Probleme. "Ein Algorithmus kann nicht zwischen verfälschten und nicht verfälschten Informationen unterscheiden", so Nguyen-Kim, die soeben ihre neue ZDF-Show "Maithink X" startete. Sie selbst hat mittlerweile eine eigene Strategie, mit Hassbotschaften umzugehen: "Ich lese keine Kommentare." Einen Überblick bekommt sie dennoch von ihrem Team – aber eben gefiltert.
Über die Transformation in Arbeit und Alltag, die die Pandemie mit sich gebracht hat, diskutieren im Anschluss Devesh Raj, Vorsitzender der Geschäftsführung Sky Deutschland, Stephan Schäfer, Co-CEO RTL Deutschland/CEO Gruner + Jahr, Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks, und Hannes Ametsreiter,
CEO Vodafone Deutschland.
"Welche Veränderung hat sich letztlich als gut erwiesen – und was wird beibehalten?“ will Ingo Zamperoni von seinen Talkgästen wissen. Hierbei sind sich die Teilnehmer ziemlich einig: Die Möglichkeit, den Arbeitsplatz flexibel wählen zu können, habe sich bewährt – auch wenn Sky-Chef Raj immer noch findet, "nichts ersetzt persönliche Interaktion". Bei Vodafone ist man nach den positiven Erfahrungen damit jedoch so erfreut, dass das Unternehmen zum 1. Oktober das "Full Flex Office" eingeführt hat, berichtet Ametsreiter. Im Rahmen dieser Neuerung ist es sogar möglich, 20 Tage im Jahr von "irgendwo in Europa" aus zu arbeiten.
Hybrides Arbeiten zur rechten Zeit
Für RTL sei das hybride Arbeiten genau zur richtigen Zeit gekommen, so Stephan Schäfer. Der Konzern befindet sich derzeit bekanntlich in einem Transformationsprozess – bei dem auch noch die Fusion mit Gruner + Jahr Teil des Geschehens ist. Remote-Arbeiten habe es möglich gemacht, die Aktivitäten trotz mehrerer verschiedener Standorte voranzubringen.
Was die Unternehmen während Corona zeitweise vor Herausforderungen stellte, war die stark gestiegene Mediennutzung. "Der Datentraffic stieg zu Beginn um 225 Prozent" – das sei für das Netzwerk herausfordernd gewesen, erinnert sich Vodafone-CEO Ametsreiter. Zu dieser Zeit habe auch die Content-Nutzung um 20 Prozent zugenommen.
"Keinen Credit verspielen"
Sky knackte in dieser Zeit mit seiner Sportberichterstattung einige Rekorde, so Raj. Bundesliga und das Pokalfinale mit der Begegnung RB Leipzig gegen Borussia Dortmund hätten Bestquoten erzielt. Aber auch Dokumentationen, die während der Livesport-losen Zeit liefen, hätten viel Zuspruch erfahren, verrät Raj. Künftig will man bei Sky das Publikum mit einer weiteren Innovation ansprechen, die in Deutschland 2022 auf den Markt kommt: Sky Glass, ein auf das Sky-Angebot zugeschnittener Fernseher. Der Sky-Chef ist überzeugt: "Das ist die Zukunft des TV."
"Bewegtbild ist der Treiber von allem", glaubt auch Stephan Schäfer. In seinem Haus steht diesbezüglich ein weiterer großer Schritt an: Die Streamingplattform TV Now wird in RTL+ umbenannt. Ähnliche Umbauten hat auch die ARD in Arbeit; auch hier wird die Mediathek an die neuen Anforderungen angepasst, berichtet BR-Intendantin Katja Wildermuth. Die Konzentration auf non-lineare Formate wie Filme, Serien und Dokus sei dafür ebenso richtig wie die geplante Verzahnung mit dem Mediatheken-Angebot des ZDF. Was man dabei aber nicht aus den Augen verlieren dürfe, seien die Qualitäten, die man über lange Jahre bei Publikum aufgebaut habe – etwa Glaubwürdigkeit und die journalistische Qualität. Wildermuth: "Diesen großen Credit dürfen wir nicht verspielen."