
Erotikliteratur:
Pornoprojekt "Suzette Oh": Zwischen Zuckerbrot und Peitsche
Als die Hamburger PR-Beraterin Ingeborg Trampe ihren Erotik-Erstling "Pussy Diary" (Droemer Knaur) herausbrachte, musste sie sich ein dickes Fell zulegen. Auf W&V Online erzählt sie, was sie auf dem Weg zum digitalen Bucherfolg erlebt hat.
Die Hamburger PR-Beraterin Ingeborg Trampe ist kreativ, mutig - und weiß, dass man trommeln muss, wenn man sein Projekt vermarkten will. Bei W&V Online erzählt sie, was bei der Veröffentlichung ihres Erotikbuchs "Pussy Diary" bei der Holtzbrinck-Tochter Droemer Knaur alles los war - und was sie auf dem Weg einstecken musste.
Wenn man ein Buch schreibt, muss man sich ein dickes Fell zulegen. Ganz besonders, wenn man Erotik schreibt. Insofern war ich innerlich darauf vorbereitet, dass mein Buch "Pussy Diary" nicht jedem gefallen würde, sondern stark polarisiert. Es ist eben kein Buch für Pussies. Allerdings erwischte mich etwas kalt die Reaktion der ersten Testleserin, die über meinen Verlag Droemer Knaur das Buch vorab zu lesen bekam. Offensichtlich war sie trotz Ankündigung von expliziter Erotik nicht wirklich auf das Buch vorbereitet und so hagelte es ziemlich heftige Kritik etwa an der "derben Sprache" und dem geringen Anteil an Story. Mich betrübte aber vor allem, dass man mir Verantwortungslosigkeit beim Thema Aids vorwarf, weil nicht an jeder Stelle das Benutzen von Kondomen beschrieben wurde. Mal abgesehen davon, dass kaum ein anderes Erotikbuch überhaupt Kondome im Kontext nennt, richtet sich ja mein Buch an Erwachsene, die aus meiner Sicht auch selbstverantwortlich handeln müssen. Es haut eine Geschichte schlicht und ergreifend kaputt, wenn man krampfhaft an jeder Stelle immer wieder auf Gummis hinweist. Nichtsdestotrotz erwuchs aus dieser Kritik eine größere Diskussion mit dem Verlag. Als Konsequenz wird im zweiten Buch vorab an zentraler Stelle ein expliziter Hinweis auf das Verwenden von Kondomen integriert werden. Diese Political-Correctness-Kultur in Deutschland kann auch ganz schön nerven.
Neben dieser Diskussion beschäftigte mich eine harsche Rezension auf Amazon, dem mit Abstand wichtigsten Markt für E-Books. Viele Leser kaufen aufgrund von Rezensionen, und da kann eine schlechte Kritik ein echter Killer sein. Gott sei Dank kamen im Laufe der Zeit weitere Leserbewertungen hinzu, die das Buch durchaus positiv beschrieben und auch den ironischen Humor kapiert hatten. Mein Learning: Die Kritiker melden sich lautstark, gerne auch anonym via Soziale Medien, die Leute, die das Buch witzig und lesenswert fanden, schreiben eher persönliche Mails. Und: Auch bei Männern kommt die wenig zimperliche Lektüre gut an.
Währenddessen schmiedete der Verlag diverse Marketingpläne. Doch wir hatten nicht mit der strengen Moral der US-Unternehmen Amazon und Facebook gerechnet. Was auch immer wir vorschlugen, es wurde abgelehnt. Schließlich benutzten wir einen Trick, um das Buch über einen befreundeten Kooperationspartner zu bewerben. Und schwupps, schoss "Pussy Diary" Ende Juli in der Erotiksparte auf Platz 25. Wow, das war natürlich ein Hammertag und zeigt eben auch, dass Werbung wirkt.
Allerdings verlor das Buch nach dieser Maßnahme wieder an Fahrt, da wir keine andere Maßnahme so schnell nachschießen konnten. Bei der Schwemme an E-Books, die täglich auf den Markt kommen, braucht es schon auch verdammt viel Glück, um durch ein solches Dickicht zu dringen. Und noch wussten viele Leser, die wir im Auge hatten, noch gar nichts von der Existenz des Buches. Denn ich musste auch lernen, dass die meisten Journalisten ungern E-Books lesen und Links zum Downloaden von solchen Büchern eher wenig öffnen.
Inzwischen saß ich bereits an der Finalisierung der ersten Fassung des zweiten Buches in einer Wohnung einer Freundin an der Ostsee. Danach schickte ich es sofort an den Verlag. Einen Gang runterschalten konnte ich dennoch nicht. Ich brauchte neue Inhalte für den Suzette-Blog und die Facebook-Seite und so besann ich mich auf die immer wieder beliebten Listen und erdachte ein Ranking von internationalen Top-Lovern, das – zum Erstaunen quasi aller – von den Schweizern und Österreichern angeführt wurde.
Während ich tagsüber meinen Beratungsjob nachging, legte ich für das Buchprojekt regelmäßig zweite Schichten zu Hause ein. Der Champagner lag nach wie vor ungeöffnet im Kühlschrank. Dann erschienen die ersten Interviews und der Buzz auf Facebook hielt Tage an. Doch viele Likes für das Buch bedeuten noch lange nicht, dass auch alle kaufen. Insofern musste ich mir Gedanken zur zweiten Stufe für die PR-Arbeit machen. Helfen wird mir dabei sicher die Entscheidung des Verlags, das Buch zur Buchmesse als gedruckte Version zur Verfügung zu stellen. Zwar zunächst als Print-on-demand-Version, aber immerhin. Denn ich muss ehrlich zugeben, dass ich unterschätzt hatte, wie stark in Deutschland noch das Leseverhalten an "echte" Bücher gekoppelt ist, obwohl gerade Erotik ein typisches Genre für E-Books ist.
Abgesehen davon vollzieht sich gerade ein großer Wandel im Verlagsgeschäft. Immer mehr Verlage werden dazu übergehen, besonders Erstautoren im ersten Schritt als E-Book zu veröffentlichen, dann im zweiten Schritt als Print-on-demand-Produkt und bei entsprechendem Erfolg auf diesem Sektor hat man dann vielleicht irgendwann mal die Chance, in höherer Auflage gedruckt zu werden. Mehrere Verlage in Deutschland stellen derzeit auf einen solchen Prozess um. Der Vorteil für die Verlage liegt auf der Hand: keine oder minimale Vorschüsse für Autoren, keine teure Lagerhaltung von Büchern, die hinterher keiner kauft, Verringerung der Druckkosten. Allerdings muss man sich als Autor dann auch klar fragen, warum man künftig überhaupt noch bei einem Verlag publizieren soll. Zur Veröffentlichung von E-Books und Print-on-demand-Lösungen gibt es exzellente Provider. Einige bieten sogar Marketingpakete, falls man das eben nicht selbst kann.
Das Buch ist jetzt seit gut einem Monat auf dem Markt und hat in der Zeit ein paar Hundert Downloads generiert. Allerdings habe ich mir abgewöhnt, ständig nach den Zahlen zu fragen. Ein Buchprojekt ist nämlich wie ein Marathonlauf. Ob es ein Erfolg oder Misserfolg wird, lässt sich jetzt noch gar nicht sagen. Entscheidend wird sein, ob mehr potenzielle Leser auch über andere Medien als bisher vom Buch erfahren, ob es per Mundpropaganda weiterempfohlen wird und wir noch mal eine Möglichkeit finden, es per Marketingmaßnahme zu pushen.
Ich habe derweil ein – positives – Feedback vom Verlag auf das zweite Buch bekommen. Aber natürlich gibt es hier Wünsche zur Überarbeitung. Die nächsten Wochenenden und eine Woche Sylt müssen allerdings reichen, um es noch besser zu machen. Denn ich werde weiter Jobs machen, um mich zu finanzieren. Und obwohl das Jahr sauanstrengend ist und ich mittlerweile beinah um 21 Uhr todmüde ins Bett falle, den Druck permanent im Nacken spüre, möchte ich nichts von dieser Erfahrung missen. Meine Lernkurve durch das Buchprojekt ist enorm. Auch was Fragen von Buchmarketing angeht. Mit dem gedruckten Buch und der Buchmesse geht "Pussy Diary" in die entscheidende Runde. Und gerade flatterte die Einladung eines großen Frauenmagazins ins Haus, das mich für eine Diskussionsrunde zu einer Sexstudie eingeladen hat. Das Abenteuer Erotikautorin ist also noch längst nicht zu Ende.
Bisher erschienen:
Folge 1: Wie wird man eigentlich Erotik-Autorin?
Folge 2: Ich brauche eine Agentur
Folge 3: Von zähen Verhandlungen, harter Arbeit und großen Möpsen
Folge 4: Auch Sex braucht Content