
Social-Media-Auswertung:
So ticken Twitter-Nutzer als Werbezielgruppe
Eine europaweite Nutzungsstudie von Kantar Media attestiert den Twitterern große Neugier, Meinungsstärke und weniger Selbstdarstellung.

Foto: Twitter (Porträt) / Loic Venance/AFP/Getty Images
Knapp zwei Drittel der deutschen Twitter-Nutzer (65 Prozent) lieben es, ihre Meinung zu favorisierten Themen zu äußern. Damit liegen sie deutlich über dem Durchschnitt aller Internetnutzer (52 Prozent). Denn: Auf Twitter gehe es weniger um die Selbstdarstellung als um das Entdecken und Verbreiten von Neuem.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung, die Kantar Media für den Kurznachrichtendienst unter mehr als 10.000 Onlinern in Europa durchgeführt hat; davon waren knapp die Hälfte Nutzer von Twitter; rund 1500 Internetnutzer in Deutschland, davon 545 Twitterer.
Bei der Analyse wurde die Stichprobe der Twitter-Nutzer mit der Gesamtheit der Onliner verglichen. So würde beispielsweise jeder zweite deutsche Twitterer von Freunden und Familie regelmäßig um Rat gefragt, wenn eine Kaufentscheidung ansteht, unter allen Internetnutzern seien es 37 Prozent.
Twitterer teilen gern Ansichten zu Marken
Vor allem um die Eignung von Twitter als Werbeumfeld für Marken- und Produktwerbung geht es bei der Auswertung. Denn die Twitter-Gemeinde bestehe aus "einflussreichen Nutzern", die sich hier gut erreichen ließen. So teilen der Studie zufolge 59 Prozent der Nutzer regelmäßig ihre Einschätzung zu Produkten und Marken, 74 Prozent verfolgen aktiv die Meinungen anderer Nutzer dazu.
Deutsche Twitter-Nutzer auf der Suche nach Neuem entdecken laut Analyse eher neue Dinge als der Durchschnitt (65 Prozent vs. 59 Prozent), seien aufgeschlossener für Neues (70 Prozent vs. 62 Prozent) und probierten neue Dinge gern als Erste aus (45 Prozent vs. 28 Prozent). "Für Marken ergeben sich daraus ideale Voraussetzungen, Konsumenten stets im Moment höchster Aufmerksamkeit zu erreichen", formulieren die Studienautoren.
Jolanta Baboulidis, Geschäftsführerin von Twitter in Deutschland: "Während die Nutzer vieler anderer Plattformen eher sagen: 'Schau mich an', sagen die Nutzer von Twitter ganz klar: 'Schau dir das hier mal an'. Das macht Twitter einzigartig. Menschen, die Twitter nutzen, sind aufgeschlossen und neugierig. Sie möchten Neues entdecken und dies mit der Gemeinschaft teilen und diskutieren. Das macht sie so wertvoll als Werbezielgruppe."
Kaufkräftige Multiplikatoren
Bei ihrem Amtsantritt im März hatte die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), im Interview mit der Welt halb im Schwezr gesagt, auf Twitter seien "ohnehin nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs". Und dass Twitter "auch nicht der Hort der Innovation in Deutschland" sei (dort waren ihre Aussagen zu Flugtaxis mit Häme quittiert worden).
Die Analyse von Twitter und Kantar Media zeichnet ein anderes Bild der Twitterer als gebildet, einkommensstark und markenbewusst (was Politiker, Journalisten und Psychopathen nicht ausschließt). Damit seien die deutschen Twitter-Nutzer eine besonders attraktive Zielgruppe für die Markenkommunikation. Laut Kantar Media und Twitter verfügen 28 Prozent von ihnen über ein monatliches Haushaltseinkommen von mehr als 3000 Euro (Internetnutzer: 23 Prozent). 37 Prozent haben einen akademischen Abschluss (Internetnutzer: 27 Prozent).
Für qualitativ hochwertige Produkte (54 Prozent, Internetnutzer: 49 Prozent) seien sie bereit, mehr zu bezahlen. Erst recht, wenn das Produkt von einer bevorzugten Marke stammt (49 Prozent vs. 41 Prozent). Habe eine Marke das Vertrauen der Twitter-Nutzer gewonnen, zeigen diese sich loyal und nehmen häufiger an Treueprogrammen teil (41 Prozent vs. 33 Prozent).
Ein Problem bleibt, dass sich via Twitter Unwahrheiten schneller verbreiten als korrekte Meldungen; Twitter reagierte darauf zuletzt unter anderem damit, gegen falsche Profile stärker durchzugreifen. Andererseits hat der Kurznachrichtendienst davon profitiert, dass Facebook in diesem Jahr seinerseits Probleme mit Fake Accounts und Fake News, Updates und Datenschutzskandalen hatte.
Einer PwC-Befragung im Sommer zufolge erwarteten nur 27 Prozent der Bundesbürger, auf Social-Plattformen wahrheitsgemäße Meldungen zu finden (Zeitungen: 56 Prozent). 39 Prozent schenken Facebook heute weniger Vertrauen als noch vor zwei Jahren. Bei Twitter sind es 31 Prozent weniger, bei YouTube 29 Prozent.
Im Frühjahr meldete Twitter schwarze Zahlen (61 Mio. Dollar Gewinn) - dank steigender Nutzerzahlen und Werbeerlöse. Für das dritte Quartal 2018 meldete das Unternehmen 326 Millionen aktive Nutzer weltweit, Facebook 2,27 Milliarden.