Simon Staib über Influencer Marketing:
Warum Influencer nicht gerettet werden müssen
Wenn Influencer Marketing nicht funktioniert, liegt das nicht unbedingt an den Influencern. Simon Staib von Blogfoster fordert von Marken und Agenturen mehr Professionalität.
"Rettet das Influencer Marketing" ist gerade das Thema vieler Diskussionen in Facebook-Gruppen und Artikeln. Dabei wird verkannt, dass gar keine Rettung nötig ist. Vielmehr wäre ein Eingeständnis nötig, dass es nämlich in der jüngsten und am schnellsten wachsenden Disziplin des Online-Marketings verpasst wurde, Marktstandards, Regeln und Werte festzulegen. "Die peinlichste Instagram-Kampagne des Jahres", ist der perfekte Anlass, um damit nun endlich anzufangen. Denn die fürchterlich schief gegangene Markenkampagne von Coral unter dem Hashtag #coralliebtdeinekleidung zeigt sehr deutlich, woran es hakt beim Influencer Marketing.
Mitverantwortung von Agenturen und Brands
Natürlich wurde #coralliebtdeinekleidung schnell zum Gespött im Netz. Diese Häme ist nur die aktuelle Spitze einer Entwicklung, denn "Influencer-Bashing" ist schwer angesagt: Carolin Kebekus, die über Youtuber ("Nix drin") herzieht, aufgedeckte Fake-Accounts, "Infaulenzer", die nicht kennzeichnen, und vieles mehr. Was jedoch in der aktuellen Diskussion zu wenig beachtet wird, ist die Tatsache, dass die werbetreibende Industrie und die Agenturen für viele verunglückte Kampagnen und die Entwicklung — auch in Sachen Fake-Instagramer — mitverantwortlich sind. Die aktuelle Coral-Kampagne ist dafür das beste Beispiel: Es glaubt doch wohl keiner ernsthaft, dass alle teilnehmenden Blogger und Influencer von selbst auf die gleiche Idee kommen, sich und die Waschmittelflasche so offensichtlich und peinlich zu inszenieren. Letztlich setzt der Influencer die Kampagne nach den Wünschen von Agentur beziehungsweise Brand um. In vielen Fällen sind da im Umgang mit Influencern unerfahrene Agenturen am Werk. Klar, dass dann eine Kampagne daraus entsteht, mit der keiner zufrieden sein kann: Nicht der Influencer, nicht das werbetreibende Unternehmen, nicht die Agentur und natürlich auch nicht die Follower.
Fake-Account-Problematik Ergebnis falscher KPIs
Ganz gut in diese Thematik passt auch die Diskussion um die Fake-Accounts: Solange die werbetreibende Industrie, die altbekannten Metriken wie die Brutto-Reichweite und eine einfach gestrickte Messung der Engagement-Rate für die Preissetzung von Posts ansetzt, wird auch das Problem der Fake-Accounts weiter existieren. Natürlich heiße ich Fake-Accounts nicht gut und habe auch kein Verständnis dafür, denn es ist Betrug. Allerdings ist die Absicht des Influencers klar: Er will einfach und schnell seinen Preis pro Posting hochschrauben.Und die Werbetreibendenden machen es ihnen auch leicht: Diese misst Influencer Marketing an KPIs, die völlig irrelevant sind für erfolgreiches Influencer Marketing sind — es liegt also in der Verantwortung der Werbeindustrie dies zu ändern.
Die Werbeindustrie muss professioneller werden im Umgang mit Influencern
Natürlich muss im Influencer Marketing vieles optimiert werden, allerdings kann man dies nicht alleine den Influencern aufbürden. Ein erster wichtiger Schritt wäre, Influencer Marketing nicht als eine Art Add-On an einer Marketing-Strategie zu betrachten, sondern als elementaren und zentralen Bestandteil für einen zeitgemäßen Online-Marketing-Mix.
Wenn es heißt, "Rettet das Influencer Marketing" muss die Frage lauten: Wie viel Initiative muss da vom Influencer ausgehen? Und wie stark muss die Professionalisierung aus der Ecke kommen, in der die Budgets, die Ideen und die Kreationen verortet sind?
In den meisten Fällen gehen Brands und Agenturen auf Influencer zu und platzieren dann mit viel Unwissen und wenig Erfahrung Kampagnen. Hier sollte die Professionalisierung ansetzen, mit profunder Beratung und einer strategischen Kampagnenplanung. Dann retten wir nicht das Influencer Marketing, sondern bauen es zu einem wirklich skalierbaren, nachhaltigen und möglicherweise zum wichtigsten Online-Marketing-Kanal der nächsten Jahrzehnte aus.
Der Autor: Simon Staib ist Gründer & CPO von Blogfoster. Zuvor war er Geschäftsführer von Stilanzeigen.net. Simon hat Interface Design an der Fachhochschule Potsdam studiert und gründete während seiner Schulzeit mit Netzpulsen sein erstes Unternehmen. Wenn es nach ihm geht, wird "im Jahr 2020 jeder mit seinen sozialen Interaktionen Geld verdienen".
Wer sich über das Thema Influencer Marketing mit uns und anderen Branchenköpfen austauschen will, kann das über die W&V Facebook-Gruppe "Rettet das Influencer Marketing" tun (#echtjetzt).