Diese Mechanismen scheinen mittlerweile nicht mehr zu gelten. Denn derzeit wird einfach alles geblockt, was mit Keywords rund um Corona oder COVID-19 zu tun hat. Dabei gilt, eine unausgereifte Brand-Safety-Strategie, die in erster Linie auf hartes Blocken von Keywords setzt, ist nie ratsam – und jetzt erst recht nicht.       

Denn beim Blick auf die aktuelle Situation sehen wir – eigentlich – mehr Chancen als Risiken. Derzeit nutzen mehr Menschen das Internet und konsumieren digitale Inhalte. Laut der New York Times verzeichnen qualitativ hochwertige Nachrichten-Websites einen enormen Anstieg der Leserschaft, wobei die Gesamtzahl der Besuche um 57 Prozent und die verbrachten Minuten um 46 Prozent gestiegen sind. Betreiben Advertiser allerdings ein Blacklisting nach dem Gießkannenprinzip, verschenken sie ein riesiges Potenzial, Reichweite und schließen eine Vielzahl hochinteressanter Zielgruppen aus.

Die passende Brand-Safety-Strategie

Studien zeigen, dass Anzeigen in "harten" redaktionellen Umfeldern (professionell recherchierte Inhalte zu aktuellen Themen) besser performen als in "weichen" (Unterhaltungsthemen). Die Erklärung dazu lautet, dass das Gehirn beim Leser harter News aktiver beteiligt ist und deswegen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Schlüsselbotschaften im Gedächtnis bleiben. Noch ein Grund mehr, aktuell relevante Themen(-umfelder) nicht komplett zu meiden.

Gemeinsam mit den beteiligten Dienstleistern können Werbungtreibende eine passende Brand-Safety-Strategie entwickeln, die im Rahmen eines mehrstufigen Prozesses Markensicherheit gewährt und gleichzeitig keinen Verlust für die Reichweite bedeutet. Das passende Umfeld lässt sich durch die Zusammenarbeit mit Premium-Publishern schon relativ gut bestimmen. Im Premium-Umfeld ist beispielsweise auch sichergestellt, dass die eigene Anzeige nicht im Kontext von User-Generated-Content, und damit womöglich von Fake News, erscheint.

Für die bestmögliche Strategie sollten alle Beteiligten jedoch immer auch mit weiteren Maßnahmen und Standards zur Qualitätssicherung arbeiten. Bestimmte Themen wie Kriminalität, Gewalt, Drogen, Terrorismus, Hassrede und anderen Obszönitäten gilt es standardmäßig zu filtern. Zusätzlich ist eine individuelle Keyword-Liste ratsam, die ganz auf die Marke ausgerichtet ist. Das alleinige Blockieren von Schlüsselwörtern ist allerdings ein eher stumpfes Werkzeug, das den Zusammenhang nicht berücksichtigt und konsequent Content ausschließt. Deswegen ist der Einsatz von Algorithmen, die den Kontext nicht nur auslesen, sondern darüber hinaus bewerten, wichtig. Regelmäßiges Monitoring der Kampagnen unterstützt die erarbeitete Strategie zusätzlich.

In einer Analyse der Traffic-Ströme fand Teads heraus, dass der Konsum von Gesundheitsthemen im März um 37 Prozent stieg. Wie eingangs erklärt, sind Qualitätsjournalismus und seriöse Berichterstattung wichtiger denn je, deswegen sollte "Corona" als Keyword nicht gänzlich blockiert werden, sondern nur Artikel, die in diesem Zusammenhang negativ bewertet werden.

Ein solches Vorgehen gilt natürlich auch für Themen abseits der aktuellen COVID-19-Thematik. Mit dem grundsätzlichen Ausschließen von Keywords werden Nutzer nämlich nicht nur ausgegrenzt, sondern sogar diskriminiert. Ein Beispiel: Blocken Advertiser "lesbisch", so schließen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit große Teile ihrer Zielgruppen aus dem Targeting aus, wie Menschen der LGBTQ-Community. Das ist zum einen Diskriminierung. Zum anderen verschenktes (Umsatz-)Potenzial. Noch ein Beispiel: Das Wort "Sex". Nur weil jener Begriff in einem Artikel fällt, heißt das noch lange nicht, dass Text oder Umfeld unangemessenen sind. Die Bewertung des Kontextes ist entscheidend.

Neben den beschriebenen Maßnahmen ist außerdem wichtig, Brand Safety und die Erarbeitung einer passenden Strategie nicht als Prozess zu sehen, der einmal aufgesetzt wird und dann so fortbesteht, sondern es diesen laufend zu bewerten und optimieren gilt. Wenn Brands zu viele Inhalte aufgrund von zu allgemeinen Keywords oder zu weit gefassten Phrasen blockieren, geht das auch zulasten der Publisher. Deren Monetarisierungsbasis schrumpft, was sich wiederum auf das gesamte Media-Ökosystem niederschlägt. Große Verlagshäuser mögen das eine Zeit lang kompensieren können, für kleinere Publisher aber bedeutet das, dass sie weniger Inhalte produzieren und kleinere Reichweiten erzielen. Die Konsequenz: Das Media-Ökosystem gerät aus dem Gleichgewicht und freier Qualitätsjournalismus wird gefährdet.


Zum Autor: Nicolas Poppitz verantwortet als Managing Director Germany das operative Geschäft vom Teads in Deutschland. Zu seinen Aufgaben zählt es unter anderem, Lösungen zu schaffen, mit denen Kunden ihre Videos noch zielgerichteter an Audience und Kampagnenziel ausrichten können. Im Fokus stehen hierbei die Etablierung von interaktiven Videos und des VPAID-Standards. 

Der Digital-Profi Poppitz war zuvor lange Zeit in Führungsverantwortung bei United Internet Media. Seine Aufgaben dort umfassten neben der gesamtverantwortlichen Leitung der Niederlassungen Hamburg und Düsseldorf auch die Betreuung fast aller Top-Mediaagenturen in Deutschland.


Autor: W&V Gastautor:in

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