Perfide ist im Marketing eine ungewöhnliche Kategorie und ein hartes Urteil. Glaubst du, dass die Bundeswehr grundsätzlich anders und deutlich zurückhaltender werben muss als andere Organisationen?

Die Bundeswehr hat einen klaren politischen Auftrag. An dem muss sie ihre Kommunikation ausrichten. Die Bundeswehr ist eben kein Unternehmen wie jedes andere, sondern Garant unserer Freiheit. Es ist daher völlig unangemessen, die Veranstalter einer Konferenz, die es genau wegen dieser Freiheit gibt, anzugreifen.

Die Bundeswehr ist immer Goliath, nie David. Das scheinen die Verantwortlichen nicht kapiert zu haben. Abgesehen davon halte ich die Entscheidung der Re Publica keine Soldatinnen und Soldaten in Uniform, konkret im Dienstanzug, auf das Gelände zu lassen, für falsch. Vor zwei Jahren war das noch problemlos möglich. Das Publikum ist da vermutlich gedanklich weiter als die Macherinnen und Macher.

Mir ist auch nicht klar, was das Ziel dieser Aktion sein sollte. Was wissen wir, im Sinne des Auftrags der Bundeswehr, durch diese Aktion besser? Die, die die Bundeswehr schon immer doof fanden, tun das weiterhin. Die, die sie toll fanden, tun das immer noch. Aber viele, die ihr kritisch-freundschaftlich verbunden sind, finden die Nummer ziemlich fragwürdig.

Nach dem Eklat vor Ort kam die Aufregung im Netz. Wie schätzt du das Social-Media-Management der Bundeswehr ein? Wurde da eher befeuert oder deeskaliert?

Das Statement ist eindeutig. Es sagt: "Die Re Publica hat uns provoziert." Das ist ein impliziter Appell an die Fans. Das weiß jeder, der sich auch nur ein Stück weit mit den Dynamiken auf dieser Plattform befasst hat. Außerdem entspricht das Statement nicht der Wahrheit. Die Bundeswehr war im vergangenen Jahr tatsächlich zu spät. Und sie hätte in diesem Jahr an der Re Publica teilnehmen können - als Diskussionsgast zu einem für alle relevanten Thema.

Es ist einfach lächerlich für eine Institution, die von einer breiten Mehrheit in unserer Gesellschaft und vor allem dem Parlament getragen wird, sich als Opfer einer aus der Berliner Boheme hervorgegangenen Konferenz darzustellen. Das alles muss den Verantwortlichen für die Social Media-Kanäle bewusst gewesen sein, denn sonst hätten sie ihren Job verfehlt. Und das Kalkül ging auf: Die Facebook-Seite der Re Publica wird massiv downgevotet, in den Kommentaren leben die üblichen Spinner ihre Gewaltphantasien aus.

Das hatten wir zuletzt in der Auseinandersetzung rund um Tichy, bei der Scholz & Friends massiv attackiert wurde. Die Bundeswehr-Padawane sollten ihre Kräfte weiser nutzen.

Die Bundeswehr war nicht die einzige Organisation, die starke Emotionen ausgelöst hat. Nach meinem Eindruck bildete sich auch auf Seiten der Re Publica sofort eine Art Wagenburg mit über Jahre hinweg entwickelten Argumentationsmustern: Die da draußen, wir hier drinnen. Mich hat das an den Blog-Text erinnert, den Christian Jakubetz am Tag zuvor veröffentlicht hatte. Dort vergleicht er die Re Publica mit einem CSU-Parteitag und wünscht sich mehr Offenheit, mehr Gelassenheit und weniger Filterblase. Ist die Re Publica abgehoben?

Mit dem Begriff der Filterblase kann ich wenig anfangen. Was soll das sein? Ich habe die Re Publica als strukturell extrem offen erlebt. Bei den Panels, die ich mit Thomas Wiegold organisiert habe und die sich um Themen wie Krieg und Terrorismus drehten, hatten wir teilweise bis zu 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Ja, es gibt einen inneren Kreis bei der Re Publica. Und ja, der hat eine Agenda. Die liegt aber offen, und du brauchst ihn, um eine solche Veranstaltung aus dem Nichts ins Leben zu rufen. Heißt das, dass die Re Publica keine Fehler macht? Nein. Ich finde die Zusammenarbeit mit Konzernen bei gleichzeitigen Ausschluss der Bundeswehr falsch. Auch die Kooperation mit der Media Convention hat dem Format meines Erachtens nicht gut getan.

Trotzdem: Du findest in ganz Deutschland kein anderes zivilgesellschaftliches Event, das ein derartiges Spektrum von Themen abdeckt.