2. Hinterfragen Sie Prozesse und denken Sie neu, bevor Sie digitalisieren

Mittelständler müssen sich fragen, wie sie durch Digitalisierung auf der einen Seite ihren Kunden ein besseres Erlebnis beim Kauf ihrer Produkte und Dienstleistungen bieten oder den Service erleichtern können. Auf der anderen Seite geht es darum, mit welchen neuen digitalen Möglichkeiten Produktionsprozesse oder Leistungserbringung effizienter oder sicherer abgebildet werden können. Konsequente Digitalisierung bedeutet, die Chance zu ergreifen, Prozesse und Services neu zu denken – und nicht alte, suboptimale Prozesse zu digitalisieren. 

Dass dabei der Kunde (inklusive seiner Daten und Interaktionen) im Zentrum aller Aktivitäten sein sollte, ist nicht neu, sondern schon immer die Basis erfolgreicher Unternehmen. Gleichzeitig liegt der Fokus auf den eigenen Mitarbeitern: Dank innovativer Technologie können sie von Routineaufgaben entlastet und damit die Produktivität gesteigert werden. Mit der Folge, dass mehr Raum für Wissensvermittlung entsteht und neue Ideen geschaffen werden können.

3.  Finden Sie das richtige Vorgehensmodell und stellen Sie eine Roadmap auf

Steht man als Mittelständler in seinen Digitalisierungsüberlegungen am Anfang, sollte man nicht versuchen, überall gleichzeitig anzufangen. Sondern da, wo sich am schnellsten Ergebnisse erzielen lassen und aus Fehlschlägen gelernt werden kann, ohne das eigene Geschäftsmodell zu gefährden. Die große Herausforderung ist ein gutes Roadmapping und das Loslassen vermeintlicher Wahrheiten ("das machen wir schon immer so"). Wichtig dabei zu wissen: Nichts ist für die Ewigkeit.

Die digitale Transformation muss als fortlaufende Iteration begriffen werden. Denn die technologische Entwicklung schreitet exponentiell voran. Es ist unmöglich, heute Entscheidungen für die nächsten drei bis fünf Jahre zu treffen, von denen man sicher sein kann, dass sie Bestand haben werden. Darauf sollte man sich von vornherein einstellen und regelmäßige Interationszyklen in kurzen Abständen einplanen.

4.  Seien Sie technisch offen und machen Sie einfach mal

Im Alleingang die Komplexität eines digitalen Ökosystems zu bewältigen und sein Potenzial voll auszuschöpfen, ist fast unmöglich. Unternehmen sollten sich also inhaltlich und technologisch öffnen – für neue Partner und Allianzen. Das fällt gerade Unternehmen, deren heutige Stärke auf Spezialwissen oder gut gehüteten Geschäftsgeheimnissen beruht, womöglich schwer. Dass eine Öffnung den entscheidenden Wettbewerbsvorteil liefern kann, zeigen Beispiele wie Amazon mit dem Alexa Skills-Kit: Es stellt Entwicklern offene Schnittstellen frei zur Verfügung und ist so erst in der Lage, den Amazon Echo-Kunden eine ständig wachsende Zahl an Funktionen und Verbindungen zu anderen Applikationen zu bieten. Hätte Amazon versucht, diese alle selbst zu entwickeln, wäre der Aufwand nicht leistbar gewesen.

Für mittelständische Unternehmen ist daher empfehlenswert, insbesondere in der Planung Technologie-agnostisch zu sein, sich also beispielsweise nicht sofort auf eine große Softwarelösung festzulegen, die anschließend bei der Umsetzung einschränkt. Zusätzlich lohnt es sich, kontinuierlich technische Trends in kleineren Innovationsprojekten zu beleuchten und sich beispielsweise an Virtual Reality, Blockchain oder Robotic Process-Automation auszuprobieren. Oder den Einsatz solcher Technologien in anderen Branchen zu beobachten. Auch wenn ein Trend heute noch irrelevant für das eigene Geschäftsmodell erscheint, können sich über erste Tests Einsatzmöglichkeiten eröffnen, die später zum Wettbewerbsvorteil werden.

5. Denken und handeln Sie strikt menschenzentrisch

Im Zentrum der Digitalstrategie ist und bleibt der Mensch. Entsprechend muss jedes Projekt gemeinsam mit den entsprechenden Endnutzern entworfen und von eben diesen frühzeitig wie regelmäßig validiert werden – beispielsweise mithilfe von Design Thinking-Methoden. Ein besonderes Augenmerk sollte daher auf der Customer Journey, der User Experience und dem Interaktionsdesign liegen.

Letztlich werden diejenigen Unternehmen als Gewinner aus der digitalen Transformation hervorgehen, die für sich klar und frühzeitig erkannt haben, an welcher Stelle ihnen die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen in Bezug auf Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterproduktivität und Erschließung neuer Marktpotentiale wirklich einen Nutzen bringt – und dann konsequent in die Exekution gehen. Der Hang zum umsichtigen und vorab validierten Handeln hilft dabei mitunter mehr als Aktionismus. Wenn der Mittelstand dies berücksichtigt, steht einer erfolgreichen Digitalisierung nichts mehr im Wege.

Julia Saswito ist Geschäftsführerin und Partnerin bei Triplesense Reply und leitet die 1999 gegründete, digitale Fullservice-Agentur gemeinsam mit Peter Krause. Die Diplom-Betriebswirtin mit den Schwerpunkten Marketing-, Informations- und Kommunikationstechnologie führt die Bereiche strategische Beratung und Operations. Ihre Top-Themen sind Customer Experience, digitale Geschäftsmodelle und insbesondere E-Commerce.

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Lena Herrmann
Autor: Lena Herrmann

hat bei der W&V ihr journalistisches Handwerkszeug gelernt und dort viele Jahre lang hauptsächlich markenstrategische Themen verantwortet, bevor sie sich als freiberufliche Journalistin und Podcast-Redakteurin selbstständig gemacht hat. Zudem hat sie die Podcast-Formate der W&V maßgeblich entwickelt und betreut. Sie ist Podcast-Host und steht regelmäßig als Moderatorin auf der Bühne.


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