Ja und Nein. Einerseits beginnen alle Player in diesem Markt, seien es werbetreibende Unternehmen, Agenturen oder Produktionsfirmen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir bei Picsters.tv haben uns sehr früh mit Green Production auseinandergesetzt und müssen die Auftraggeber gut informieren und mit den richtigen Argumenten Überzeugungsarbeit leisten. Gute Use-Cases helfen dabei, ebenso wie die Kommunikation über neue, nachhaltige Produktionsmethoden. Laut GWA Green Monitor-Umfrage setzt aktuell ein Drittel der Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen voraus, dass diese nachhaltig agieren. Diese werden die Anforderungen an ihre Lieferketten weitergeben, etwa an eine Produktionsfirma für Werbespots wie uns.

Und andererseits?

Da schaut die Realität noch etwas anders aus. Ein Breakpoint sind die schätzungsweise drei Prozent Mehrkosten, die hier circa entstehen, etwa für den Einsatz eines Green Consultant. Der Kostendruck ist ohnehin hoch in der Branche. Wenn hier nun in der Produktion einzelner Werbemittel noch Mehrkosten hinzukommen, müssen diese gut argumentiert werden. Es geht vor allem um das Verständnis darüber, was man bekommt, wenn man sich für eine grüne Produktion entscheidet.

Gibt es denn schon Markenverantwortliche, die sich ihrem Kampagnenabdruck bewusst sind und gezielt nach Dienstleistern schauen, die ihnen eine grüne Produktion bieten können

Ja, die gibt es und sie profitieren von ihrem Engagement. Denn am Ende haben sie einen Mehrwert, nämlich eine CO₂-Bilanz und einen Report, der aufzeigt, wie viel Tonnen CO₂ bei der Produktion entstanden und bestenfalls durch konkrete Maßnahmen wie der Reduzierung von Reisen eingespart wurden. Dieser Report kann für die Berichterstattung genutzt werden, die in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen liefern müssen. Spätestens zu Beginn des kommenden Jahres wird mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie (CSRD) ein Umdenken auf Kunden-, Agentur- und Produktionsseite nötig – durch die in Stufen vorgesehene Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie dem bekannten Klimaschutz- und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder aufgrund der EU-Taxonomie, einem Regelwerk zur Definition von Nachhaltigkeit.

Was sind im Produktionsgeschäft denn überhaupt die umweltschädlichsten Faktoren?

Klar ist: Werbefilmproduktionen verursachen in herkömmlicher Weise grundsätzlich viel CO₂! In allen Departments werden über kurze Zeiträume große Mengen an Treibhausgasen ausgestoßen. Durchschnittlich 2,8 Tonnen CO₂e pro Drehtag. Das kann schnell mehr werden, reist man zum Beispiel an weit entfernte Drehorte oder filmt an vielen unterschiedlichen Locations. Die größten Faktoren sind aber definitiv Reisen und Transport, Räumlichkeiten wie Büros, Studios, Sets, Postproduktionshäuser (Energie), Materialien (Set-Design) und Entsorgung (Müll).

Und andersherum gefragt: Was konkret macht Werbespots „grün“?

Komplett grün wird man einen Werbespot so schnell nicht bekommen. Man kann sich aber fragen, was kann man tun, damit sich etwas zum Positiven verändert. Was sind die Hebel für eine nachhaltigere Werbefilmproduktion? Die drei „Rs“ – Reduce, Reuse, Recycle bringen schon mal ganz gut auf den Punkt, worum es im Kern geht.

Relativ einfach ist heutzutage das Thema Energieverbrauch im Büro oder auch in Studios zu handhaben, hier kann man einen Anbieter aussuchen, der ausschließlich einen Stromvertrag mit 100-Prozent erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind und Wasser anbietet. Zugleich können Produktionspartner und Dienstleister danach ausgewählt werden, wie nachhaltig sie sind, etwa ob sie nachhaltige Produkte anbieten, beispielsweise fleischfreies Catering, alternative Generatoren, E-Autos, öko-zertifizierte Hotels und vieles mehr.

Wichtig ist, am Anfang einer Produktion stets ein sogenanntes Green Screening durchzuführen. Damit kann man gut herausfinden, was bei einer konkreten Produktion leichter oder schwieriger umzustellen ist. 

Empfiehlt es sich, einen Nachhaltigkeitsexperten an Bord zu holen?

Ja, einen Green Consultant hinzuzuziehen, ist immer ratsam. Alle Team- und Besetzungsmitglieder sollten von diesem informiert werden, dass nachhaltig produziert wird. Dazu gibt's bei unseren Produktionen ein Green Guide für jedes Teammitglied. Im Vorfeld werden mit jedem Gewerk geeignete Maßnahmen in einem sogenannten Green Screening besprochen und festgelegt. Oftmals lassen sich die Anzahl der Personen und Reisen reduzieren, Location-Besichtigungen gehen im ersten Schritt vielleicht auch mal remote oder mit einem kleinen Team. Auch Timings können gegebenenfalls so geändert werden, dass saisonales Drehen möglich wird, wenn möglich lokal in Deutschland.

Bei Film- und Serienproduktionen gibt es in Deutschland bereits Allianzen wie „Green Production“, die daran arbeiten, einheitliche Standards zu definieren, wie nachhaltiger produziert werden kann. Wie ist das bei den Werbespot-Produktionsfirmen? Gibt es hier vergleichbare Initiativen? Und wenn ja: Was machen diese ganz konkret?

Innerhalb des Verbandes der Werbefilmproduzenten beschäftigen wir uns schon länger mit dem Thema Green Production. Gemeinsam arbeiten wir daran, für die Werbewelt in Deutschland einheitliche Maßnahmen zu etablieren, auch im Schulterschluss mit Agenturen und Kunden. In diesem Jahr wurde bereits eine Regulatorik für Pitch-Ausschreibungen, Budgetierungen und die Umsetzung ökologischer Standards erarbeitet. Diese gilt es jetzt einzusetzen, damit immer mehr Beteiligte ins Machen kommen.   

Welche Argumente geben Sie Ihren Auftraggebern an die Hand, um etwaige höhere Kosten für nachhaltige Produktionen zu tragen? Und sind diese generell denn überhaupt teurer als klassische Produktionen?

Die Gesetzeslage ist doch eindeutig: Wir haben das Pariser Klimaabkommen, Deutschland will laut Klimaschutzgesetz bis 2030 schon 65 Prozent CO₂ einsparen und bis 2045 neutral werden. Hinzu kommen Richtlinien auf europäischer Ebene wird CSRD und Green Claims Initiative. Das heißt, wir brauchen irgendwann Ad Net Zero – das Bestreben der Werbebranche, die CO₂-Emissionen der Entwicklung, Produktion und Ausführung von Werbung auf echte Netto-Null zu reduzieren. Wenn man frühzeitig im Prozess die Chance bekommt, bestenfalls bei der Ideengenerierung und unter Einbezug von Strategie und Kreation, Maßnahmen für eine nachhaltigere Werbefilmproduktion zu ergreifen, können andererseits Kosten eingespart werden.

Ja, heute muss man noch etwas mehr Geld in die Hand nehmen, aber es wird auch Geld kosten, wenn Ziele verfehlt werden! Warten und nichts tun ist also definitiv keine Option. Außerdem sollte sich die gesamte Werbebranche ihres Impact bewusst werden, den sie auf Verbraucherinnen hat, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit. 

Abschlussfrage: Auf einer Skala von 1 – 10: Wo sehen Sie die Werbefilmbranche in Sachen nachhaltige Produktionen derzeit? Und was glauben Sie, wo sie in 5 Jahren sein wird?

Aktuell befinden wir uns bei 6 bis 7. Es ist leider noch kein Standard, grüne Werbespots zu produzieren. Die Gesetzeslage wird aber zunehmend alle Beteiligten dazu verpflichten, Emissionen einzusparen. Je besser wir nun unsere Werbedrehs messbar machen und lernen, wo wir Einsparpotentiale haben, sowie auf nachhaltige Produktionsmethoden wie beispielsweise Virtual Production im LED-Studio zurückgreifen, desto schneller kommen wir dahin, dass grünes Produzieren der neue Standard wird. In fünf Jahren sind wir hoffentlich bei einer 3 auf der Skala, da Auftraggeber sich an jede ihrer Lieferketten wenden werden und von ihnen fordern, dass sie ihre Umweltauswirkungen genau messen und zudem schnell erhebliche Reduzierungen vornehmen.


W&V Redaktion
Autor: W&V Redaktion

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Artikel mit "W&V-Redaktion" gekennzeichnet sind. Zum Beispiel, wenn mehrere Autor:innen daran mitgearbeitet haben oder wenn es sich um einen rein nachrichtlichen Text ohne zusätzliche Informationen handelt. Wie auch immer: Die redaktionellen Standards von W&V gelten für jeden einzelnen Artikel.