Über Relotius' Reportagen sagt Klusmann rückblickend: "Solche Geschichten gibt es wirklich nur im Märchen - oder in Hollywood." Sehr geschickt schneidet die Dokumentation die Reportagen von Relotius - aus dem Off von einen Sprecher vorgelesen - mit Bildmaterial der Orte, die er angeblich beschreibt, gegeneinander, um zu zeigen: Hier stimmen die einfachsten Dinge nicht.

Neben Klusmann kommt auch Juan Moreno zu Wort, Relotius' früherer Kollege, der den Betrug bezeichnenderweise durch hervorragende journalistische Recherche aufdeckte und sich lange an den "Spiegel"-Verantwortlichen, die das alles nicht wahrhaben wollten, die Zähne auszubeißen drohte.

"Das Bild war einfach zu schön. Und das bricht jetzt alles zusammen, weil dieser Scheiß-Spanier uns hier in die Suppe kackt", ist für den Fotografen Mirco Taliercio, der den Skandal mit Moreno aufdeckte, die Erklärung dafür, warum bei Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin, das "Sagen, was ist" zu seinem Wahlspruch erhoben hat, in Bezug auf Relotius lange niemand sehen wollte, was ist.

Eine Szene zeigt eine der vielen Preisverleihungen, bei denen Relotius in seiner kometenhaften Karriere geehrt wurde. Die Jury habe festgestellt, "dass es ja eigentlich Literatur ist. "Schreiben Sie das einfach so hin?" wird Relotius gefragt. Hiding in plain sight nennt man so etwas im Englischen (etwa: sich vor aller Augen verstecken).

Es habe von außen nie Hinweise gegeben, sagt Chefredakteur Klusmann.

Eine Aussage, die mit denen des kurdischen Kameramannes Syara Kareb kollidiert. Denn der gibt an, "Spiegel TV schon 2017 darüber informiert zu haben, dass Relotius einen Jungen in einem Gefängnis im Nordirak nie getroffen hatte. Relotius hatte über ihn die Reportage "Löwenkinder" geschrieben, nachdem der Junge gemeinsam mit seinem Bruder ein Selbstmordattentat geplant - und es dann, anders als sein Bruder, nicht verübt hatte.

Als Kareb diesen Jungen später für "Spiegel TV" interviewte, habe der angegeben, nie mit Relotius gesprochen zu haben. Sein entsprechender Hinweis an Hamburg sei aber offensichtlich nicht gehört worden, sagt Kareb - denn Relotius fälschte dort noch anderthalb Jahre weiter.

Der "Spiegel", um Ansehen und Image bemüht, hat den Skandal nach eigenen Angaben aufgearbeitet, eine Kommission dazu eingesetzt - auch mit internen Mitarbeitern und einen Abschlussbericht dazu veröffentlicht. In der Dokumentation kommt der Compliance-Experte Paul Milata zu Wort. Der meint, wie der "Spiegel" mit der Sache umgegangen sei, sei "weit entfernt von einem normalen Vorgehen". Das Magazin hätte demnach "deutlich mehr machen müssen".

Der Trailer zur Doku:

Britta Schultejans, dpa