Purpose-Marketing:
Wie Followfood nicht nur Marketer begeistert
Konsumenten sind (denk-)faul und kaufen Marken vor allem aus Gewohnheit. Was heißt das für Purpose-Marken wie Followfood? Sie brauchen weitere Zutaten für langfristigen Erfolg.
Um sich von der Konkurrenz abzuheben und die Gunst der Verbraucher zu gewinnen, bekennen sich immer mehr Unternehmen zu einem höheren Sinn und Zweck. Aus einem bestimmten Purpose heraus gegründete Marken und Start-ups sind deshalb besonders am Anfang im Vorteil, schafft dieser doch eine klare Positionierung und hilft, die ersten Mitarbeitenden und Kunden zu gewinnen. Gerade für junge Marken kann Purpose-Marketing ein wertvolles Instrument sein. Im besten Fall gelingt es sogar, einen neuen Teilmarkt zu schaffen.
Ein Purpose verändert nicht die Markt- und Marketingmechanismen
Aus einem Purpose-Gedanken heraus gegründete Marken wachsen meist beeindruckend schnell. Doch dann kommen erste Schwierigkeiten auf. Warum? Oftmals wird verkannt, dass es nur eine relativ kleine Gruppe an Menschen gibt, die eine Marke aus Überzeugung kaufen. Alle anderen Konsumenten kaufen Produkte eher aus Gewohnheit, Social Proof in ihrer Peer Group, wegen ihrer Bekanntheit und Vertrautheit oder schlicht aufgrund von Convenience und Verfügbarkeit. Und genau da greifen etablierte Marken mit ihrer Popularität und vorhandenen Distributionswegen an. Sie kopieren ein fortschrittliches Produkt und nehmen nicht einmal den Purpose auf. Und doch gewinnen sie Marktanteile.
Diese Mechaniken sind in vielen Branchen sichtbar: Tesla erfand einst eine neue Kategorie, profitierte einige Jahre als First Mover und wurde nun von Volkswagen als Marktführer abgelöst – einem Konzern, der spätestens seit dem Dieselgate nicht unbedingt für seine Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz bekannt ist. Das gleiche passiert mit Oatly auf dem Markt der alternativen Milchprodukte: Oatly war dort Vorreiter. Dann zogen die traditionellen Marken nach und Oatlys Aktienkurs brach um 90 Prozent ein, weil das Marktwachstum nicht mehr von Oatly generiert wurde, sondern von den anderen Marken – viele davon ohne den löblichen Umweltschutz-Purpose.
Das „Purpose-Umsatz-Dilemma“
Marken, die aus einem Purpose-Gedanken geboren wurden, müssen sich also Fragen stellen, die sich nach dem Verrat an der eigenen Überzeugung anfühlen: „Wollen wir, dass sich die Menschen für uns entscheiden, weil sie sich dem gleichen Purpose wie wir verschreiben? Oder ist es wichtiger, viele Menschen für uns zu gewinnen, denen unser Purpose im Zweifel egal ist? Schließlich tun diese Käufer trotzdem etwas Gutes.
Dem Purpose-Gedanken folgend sollte die Antwort klar sein: Besser handeln alle Konsumenten aus den falschen Gründen richtig, als dass sich nur zehn Prozent Überzeugungstäter für eine Marke entscheiden. Es gilt also für Purpose-Marken, nach einer bestimmten Zeit die breite Masse zu erreichen. Dies gelingt, indem Purpose-Marken im ersten Schritt verstehen, warum und aus welchen Bedürfnissen heraus Menschen in der gesamten Kategorie kaufen – auch über den eigenen Teilmarkt hinaus. Dafür braucht es eine Marktsegmentierung. In dieser Segmentierung sind auch die Barrieren für die neue Kategorie aufzudecken. Denn viele purpose-getriebenen Neuerungen werden häufig mit einem Verzicht oder etwas Negativem assoziiert.
Im zweiten Schritt sollte eine Purpose-Marke das „Andere”, also das „Nicht-Normale“, normalisieren und gleichzeitig die Bedürfnisse bedienen. Wie dies funktioniert, zeigt Volkswagen mit der ID Buzz-Kampagne – obgleich VW sicher keine Purpose Marke ist: Der ID Buzz wurde in Kooperation mit Star Wars-Schauspieler Ewan McGregor beworben. Natürlich wird da auch über die Zukunft gesprochen. Aber der Hauptteil des Spots dreht sich darum, was man mit dem ID Buzz alles machen kann, beispielsweise einen Campingausflug oder auf Musiktour gehen. Der Antrieb – und alles, was damit zusammenhängt – spielen dabei keine Rolle mehr.
Vor diesen Herausforderungen steht auch Followfood – eine Marke, bei der der Purpose Nachhaltigkeit tief verankert ist. Nehmen wir den Markt der Tiefkühlkost, speziell der Tiefkühlpizzen, in dem die Marke unter anderem agiert. Wenn Followfood wirklich etwas im großen Stil verändern möchte, dann müssen die Verantwortlichen einen Weg finden, dass Menschen die Marke kaufen, weil sie die Pizza geil finden – der Purpose ist dann eher ein netter Nebeneffekt. Andernfalls überlässt sie den Markt anderen Playern, wie Dr. Oetker oder Nestlés Wagner Pizza, bei denen Nachhaltigkeit ganz sicher deutlich kleiner geschrieben wird. Ähnliches gilt für Gustavo Gusto, mit seinen TK-Pizzen und Eissorten.
Etablierte Marken benötigen eine Purpose Based Value Proposition
Große, etabliert Marken dagegen tun gut daran, Produkte – nicht die gesamte Marke – an Segmente im Markt zu vermarkten, die einen Purpose-Gedanken auf Produktebene aufgreifen. Sie brauchen also keinen Brand Purpose, sondern eine auf einen Purpose aufbauende Value Proposition für einzelne Produkte.
Manche würden dies als Greenwashing bezeichnen. Aber ist es das wirklich? Schließlich kaufen so mehr Menschen zukunftsverträglichere Produkte. Das sind mehr als die nur zehn Prozent der Menschen, die wirklich hinter einem Purpose stehen – und das ist doch letztlich entscheidend.
Über den Autor: Peter Kiefer, Geschäftsführer der Marketing- & Strategieberatung PUNCH