Welche Muster sich 2025 im E-Commerce klar abzeichnen:
Was kann man heute im E-Commerce noch lernen?
Aktuell werten wir die Einsendungen zum 18. Shop Usability Award aus. Wie jedes Jahr sitzen wir dabei vor unzähligen Shops, klicken uns durch Startseiten, Kategorien, Produktdetailseiten und Checkouts – und stellen uns immer wieder dieselben Fragen: Was kann man im E-Commerce eigentlich noch lernen? Was ist wirklich neu? Was ist hot? Wo entstehen Innovationen? Und welche Rolle spielt KI bisher wirklich?

Foto: Shoplupe GmbH
Eins gleich vorab: Der E-Commerce tut sich mit KI erstaunlich schwer. Ja, Bilder sind vielseitiger geworden, Hintergründe perfekter, Szenen stimmiger. Und ja, Produktbeschreibungen sind länger, ausführlicher und SEO-optimierter denn je. Aber genau das ist ein Punkt, den Nutzer eigentlich nie eingefordert haben.
Niemand hat danach gefragt, ob ein Produkttext nun 300 oder 900 Wörter lang ist – im Gegenteil. Es bleiben Zweifel, ob KI aktuell tatsächlich zur besseren User Experience beiträgt oder nicht doch überwiegend im Backend zur Effizienzsteigerung eingesetzt wird. Das war im Übrigen im letzten Jahr schon meine These auf der K5 Bühne.
Wirklich überzeugende, sichtbare KI-Cases sind rar. Eine der wenigen Ausnahmen bleibt Miss Pompadour: ehemaliger Award-Gewinner, nach wie vor einer der innovativsten Shops im Markt und ein Beispiel dafür, wie Technologie echten Mehrwert schaffen kann – für Nutzer, nicht nur für interne Prozesse.
Was hingegen sofort ins Auge fällt: Shopify dominiert die Optik des E-Commerce. Shopify-Shops sind inzwischen schnell zu erkennen. Die immer gleichen Elemente, Strukturen und Funktionen ziehen sich durch unendlich viele Shops. Das ist auf den ersten Blick nichts Schlechtes, denn die Funktionen sind erprobt, stabil und grundsätzlich sinnvoll.
Gleichzeitig passiert aber etwas Problematisches: Themen werden banalisiert. Der Fokus liegt nicht mehr darauf, was der Kunde wirklich braucht und wie ein Shop individuell darauf reagiert, sondern auf der Template- und Funktionsseite. Eine hübsche Funktion wird eingebaut – ob sie gebraucht wird oder nicht. Dadurch verlieren viele Shops an Profil und Professionalität. Für den Nutzer entsteht unterschwellig die Frage: „Warum gibt es dieses Feature eigentlich?“ Auf den ersten Blick sieht zwar alles gut aus, aber beim genaueren Hinsehen fehlt häufig die klare Logik und der erkennbare Nutzen.
Auffällig ist auch, wie stark die gesamte E-Commerce-Bubble aktuell nach B2B-Cases sucht. Hier geht die Welt weit auseinander. B2C-ähnliche B2B-Shops lassen sich vergleichsweise einfach umsetzen: Aus ehemals langweiligen Bestellseiten werden ansprechende Shops mit Vorab-Registrierung, Staffelpreisen und umfangreichen Kundenkonten. Sobald es jedoch komplexer wird, verlässt man das gewohnte Terrain. Komplexe Konfigurationen müssen abgebildet, Kompatibilitäten geprüft und riesige Sortimente organisiert werden.
Der einfache B2B-Case ist mit Standards gut zu lösen. Doch es gibt sie noch: die komplexen Shops, die mit leistungsstarker Software und hoher Agenturkompetenz echte Bestellsysteme entwickeln. Von außen kaum verständlich, für die eigentlichen Nutzer aber ein echtes Winning Tool. Für die Bewertung beim Shop Usability Award ist das allerdings wieder eine ganz andere Herausforderung.
Ein weiteres Thema, das beim Durchsehen vieler Shops auffällt, ist Persönlichkeit – oder vielmehr deren Abwesenheit. Menschen kaufen von Menschen. Diese Erkenntnis ist durch soziale Medien längst Allgemeinwissen. Im Shop selbst wird sie jedoch kaum genutzt. Während sich per KI inzwischen jede erdenkliche Person generieren lässt, sind echte Menschen in Shops eine Seltenheit.
Dabei wissen wir aus dem Marketingstudium – und aus der Praxis –, dass Menschen Vertrauen schaffen und Sympathie erzeugen. Heute haben wir theoretisch unbegrenzten Zugang zu echten Menschen, Geschichten und Gesichtern. Umso erstaunlicher ist es, dass sich das in Shops kaum widerspiegelt. Gerade für eine klare Zielgruppenansprache gibt es kaum etwas Besseres als Menschen, mit denen man sich identifizieren kann. Mein Wunsch wäre schon, dass es mehr sympathische Menschenbilder in Shops gibt – aktuell macht das nur die Modewelt.
Positiv überrascht dagegen immer wieder, wie gut langweilige Produkte inszeniert werden können. Die Kreativität im Storytelling ist spürbar gestiegen. Im E-Commerce stehen längst nicht mehr nur Technik-Freaks am Steuer, sondern Marketingprofis. So zeigt etwa FritzBox seine Router nicht mehr isoliert auf weißem Hintergrund oder in Verpackungen, sondern eingebettet in echte Wohnumgebungen. Das wirkt sofort nahbarer und relevanter. Auch Fischer Sports überzeugt mit einer starken Markenwelt im Shop. Gerade bei Produkten wie Skiern, die in der Thumbnail-Ansicht nur aus zwei schmalen Balken bestehen, ist das entscheidend. Ohne Kontext bleibt das Produkt einfach nicht spannend.
Ein Dauerbrenner bleibt hingegen das Thema „Über uns“ und USP-Kommunikation. Für die Mehrheit der Shops ist es weiterhin schwierig, die eigene Identität greifbar zu machen. USP-Punkte sind oft generisch, austauschbar und für Nutzer wenig interessant. Vielleicht liegt darin auch eine unbequeme Wahrheit: Viel mehr als „schnell verfügbar“, „versandkostenfrei ab 50 Euro“ und „telefonischer Support“ gibt es in vielen Fällen schlicht nicht. Auch der „Über uns“-Bereich hat sich in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt. Ein Foto vom Gebäude, vielleicht vom Lager – emotionslos und einfallslos. Getoppt wird das nur noch vom standardisierten Nachhaltigkeitsversprechen. Hier ist spürbar Luft nach oben, vor allem in der Eigendarstellung. D2C-Player sind in diesem Punkt häufig weiter als klassische Online-Retailer.
Insgesamt fällt beim Shop Usability Award auf, dass weniger unerfahrene Shops eingereicht werden. Es sind die Profis, die sich hier tummeln. Das ist einerseits schade, denn ich liebe die kleinen Erfolgsgeschichten. Andererseits ist es verständlich: Mit einem reinen Standard-Theme ist heute kaum noch ein Preis zu holen. Wobei man nie vergessen sollte, dass 2008 der erste Gewinner Mabito.com mit einem Standard-Template von Shopware den Hauptpreis abgeräumt hat. Auch das gehört zur Wahrheit des E-Commerce: Nichts ist unmöglich.
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