Inhalt geht vor Absender

Auch auf die Frage, wie viel Branding heutzutage eine kritischere Zielgruppe toleriert, wurde eine Antwort gefunden. Auf Tiktok wurde dasselbe Videomaterial mit zwei unterschiedlichen Absendern getestet: der Marke und dem Creator. Überraschenderweise unterschieden sich die Ergebnisse nicht signifikant. Das zeigt, dass nicht der Absendende, sondern die Inhalte entscheidend sind. Der Test auf mehreren Kanälen unterstreicht ebenfalls, dass Tiktok-Inhalte universell sind und auf anderen Social-Media-Kanälen wie Instagram und Pinterest ebenfalls gut performen.

Der Ritter Sport Case zeigt: Mit der zunehmenden Konzentration auf quantifizierbare Ergebnisse scheint sich das Performance Marketing dem Brand Marketing anzunähern. Unternehmen erkennen, dass der Aufbau einer starken Marke allein nicht ausreicht, um den Umsatz zu steigern und die Unternehmensziele zu erreichen. Angesichts knapper Budgets sowie dem steigenden wirtschaftlichen Druck scheint sich der Fokus der Marken auf Quantifizierung und Marketing-Analytik zu verlagern.

Der Anteil digitaler Verbraucher:innen steigt

Die Corona-Pandemie und die nachfolgenden wirtschaftlichen Unruhen zwangen Unternehmen dazu, Werbekampagnen vor allem in der Awareness-Phase- einzufrieren und das Marketing in kurzer Zeit an die aktuelle Situation anzupassen. Gleichzeitig hat die wachsende Aufmerksamkeit für globale, politische und ökologische Themen das Kaufverhalten von Konsument:innen verändert und dazu geführt, dass der Anteil an digitalen Verbraucher:innen stieg.

Produkte werden inzwischen immer stärker hinterfragt. Die Menschen wollen mehr darüber wissen, was eine Marke ausmacht, wofür sie steht und welche Haltung sie zu gesellschaftsrelevanten Themen einnimmt. Dadurch wird die Markenwahrnehmung vermutlich sogar zum wichtigsten Kaufgrund. Unternehmen stehen also mehr denn je vor der Herausforderung, Vertrauen aufzubauen und sich gleichzeitig für größere Ziele als nur den reinen Profit einzusetzen. Sobald Unternehmen erkennen, dass Branding und Performance keine separaten Marketingziele sind, sondern genau in ihrem Zusammenspiel ein Lösungsansatz für die aktuelle Situation bieten, können Marken sowohl ihre Bekanntheit als auch den Abverkauf steigern und somit eine wirksame Balance zwischen Wachstum und Profitabilität herstellen.

Das performante Branding oder die Brandformance bietet mit kreativen neuen Maßnahmen eine attraktive Option für Unternehmen, die ihre Investition und den Erfolg der Marke in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld skalieren wollen.

Im Kern der Brandformance-Strategie steht das Content Marketing. Denn die Algorithmen der Plattformen betrachten zwar mehrere Kriterien - allerdings sind die Inhalte der größte Hebel, Kampagnen zum Erfolg zu führen und Nutzer:innen dazu zu bringen, auf den Plattformen zu verweilen. Das gilt sogar noch stärker in Anbetracht des Paradigmenwechsels in Social Media: Es ist nicht mehr länger entscheidend, Nutzer als Follower zu gewinnen, sondern es gilt, ihnen basierend auf für sie relevante Themen und Interessen Inhalte vorzuschlagen. Denn Communities bauen sich rund um Themen und Inhalte auf - Marken und ihre Botschaften spielen dabei erstmal keine Rolle.

Tiktok baut auf diesem Prinzip auf

Das aktuell bekannteste Beispiel einer Plattform, die auf diesem Prinzip aufbaut, ist Tiktok. Es hat die Art und Weise, wie die kommende Generation von Social-Media-Nutzer:innen an „soziale“ Medien herangeht und Inhalte konsumiert, stark verändert. Andere soziale Plattformen ziehen nach. Facebook und Instagram haben mit Reels eine Plattformfunktion eingeführt, die Inhalte von Menschen hervorhebt, mit denen man nicht verbunden ist, die aber dennoch interessant sein könnten. Ebenso tauchen immer mehr „Suggested Posts“ auf Instagram auf. Auch Youtube „Shorts“ funktioniert auf ähnliche Weise wie Reels und TikTok und hängt stark vom Interest Graph einer Person ab.

Fakt ist also, dass Marken mit guten Inhalten deutlich mehr Menschen erreichen, auch wenn diese ihnen nicht folgen. Marken können eigene Communitys aufbauen, die nicht nur aus direkten Followern bestehen. Die Beschränkungen der sozialen Algorithmen, dass ohne bezahlte Werbung lediglich 1 Prozent der Follower organisch erreicht werden, können überwunden werden. Das wiederum setzt voraus, dass Marken die Interessen der eigenen Zielgruppe sehr gut kennen und ausfindig machen müssen, um sie dann mit authentischen Inhalten zu begeistern.

Brandformance läutet sicherlich ein neues Kapitel im Marketing ein. Menschen sind schneller werbemüde und halten sich im Internet in erster Linie aus zwei Gründen auf: Sie möchten sich mit ihrem Netzwerk austauschen und suchen Informationen oder Unterhaltung. Klassische Methoden wie Bannerwerbung verpuffen und nerven die Nutzer:innen zunehmend. Warum sollte man sie also als Marketingmaßnahmen wählen, wenn man Kundschaft eigentlich anziehen und zufriedenstellen will?

Brand Marketings in Kombination mit dem datengesteuerten Ansatz des Performance Marketings schafft eine ganzheitlichere und effektivere Marketingstrategie. Letztendlich müssen Unternehmen und Marken aber bereit sein, Risiken einzugehen und über den Tellerrand hinauszuschauen, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Das bedeutet auch, sich gegenüber neuen Technologien zu öffnen, neue Marketingkanäle zu erkunden oder neue Content-Strategien zu entwickeln. Letztendlich geht es darum, die Menschen in den Fokus der Kommunikation zu stellen und durch native Inhalte ein nahtloses, integriertes Kundenerlebnis zu schaffen, das wiederum die Marke zum Erfolg führt.


Pelin Cingöz

Pelin Cingöz

Pelin Cingöz ist Director Performance Marketing bei Oddity.

Die Cookiekalypse hält die Branche in Atem. Besser, man hat eine gute First-Party-Data-Strategie. Wie man die entwickelt, lernst du im W&V Executive Briefing.

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Wie funktioniert eigentlich Tiktok? Einen schnellen und umfassenden Überblick gibt dir die aktuelle Ausgabe des W&V Executive Briefing zum Thema Tiktok.


Autor: W&V Gastautor:in

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