Was haben Sie konkret mit dem Erfolg zu tun? Die meistprämierten Arbeiten stammen nicht aus Ihrer Feder.  

Es ist nun mal das Schicksal eines Coachs, dass er die Tore nicht selbst schießt, sondern nur am Spielfeldrand steht und brüllt. Aber manchmal wechsle ich mich ja auch selber ein.

Haben Sie die Degradierung vom Kreativvorstand zum Partner Kreation mittlerweile hingenommen?

Ich weiß nicht, wie es im Journalismus ist, aber in unserer Branche hat sich vieles geändert. Hierarchiedenke ist ­einem Teamgedanken gewichen. Es war mir noch nie nichts egaler, als welcher Titel ­bei Linkedin steht. Denn die beste Idee befriedigt mich ungleich mehr als der höchste Titel.
 
Wie läuft es im Partnerkreis?

Gut und harmonisch. Die ersten Entscheidungen werden bald offiziell. Intern hat sich ja nicht wirklich viel verändert: Die Leute, die die Dinge seither beschlossen haben, beschließen sie immer noch. Sie tun das jetzt eben gemeinsam. Ein paar kleinere Eitelkeitskriege unter den Kreativen gibt es auch noch, aber das wäre sonst ja auch langweilig.

Fehlt Jean-Remy von Matt im Tagesgeschäft?  

Finde ich nicht. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir sagen würden "Gott sei Dank, der Alte ist weg". Der Prozess, die Agentur auf andere zu übertragen, hat ja schon viel früher begonnen. Bei Bedarf steht Jean-Remy mit Rat und Tat zur Verfügung und er schreibt auch noch gern E-Mails. Er hat gut losgelassen, und das zeigt auch, dass er dem Konstrukt traut.

Fehlen Thomas Strerath und Larissa Pohl?

Ich finde es nach wie vor schade, dass wir es damals gemeinsam nicht hinbekommen haben. Auch für Top-Leute gilt: Es muss halt alles passen.

Was fehlt Jung von Matt?

Nichts. Doch. Wir haben Baustellen. Unser Jungrat – von dem ja viele dachten, der sei nur PR-Blabla – hat den Finger in ein paar Wunden gelegt. Er hat einen eigenen Etat bekommen, mit dem die wichtigsten Sachen gelöst werden können. Selbstkritik ist und bleibt ein hohes Gut bei JvM.

Was war gut 2018?

Kunden vertrauen uns immer mehr Komplettetats an. Früher wurde Online an X, Social Media an Y und an uns die klassische Werbung vergeben. Mittler­weile bündeln viele Kunden wieder alles bei uns. Die Ausgründung von Jung von Matt Tech war ebenfalls richtig und wichtig. Und wir halten weiter stolz die Fahne der Unabhängigkeit hoch, die einige auch dieses Jahr wieder aufgeben mussten.

Was war Ihre Lieblingsarbeit?

Um nicht bei den üblichen Verdächtigen zu bleiben, benenne ich eine Idee, die leider nicht so viel gewonnen hat, die ich jedoch richtig gut fand: "Das Gender-Pay-Gap-Experiment" für Terre des Femmes. Von der Einfachheit und dem Beweis der Aussage, wie man Lohnungleichheit auf den Punkt bringen kann, ist das genial. Beim Edeka-Supermarkt hatte ich aber auch Gänsehaut. Das war eine mit den besten Wünschen bedachte Arbeit, auch intern. Den BVG-Sneaker fand ich in seiner Form auch toll, da gab es aber mehr Zweifel. Wir wussten zum Beispiel nicht, ob Adidas mitmacht, ob das Ganze nicht Kraftverschwendung ist und so weiter. Als wir mit internationalen Kreativen über die Idee sprachen, merkten wir erst, wie stark sie ist. Aber auch da ist immer viel Glück dabei: Es gibt viele Agenturen, die mit ihren Ideen auf so einem Niveau spielen, bei denen Ideen aber irgendwo in der fragilen Kette sterben, die auf dem Weg zum Erfolg nötig ist. Ein Beispiel: Wir hätten die Tageszeitung Welt am Sonntag am Wahlwochenende gerne mit "Wählt am Sonntag!" überschrieben. Der Vorstand war begeistert, die Chefredaktion aber nicht. So schnell stirbt eine tolle Idee.

Legen Sie 2019 wieder eine Awardpause ein? Eigentlich wollten Sie die als Kreativvorstand abschaffen.

Die Awardpause kommt wieder. Und das ist auch gut so. Schließlich finanziert das einsendefreie Jahr unsere hauseigene Academy, in der wir jedes Jahr 15 bis 20 kreative Talente ausbilden. In der JvM-Academy entstehen mittlerweile so tolle Sachen, dass es dumm wäre, das aufzugeben.

Wer wird in der Kreation künftig als letzte Instanz entscheiden?

Wir werden das mit allen Kreativpartnern entscheiden. Letztendlich beurteilen die Leute da draußen, ob unsere Arbeiten gut oder schlecht sind, indem sie ihnen ihre Aufmerksamkeit schenken. Es ändert sich hier nicht so viel, wie die Leute da draußen glauben.

Götz Ulmer ist Kreativer und Partner bei Jung von Matt und hat seine gesamte Berufslaufbahn bei der Agentur verbracht. Zwischenzeitlich war er Kreativvorstand, musste den Posten aber zur Einführung des neuen Partnerboards wieder abgeben. Der Partnerkreis zählt 15 Personen, Alleinvorstand der Agentur ist Peter Figge. Das Heft mit dem W&V-Kreativranking und dem Interview mit Götz Ulmer können Sie hier bestellen. Wuv.de widmet die laufendende Woche dem Ranking und veröffentlicht unter anderem Gespräche mit den Kreativchefs, das Auftraggeberranking und alle wichtigen Tabellen.


Autor: Daniela Strasser

Redakteurin bei W&V. Interessiert sich für alles, was mit Marken, Agenturen, Kreation und deren Entwicklung zu tun hat. Außerdem schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung. Neuerdings sorgt sie auch für Audioformate: In ihrem W&V-Podcast "Markenmenschen" spricht sie mit Marketingchefs und Media-Verantwortlichen über deren Karrieren.