"Da herrscht Riesen-Not", sagt Tomas Jiskra, Chef des Münchner IT-Personaldienstleisters TTP. In Deutschland seien fast eine Million Menschen in der IT beschäftigt, 15 Prozent davon freiberuflich - aber: "Wir bräuchten mindestens doppelt so viele, um den aktuellen Bedarf abfangen zu können." Die Zahl der Studenten wachse, aber die Nachfrage wachse noch schneller. Jiskra nutzt in Osteuropa ein Netzwerk zu Absolventen und deutschsprachigen Fachkräften und sucht die Experten für seine Kunden auch in Internet-Foren und bei Facebook.

Im Kampf um die IT-Fachkräfte würden neben dem Lohn der Arbeitsort, der Arbeitsplatz, das Arbeitsklima im Team, flexibles Arbeiten und Work-Life-Balance immer wichtiger, sagt Jiskra. Ein Unternehmen in München tue sich vielleicht leichter, "ein Mittelständler in Oberfranken muss da viel mehr kämpfen. Das ist auch ein regionales Thema."

Vielleicht malen einige Verbände oder Unternehmen die Lage auch zu düster? Zwar beklagen die von Deloitte befragten Vorstände großer deutscher Unternehmen am meisten den Mangel an IT-Fachkräften - doch nur 24 Prozent sehen höhere Löhne als probates Mittel an, um Abhilfe zu schaffen. Und: "Relativ wenige Unternehmen (13 Prozent) versuchen, neue Talent-Pools für sich zu nutzen, wie beispielsweise ältere Arbeitnehmer", stellen die Unternehmensberater fest.

Klempner und Elektrotechniker, Zugführer und Krankenpfleger - bei diesen Berufen herrscht bundesweit Fachkräftemangel. Bei Programmierern dagegen fehlen flächendeckend nicht die ausgebildeten "Fachkräfte", sondern erst die "Spezialisten" mit Meisterbrief oder Hochschuldiplom. Und bei IT-Systemanalytikern herrscht bundesweit Mangel an "Experten" auf noch höherem Niveau, so die BA.

Im Augsburger Fujitsu-Werk arbeiten rund 1500 Mitarbeiter in der IT, Forschung und Entwicklung und bauen Notebooks und Server zusammen. Bis September 2020 will Fujitsu das Werk schließen. Augsburgs Zweite Bürgermeisterin Eva Weber erwartet, dass IT-Spezialisten "vom Markt aufgesogen" werden und viele Firmen im nahen München Fujitsu-Beschäftigte gerne übernehmen. In der Region herrscht Vollbeschäftigung.

"Natürlich muss der Bewerber zur Stelle passen", sagt Jiskra. "Aber mit zwei Jahren Vorlauf, wenn jemand offen ist und sich weiterbilden will, da seh ich gute Chancen."

Ob die neuen Jobs dann ebenfalls unbefristet seien, mit Tarifvertrag und gutem Lohn, sei eine andere Frage, sagt Gewerkschaftssekretärin Steinecker. Das habe sich beim Aus des ehemaligen Osram-Werks in Augsburg gezeigt. "Ich hab hier in der Rechtsberatung viele, oft aus der Zeitarbeit, wo's nicht rund läuft." Und nicht jeder könne umziehen oder pendeln. Deshalb kämpfe die IG Metall mit den Fujitsu-Beschäftigten für den Erhalt der Arbeitsplätze: "Der Drops ist noch nicht gelutscht."

Roland Losch, dpa


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