Eine solche Einstellung wäre meiner Meinung nach jedoch ein großer Fehler! Der Punkt ist doch: Nichts hält die technologische Revolution im Marketing und in der Werbung auf – genauso wie in der Automobilindustrie vermutlich der Verbrennungsmotor irgendwann Geschichte ist.

Ein überholtes System

Marc Pritchard, Chief Brand Officer bei P&G und einer der Speaker auf der diesjährigen Dmexco, hat der Werbebranche schon im Januar beim IAB Annual Leadership Meeting ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Es handele sich um ein "antiquiertes Mediaeinkaufs und -verkaufssystem, das eindeutig nicht für diese technologische Revolution ausgelegt ist". Ein Grund dafür: Marketingverantwortliche standen und stehen heute permanent unter gehörigen Erfolgsdruck und daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass häufig der Zweck die Mittel heiligt. Und – machen wir uns nichts vor – eine solche Einstellung wurde in der Vergangenheit durch programmatische Ad Trading-Plattformen mit ihren Tendenzen zur "Black Box" durchaus nicht verhindert.

Insofern spiegelt die eingangs geschilderte Debatte vor allem eines wieder: Hier hat längst ein Umdenken eingesetzt. Werbetreibende haben ein Recht bzw. sogar eine Pflicht zu wissen, wo ihre Ads ausgespielt werden. Ohne diese absolut notwendige Transparenz kann niemand wirklich erkennen, wie die eigenen Kampagnen performen. Hier verschiebt sich die Aufmerksamkeit des Marktes zunehmend und die Frage "Was funktioniert, was nicht?" rückt in den Mittelpunkt.

Daten, Daten und immer wieder Daten

Wie schon gesagt, die digitale Revolution wird nicht plötzlich wieder verschwinden – und damit ist eines glasklar: Die Lösung liegt, ob wir es wollen oder nicht, in der Qualität der Daten. Entscheidend für den Erfolg einer Kampagne sind die (datenbasierten) Entscheidungen, die auf der Demand Side getroffen werden. Da das Volumen und die Geschwindigkeit der verfügbaren Daten immer weiter exponentiell wächst, wird es für Marketingverantwortliche umso wichtiger, dass sie die richtigen Daten verwenden und dass sie dies (im Idealfall) in Echtzeit tun.

Meine Antwort auf den Vorwurf der "digitalen Besoffenheit" ist daher eindeutig: Wir brauchen nicht weniger, sondern noch mehr Technologie! Nur mit den richtigen technologischen Voraussetzungen können wir die Komplexität des digitalen Marketings, die noch immer weiter zunehmen wird, in den Griff bekommen und verhindern, dass auf die Besoffenheit der "digitale Kater" folgt.

Mehr Technologie – mehr Möglichkeiten

Was ich damit meine, möchte ich gerne noch anhand von zwei Beispielen deutlich machen.

Erstens: Auf Programmatic folgt Predictive Marketing

Ein Ansatz, der sich auf den Aspekt des Predictive Marketing konzentriert, basiert auf einem jeweils individuellen Verständnis des Nutzers – also seinen spezifischen Intentionen, seiner Position in der Customer Journey und auch seiner wahrscheinlichen nächsten Handlung.

Schon heute erlaubt eine Kombination aus Analytics, Insights und Kunden-Modellierung Marken, ihre Zielgruppen besser zu kennen als jemals zuvor. Je weiter wir uns hier in Richtung Predictive Marketing bewegen, desto mehr wird datenbasierte Technologie sogar zu einer Quelle für die Nutzer-Aktivierung in Echtzeit und vor allem für das Verstehen und Vorhersagen, wo und wann Botschaften von Marken das größte Engagement generieren werden.

Hieraus ergibt sich ein großes Potenzial für Wachstum und Skalierbarkeit – schlicht und einfach durch die Verbesserung der Performance sämtlicher Marketing-Programme eines Unternehmens.

Zweitens: Der Trend zu Plattformen

Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel in der Optimierung der Demand Side Platforms (DSPs), sodass diese den tatsächlichen Echtzeit-Einkauf von Inventar und somit die optimale Platzierung von Markenbotschaften ermöglichen. Marc Pritchards oben angedeutete Frustration hat ihren in den „Sünden“, die DSPs in der Vergangenheit begangen haben – das muss man so schonungslos sagen. Ohne hochentwickelte Technologien im Hintergrund können die Aktivitäten von DSPs ziemlich unbeholfen sein: Es beginnt mit dem Einkauf von Werbeplätzen auf Basis zu schwacher Daten, was wiederum zu Irritationen beim Nutzer und Konflikten mit den Markenwerten führen kann.

Der Ausweg ist möglicherweise die Hinwendung zu Plattform-Technologien. Der Trend zu Plattform-basierten (Software-as-a-Service) Modellen ist Teil einer größeren Entwicklung innerhalb der Tech-Branche. Man denke nur an die Erfolge von Unternehmen wie Salesforce, Dropbox und Slack, die alle auf ein SaaS-fokussiertes Geschäftsmodell setzen.

Je weiter sich die Technologie entwickelt, desto mehr wird SaaS zum Modell der Wahl für das digitale Marketing, denn es bietet Marken und Unternehmen eine ganze Reihe von Vorteilen. Es erlaubt eine größere Autonomie und Kontrolle sowie besseres „Ownership“ über das eigene Digitalmarketing – z.B. dadurch, dass Funktionen und Anwendungen an die spezifischen Bedürfnisse des Brand- oder Agenturgeschäfts angepasst werden können. Außerdem erlaubt SaaS eine erheblich umfangreichere Integration von anderen Technologien, sodass Daten und Anwendungen, die zuvor in Silos gefangen waren, zusammengebracht werden können.

Zeit für eine offenes, Plattform-basiertes System

Führt man sich diese technologischen Aspekte vor Augen, muss eigentlich klar sein, dass der Weg in Sachen Marketing-Technologie nur vorwärts und auf keinen Fall zurück in alte Muster führen kann. Was die Branche braucht ist ein offenes, Plattform-basiertes System, dass unter anderem für die nötige Transparenz sorgt. Um das zu erreichen kann es nur heißen: Mehr Technologie wagen!


W&V Redaktion
Autor: W&V Redaktion

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