
Kommentar zum Weltfrauentag:
"Das saublöde Getue der Marken ist nicht mehr auszuhalten"
W&V-Chefredakteur Jochen Kalka ärgert sich über gruselige Werbung rund um den Weltfrauentag. Weil sie diskriminierten Frauen nicht hilft, sondern sie lächerlich macht. Ein Rant.

Foto: W&V
So kann es nicht weitergehen, ich muss es rauslassen, auch wenn ich damit von aller Welt missverstanden werde: Das saublöde Getue der Marken rund um den Weltfrauentag am 8. März halte ich nicht mehr aus. Angefangen von der wirklich dämlichen Rossmann-Aktion, kurzzeitig zu Rossfrau zu mutieren, bis hin zum Trockenshampoo "Batiste", das datengetrieben gesellschaftspolitisch sein will. Mit Hilfe eines Algorithmus identifiziert die Agentur Cheil Posts auf Twitter, die unterschiedliche Formen der Diskriminierung von Frauen aufnehmen. Wääääh!
Mal ehrlich, ist den Werber und Marketern, ganz gleich ob Frau oder Mann, eigentlich noch zu helfen? Ist ihnen bewusst, was sie damit NICHT tun? Ist ihnen klar, dass sie an den eigentlichen Problemen vorbeikreieren? Dass sie mit Rossfrau und pseudo-gesellschaftlichen Algorithmen dazu beitragen, Frauen zu diskriminieren, weil sie den Kampf der Gleichberechtigung ins Lächerliche ziehen?
Als wären Frauen lebensuntüchtige Kreaturen, wird in der Werbung so etwas wie "Schluss mit Selbstzweifeln" (Batiste) gefordert oder, wie der erste Douglas-Spot von Tina Müller: "Wir glauben, dass Frauen am schönsten sind, wenn sie das Selbstvertrauen haben, zu sein und zu tun, was sie wollen." Bin ich denn der Einzige, dem es dabei gruselt?
Dabei liegen die wahren Probleme, mit denen Frauen tagtäglich zu kämpfen haben, so nahe. Etwa in der Lohntüte. WPP hat in einer internen Studie das Pay Gap zwischen Mann und Frau untersucht. Bei JWT in UK liegt der Unterschied bei 44,7 Prozent – bei gleicher Arbeit. Aber Hauptsache, die Frauen bei JWT sind schön, dank Douglas?
Hochachtung vor den Pinkstinks, die einen Positivpreis für Werbung vergeben. Sexistische und diskriminierende Werbung anzukreiden sei das eine, zu ermutigen, den richtigen Weg zu gehen, der andere. Na also, geht doch!
Der Text erschien zuerst als Editorial in der W&V Abendpost, die Sie hier abonnieren können.