
Equal Pay Day:
Die Lohnlücke wird nicht kleiner: Was die Politik jetzt tun muss
Müssen Politik und Wirtschaft tatenlos zusehen, dass sich der Gender Pay Gap nur im Schneckentempo schließt? Nein, sagen Gewerkschaften und Verbände.

Foto: Adobe Stock
Mit wirksameren Gesetzen sollen Frauen vor niedrigeren Einkommen als Männer geschützt werden. Dafür setzten sich am Montag der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Sozial- und Frauenverbände sowie Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) ein. Auf den 18. März fiel diesmal der "Equal Pay Day". Er steht symbolisch für die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen. Über alle Branchen und Berufe hinweg bestand laut Statistischem Bundesamt zuletzt ein Lohnunterschied von 21 Prozent.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann stellte fest: "Die Lohnlücke stagniert, weil die Gesetze ins Leere laufen, die Frauen eigentlich bessere Chancen am Arbeitsmarkt bringen sollten." Als Beispiel nannte er das Entgelttransparenzgesetz mit seinem Auskunftsanspruch, der nur in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten gilt.
Auch Giffey forderte, das Gesetz auf alle Betriebe auszuweiten. Zudem müsse es Flächentarife für soziale Berufe geben, in denen Frauen die Mehrzahl der Beschäftigten ausmachten, sagte die Bundesministerin bei einer Kundgebung in Berlin.
Mit weniger Druck auf Unternehmen will hingegen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zum Ziel der gleichberechtigten Bezahlung zwischen Männern und Frauen gelangen. Trotzdem sei es die große Aufgabe "unserer Generation", Gleichberechtigung zu erreichen. Dem schob der Minister im "Handelsblatt"-Interview ein Bekenntnis hinterher: "Ich bin ein Feminist".
Edda Schliepack aus dem Präsidium des Sozialverbands Deutschland erinnerte daran, dass jahrelange Minijobs für Millionen Frauen Mini-Renten bedeuteten. "Das Problem ist längst bekannt und vielfach erwiesen. Und trotzdem befasst sich die Bundesregierung an keiner Stelle des Koalitionsvertrages mit dieser zentralen sozialen Frage."
Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg sieht eine Ursache für ungleiche Bezahlung in der unterschiedlichen Erziehung von Kindern. "Schon zu kleinen Mädchen wird gesagt, dass sie "bossy" seien, dass sie herumkommandieren", warnte die Top-Managerin im "Handelsblatt". Jungen hingegen werde das gleiche Verhalten als positiver Ehrgeiz ausgelegt.
Cornelia Töpfer von der Gewerkschaft Verdi verwies auf die Langzeitfolgen der Lohnunterschiede. Ein niedriges Einkommen für Frauen bedeute eine auch eine niedrige Rente im Alter. Der Unterschied zwischen Frauen und Männern liege hier bei 53 Prozent. "Das muss 70 Jahre nach der Gleichstellung im Grundgesetz endlich auch faktisch vollzogen werden", forderte Töpfer.
Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, forderte eine gerechtere Verteilung unbezahlter Arbeiter gefordert. Frauen verbrächten täglich anderthalb Mal so viel Zeit wie Männer mit unbezahlter Sorgearbeit im Haushalt und der Familie. Die ungleiche Aufteilung der Arbeit in heterosexuellen Partnerschaften gehe zu Lasten der Frauen. Sorgearbeit sei unverzichtbar für die Gesellschaft und blieben trotzdem häufig unbezahlt.
Auf andere Dimensionen von Diskriminierung machte Peggy Piesche von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung aufmerksam. Am Equal Pay Day werde für alle sichtbar, was für viele tägliche Realität sei. Gerade unbezahlte Arbeit werde am wenigsten wertgeschätzt. Das bedeute weniger Anerkennung, Würdigung und Sichtbarkeit für die Betroffenen. "Diese Arbeit machen überproportional häufig Schwarze und POC-Frauen*. Der Equal Pay Day ist daher eine Chance sich fragen zu lassen, wie viel Exklusion wir uns als Gesellschaft erlauben können." POC steht für Person of Colour und ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung.
Für viel Diskussion hatten auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit einem 21 Prozent günstigeren Ticket für Frauen gesorgt. Die Aktion schaffte es gar in die Berichterstattung der "New York Times". Neben dem vorab angekündigten billigeren Tagesticket waren am Montag auch Monats- und Jahreskarten verfügbar, letztere für 160 Euro weniger als normal. "Das ist Männern gegenüber nicht fair, die ganze Aktion ist nicht fair", sagte eine BVG-Sprecherin der dpa. "Aber darum geht es ja. Das soll keine Wohltat für Frauen sein. Uns geht es darum, auf ein Problem aufmerksam zu machen." Erhältlich waren die vergünstigten Tagestickets an allen Fahrkartenautomaten, die Monats- und Jahreskarten nur an einem einzigen Automaten am Alexanderplatz.
Anne Pollmann und Martin Nefzger, dpa