
Urteil zur Netzneutralität gegen die Telekom:
Gericht zieht "Stream On" den Stecker
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zugunsten der Bundesnetzagentur und gegen die Telekom entschieden. Der Konzern muss die Tarife ändern.

Foto: Telekom
Die Telekom verstößt gegen die Netzneutralität. Urteilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster. Die Deutsche Telekom muss ihre "Stream On"-Tarife nun ändern. Der Datenverkehr werde nicht wie vorgeschrieben gleichbehandelt - dies sei ein Verstoß gegen die Netzneutralität, so das OVG, das in dem Eilverfahren der Bundesnetzagentur recht gab. Zudem würden EU-Roamingregeln nicht eingehalten.
Parallel läuft ein separates Hauptsacheverfahren am Kölner Verwaltungsgericht. Die Chancen auf Erfolg sehen in dem Hauptsacheverfahren allerdings nicht allzu rosig aus - es soll von derselben Kammer entschieden werden, die in erster Instanz des Eilverfahrens pro Netzagentur entschieden hatte. Das hatte die Telekom auf ihrem Blog im November 2018 so kommentiert: "Im Interesse unserer Kunden werden wir weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, damit Stream On weiter angeboten werden kann."
Bei "Stream On" wird der Datenverbrauch bei bestimmten Apps nicht auf das Monatsvolumen angerechnet, wenn man zum Beispiel Videos über Netflix oder die ARD Mediathek streamt. Allerdings drosselt die Telekom die Übertragungsrate, und man kann den Film unterwegs nur in der recht niedrigen SD-Auflösung ansehen (Telekom-Blog: "Wir halten die Übertragung in DVD-Qualität für die Darstellung auf mobilen Endgeräten für absolut ausreichend."). Würde das Video außerhalb des "Stream On"-Tarifs geguckt und auf das monatliche Datenvolumen angerechnet, so könnte man auf HD-Qualität kommen. Diese "Videodrossel" stört die Netzagentur und das OVG, da hierbei Datenströme eben nicht gleichbehandelt würden.
Zweiter kritischer Punkt in dem jahrelangen Streit sind Reisen ins EU-Ausland. Werden dort Videos oder Songs gestreamt, wird der Datenverbrauch auf das Monatsvolumen angerechnet - trotz "Stream On". Die Münsteraner Richter werteten dies als zusätzliches Entgelt gegenüber dem inländischen Endkundenpreis - so ein "ungünstigerer Entgeltmechanismus" sei nach europäischen Roaming-Regeln aber verboten. Der Beschluss der Münsteraner Richter ist die zweite und höchste Instanz des Eilverfahrens. Er ist unanfechtbar.
Ein Sprecher der Netzagentur zeigte sich nach der Entscheidung erfreut, dass das Gericht die Rechtsauffassung seiner Behörde bestätigt habe. "Wir werden die Anpassung des Produkts nun zügig gegenüber der Telekom durchsetzen."
Die Telekom will die Gerichtsentscheidung prüfen. Man erwarte von der Bundesnetzagentur, dass sie "durch eine angemessene Umsetzungsfrist" die erforderlichen Anpassungen ermögliche, sagte ein Telekom-Sprecher zur DPA. "Von der Rechtmäßigkeit von Stream-On sind wir weiterhin überzeugt und werden auch zukünftig alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen." Schon im November argumentierte der Konzern, "Stream On" sei ein kostenloses Inlandsangebot, das sei so kommuniziert und von den Kunden angenommen worden. Daher müsse die Telekom "Stream On" nicht EU-weit kostenlos anbieten.
Erst vor zwei Wochen hat die Telekom eine neue "Stream On"-Kampagne gestartet: Beim Angebot "Stream On Social & Chat" kommt zum Streaming ohne Volumen auch noch die Nutzung von Social Media dazu.
Konkurrent Vodafone hat mit dem "Vodafone Pass" ein ähnliches Produkt. Nach Beanstandungen der Bonner Regulierungsbehörde sicherte Vodafone 2018 aber zu, den Videoverkehr nicht zu drosseln. Im EU-Ausland wird das Streaming hingegen - wie bei der Telekom - auf das Monatsvolumen angerechnet, unbegrenztes Streamen bei schneller Datenübertragung ist im Rahmen des Tarifs also auch hier nicht möglich. Die Netzagentur ordnete eine Änderung an, gegen die Vodafone vor Gericht zog - eine Entscheidung hierzu gibt es noch nicht. (sh/mit dpa)