Schriftlich hatte auch Özil seine Attacke gegen Sponsoren und den DFB formuliert. Der Sportler hatte drei lange Statements über mehrere Stunden auf Twitter geteilt. Inzwischen zeigt er nur noch Fotos vom Training. 

Grindel wiederum will nicht nur aus der Causa Özil die Konsequenzen ziehen, sondern nach dem Aus in der WM-Vorrunde die Nationalmannschaft wieder auf Vordermann bringen und vor allem die die EM 2024 ins Land holen. Vom Erfolg der Bewerbung, die durch Rassismus-Debatte auch überschattet wurde, dürfte auch Grindels weiteres Schicksal im DFB abhängen. Mitbewerber ist die Türkei.

"Die Werte des DFB sind auch meine Werte. Vielfalt, Solidarität, Antidiskriminierung und Integration, das alles sind Werte und Überzeugungen, die mir sehr am Herzen liegen", betonte Grindel in seiner Stellungnahme. Deshalb habe ihn die Özil-Kritik sehr getroffen. Der Profi vom FC Arsenal hatte am Sonntag erklärt: "Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiedener Herkunft hat."

Grindel bedauerte in Bezug auf die Affäre um die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, nicht klarer seinen Standpunkt vermittelt zu haben. "Rückblickend hätte ich als Präsident unmissverständlich sagen sollen, was für mich als Person und für uns alle als Verband selbstverständlich ist: Jegliche Form rassistischer Anfeindungen ist unerträglich, nicht hinnehmbar und nicht tolerierbar."

Die Rücktrittserklärung von Özil habe eine Debatte über Rassismus im Allgemeinen und die Integrationsfähigkeit des Fußballs im Besonderen ausgelöst. "Ich will mich als DFB-Präsident dieser Debatte nicht entziehen", betonte er. Auf Rücktrittsforderungen gegen ihn ging Grindel nicht explizit ein.

"Natürlich stelle auch ich mir die Frage, was ich in dieser Zeit hätte besser machen können", räumte Grindel ein. "Ich gebe offen zu, dass mich die persönliche Kritik getroffen hat." Özil hatte ihm auch "Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen" vorgeworfen.

Mit den Landesverbänden und dem DFB-Präsidium sei eine gemeinsame Linie festgelegt worden. Dazu gehöre, die Debatte zum Thema Integration zum Anlass nehmen, die Arbeit in diesem Bereich weiterzuentwickeln und zu fragen, wie man neue Impulse setzen könne.

Schadensbegrenzung für EM-Bewerbung

Außerdem habe man "das große gemeinsame Ziel, den Zuschlag für die Ausrichtung der EM 2024 zu bekommen", sagte der DFB-Chef. Die Europäische Fußball-Union entscheidet schon im September über die EM-Vergabe. Grindel nutzte seine Erklärung deshalb schon Werbung für die deutsche Bewerbung. "Das Turnier kann eine neue Geschichte des Fußballs erzählen, Kinder in die Vereine bringen, Menschen noch enger zusammen bringen", meinte er mit Bezug auf die aktuelle Debatte. "Mit und ohne Migrationshintergrund. United by football."

Grindel betreibt also Schadensbegrenzung. Doch auch Özil dürfte sich erneut Gedenken über sein Image machen müssen. Tatsächlich hat sich die Wahrnehmung vom 29-jährigen Mittelfeldstar radikal gewandelt. Bereits dem Erdogan-Foto hatte er Kritik und Ablehnung hinnehmen müssen - von Pfiffen und Buhrufen im Stadion bis zu wüstem Rassismus auf den sozialen Medien. Nach seinen Rassismusvorwürfen gegen den DFB fallen die Urteile über den Gelsenkirchener jetzt noch heftiger aus - sowohl bei Kritikern als auch bei Özil-Verstehern. 

Der Spieler, dessen Marktwert das Portal Transfermarkt.de auf 45 Millionen Euro schätzt, qalt bisher als begehrter Werbeträger. Ob das in Zukunft so bleibt, müsse jedes Unternehmen, das ihn unter Vertrag hat, für sich entscheiden, sagt Peter Fritzen, Leiter des Bereichs Sports Marketing bei der Kommunikationsagentur FischerAppelt. "Aber sicher steht er angesichts seiner Spielart für Technik und für Perfektion. Und als Weltmeister spricht er auch eine junge Zielgruppe an."

Mit 71 Millionen Followern in sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Instagram ist Özil ein globaler Star - was auch seiner Medienstrategie hilft. Er kann sich direkt an seine Fans wenden, auf die Medien als Sprachrohr ist er nicht angewiesen. (mit dpa)


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Autor: W&V Redaktion

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