Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Das Ergebnis dieser Prüfung in Marketing, Beschaffung, Rechtsabteilung und Agenturen liegt jetzt vor: Rassistischen Vorsatz erkennt der Vorstand nicht. "Volkswagen steht für Menschlichkeit und Vielfalt und macht sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit stark", sagt Hiltrud Werner. Mit seinen 670.000 Mitarbeitern repräsentiere VW die Welt. Stattdessen beobachten sie bei VW mangelnde Sensibilität im Umfang mit interkulturellen Themen und ethnischen Fragen und machen nicht zuletzt die Freigabeprozesse für die Fehler der vergangenen Wochen verantwortlich. Das Zusammenspiel funktioniere sowohl auf Agentur- wie Kundenseite nicht. Alle Seiten entschuldigten sich dafür.

Dabei war "Petit Colon" offenbar ganz anders angelegt. Eine Serie von fünf Snippets erzählt die Geschichte eines jungen, verliebten Paares, einer Spanieren und eines Deutsch-Nigerianers, das sich beständig neckt. Alles um den neuen Golf 8 herum. Eine solche Story wollte VW auch auf Instagram präsentieren: Sie schnippst ihn ins Café. Das Motiv der großen Hand, auch das Schnippsen, sei auf TikTok zum Beispiel ein gelerntes Motiv, das jungen Leuten Spaß macht. Das Ganze ist Teil der umfassendsten Kampagne, die VW je geschaltet hat. Soweit, so gut.

Das Problem ist nur: Die vielen Hundert Menschen, die diese Videos gesehen und freigegeben haben, haben nicht bemerkt, dass der Film ohne Kontext nicht funktioniert, ja, tatsächlich rassistisch wirkt. Dass die Kreativen auch noch so unbedarft waren, den Darsteller in ein Café mit dem Namen "Kleiner Kolonist" zu schicken, sie auch nicht gesehen haben, dass der eingeblendete Abbinder "Der neue Golf 8" beim Einfaden das N-Wort darstellt, weil sie lediglich die englisch Version autorisiert hatten, sei, so Volkswagen, ein unglücklicher Umstand, der aber keinesfalls zu entschuldigen sei.

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Mehr Diversity für Kunde und Agentur

Daran wollen sie arbeiten. Unter anderem soll nun ein Experten-Board für Diversity entstehen, wie Stackmann ankündigt, das solche Fehler in Zukunft schon im Vorfeld vereitelt. Ihm werden unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von NGOs angehören. Zusammengestellt wird es von der Diversity-Beauftragten Elke Heitmüller und Hiltrud Werner. Auch die eigenen Mitarbeitenden, immerhin Menschen aus 100 Nationen, wollen sie dafür stärker einbinden. Sie sollen kreative Inhalte unabhängig auf potenziell verletzende, diskriminierende und anderweitig kritische Elemente filtern.

Das gelte, wie Stackmann betont, übrigens auch für die Agenturseite. Wenn dort auf einem Etat die Mitarbeiter häufig wechselten, könnten sie die Werte der Marke VW nicht wirklich verinnerlichen. DDB selbst hat dazu inzwischen Stellung bezogen. "Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung haben bei uns keinen Raum. Wir werden unsere Teams dazu befähigen, sensibler auf Anspielungen und Zeichen zu achten, die in einer offenen Gesellschaft keinen Platz haben. Hierzu werden wir in entsprechende Ausbildung investieren", heißt es in einem Statement. Man werde Diversity künftig besser in die täglichen Prozesse integrieren. Hierzu gehöre auch, schneller auf Hinweise aus der Community zu reagieren.

Bei Volkswagen sollen ebenfalls künftig regelmäßige Trainings alle Ebenen des Konzerns interkulturell und ethisch schulen, Diversity und Internationalität werden in allen Teams eine größere Rolle spielen, selbst im Vorstand. Und nicht zuletzt will das Unternehmen eine neue Einheit für Social Media aufbauen, die agentur- und konzernübergreifend inklusive PR, Marketing und interner Kommunikation 24/7 Content kuratiert, bearbeitet und schnell reagiert.


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.