
Medientage München:
Was Radio und Internetkonzerne gemeinsam haben
Streamingdienste erobern zunehmend den Audiomarkt. Eine Gefahr, aber auch eine Chance für Radio - so der Tenor bei #mtm17.

Foto: Katrin Otto
Schade, dass der bayerische Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaft und Medien, Franz Josef Pschierer, offensichtlich die Vorgänger-Panels zur Radio-Zukunft verpasst hat. Er ist in seinem Grußwort überzeugt: "An DAB+ führt kein Weg vorbei." Um den UKW-Abbau voranzutreiben, müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk UKW-Frequenzen abgeben. Die sollen aber nicht an Private vergeben, sondern abgeschaltet werden.
Die Umstellung auf DAB+ sollen die Privatsender aber allein stemmen. Eine Subventionierung der Privaten bei der Digitalisierung sei nicht finanzierbar, so der Staatssekretär. Auch im Internet will das Ministerium die Öffentlich-Rechtlichen ausbremsen. Er sehe das große Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender im Netz mit großer Sorge, so Pschierer.
Die Gegenstimmen sind laut. "Es ist ein Wahnsinn, UKW abzuschalten, dann können alle, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, die Lichter ausmachen", sagt Antenne Bayern-Programmchefin Ina Tenz. Geld würde über UKW verdient. Ähnlich die Reaktion auf eine Netz-Regulierung - BR-Progammchef Walter Schmich: "Das junge Segment bröckelt im Radio. Wenn wir nicht mehr auf den Social Media-Kanälen aktiv sein dürfen, kann man uns gleich den Stecker ziehen."
Schmich setzt auf eine Multiplattform-Strategie. Nicht alle Plattformen seien aber für alle Zielgruppen geeignet, sagt Schmich. BR1 erreicht beispielsweise über Facebook am besten seine Hörer, Puls über Snapchat oder Instagram.
Audiomarkt wird zunehmend interessanter für Internetkonzerne
Die Präsenz im Netz ist heute und in Zukunft wichtig für die Sender. Schließlich drängen die Internetkonzerne in den Audiomarkt und wollen sich zunehmend ihren Anteil sichern. Robert Richter von Google begründet das mit dem Trend im Nutzerverhalten in Richtung Sprache. "Das macht Audio für uns interessant“, so Richter. Noch bietet das Unternehmen keinen eigenen Content, sondern arbeitet mit Medienmarken bei der Entwicklung von Formaten zusammen. „Wir stellen bisher die Technologie", sagt Richter.
Auch Spotify kooperiert mit den Radiosendern. Die meisten sind über den Streamingdienst abrufbar. "Wir wollen Spotify nicht unser Tafelsilber geben, aber um die junge Zielgruppe zu erreichen ist die Kooperation wichtig", so Schmich.
Noch sind die Audioinhalte also Radiosache. Nur wie lange? Um der Fragmentierung am Markt entgegen zu halten, plädiert Antenne-Bayern-Managerin Ina Tenz für eine Konsolidierung der einzelnen Sender bei der Content-Produktion – zumindest der privaten Radiomacher. "Es gibt keine zwei Seiten, nur Audio und Radio", sagt Sven Bieber, Vermarktungschef Spotify. Hier gelte es Barrieren abzubauen und Mehrwert zu schaffen. Die aktuellen Audiothemen sind für ihn Konnektivität, Vereinfachung und Steigerung der Nutzung.
Die Internetriesen sind wachsende Konkurrenz, aber sie sorgen auch für eine Markterweiterung. Beispiel Sprachassistenten. Für Bieber ein dritter neuer Player neben Radio und Audio. Und tatsächlich ein wichtiger Treiber. 10.000 Menschen hören bereits über Alexa täglich Antenne Bayern, sagt Tenz. "Wir umarmen die neuen Möglichkeiten." Das führe zu neuen Formaten im Programm und in der Vermarktung.
Wie es um das Lokalradio steht
Apropos Barrieren abbauen und Mehrwert schaffen: Hierin sieht auch Markus Blume, medienpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag eine Lösung für eine künftig noch angespanntere finanzielle Lage des Lokalfunks in Bayern, wie es eine Schickler-Studie im Auftrag der Vereinigung bayerischer Rundfunkanbieter (VBRA) vorhersieht. Auf dem Medientage-Panel "Hörfunk 2022 in Bayern" präsentiert, skizziert das Werk für die privaten Radiosender in Bayern einen drastischen Hörerverlust um etwa die Hälfte.
"Marktanteile und Reichweiten verschieben sich deutlich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk", heißt es in der Prognose. Hauptgrund dafür sei, dass der BR seine bisher digital verbreitete Jugendwelle Puls ab 2018 auf der bisherigen UKW-Frequenz von BR-Klassik ausstrahlen will. Die Reichweite des privaten Hörfunks werde dadurch bis 2022 etwa halbiert.
"Ich glaube nicht, dass der Bayerische Rundfunk die Bedrohung der Lokalradios ist", entgegnete der BR-Hörfunkdirektor Martin Wagner. "Im Lokalen sind wir nicht tätig." Die eigentliche Bedrohung für öffentlich-rechtliche wie für private Radios bestehe darin, dass sich die Hörer ihre Informationen auch von Google, Facebook & Co. holen können. Die Sender sollten sich gemeinsam dagegen wappnen.
Antenne-Bayern-Chef Karlheinz Hörhammer kündigte dennoch an, weiter rechtlich gegen den BR-Frequenztausch zu kämpfen, und griff einen Schickler-Vorschlag auf: Der BR sollte sich nach dem Vorbild des NDR auf eine Stunde Werbung am Tag mit einer werbeführenden Welle beschränken. Dies wäre "eine optimale Lösung", sagte Hörhammer. CSU-Mann Blume gab allerdings zu bedenken, welche Folgen eine solche Werbezeitbeschränkung hätte: Der Rundfunkbeitrag würde voraussichtlich weiter steigen.
ko/ps