Ihren Rundumschlag gliedert die OWM diesmal nicht in ein halbes Dutzend Einzel-Punkte sondern in drei große Grundsatzkritik-Blöcke. Sie heißen: "Digitales Ökosystem", "Datenschutz" und "Erfolgsmessungen im Digitalmarketing". Dahinter verbergen sich einige altbekannte Themen und Forderungen zur Verbesserung von Brand Safety, Transparenz oder nach einheitlichen Mediawährungen und Messmethoden. Aber es gibt neue Schwerpunkte.

Besonders prangert die OWM diesmal Defizite bei der Erfolgsmessung von Targeting-Kampagnen an: „Neutrale, lückenlose Nachweise und überprüfbare Qualität sind eine klare Bringschuld der Marktpartner“, sagt die OWM-Vorsitzende Tina Beuchler, deutsche Digital- und Mediachefin des Lebensmittelkonzerns Nestlé.

OWM will ein deutsches Media Rating Council

Neu ist auch die OWM-Idee ein "deutsches Pendant zum US-amerikanischen Media Rating Council" zu schaffen. Der von weiten Teilen der US-Medien- und Mediabranche getragene Rat vergibt in den USA als eine Art Media-TÜV Qualitätssiegel für Messmethoden. Zur Frage, wie genau das aussehen könnte – und welche Rolle dabei hiesige Joint-Industry-Committees wie Agma oder Agof spielen könnten, hält sich die OWM jedoch noch bedeckt. "Die Diskussion darüber ist aber noch am Anfang. Wir wollen das mit den Marktpartnern diskutieren", sagt dazu die Vorsitzende Tina Beuchler in einem Interview mit W&V, das in der kommenden Ausgabe erscheinen wird.

An die Adresse der Politik erneuert die OWM ihre Kritik zur geplanten E-Privacy-Verordnung. „Der aktuelle Entwurf belastet die europäische Digitalwirtschaft über alle Maßen und macht sie zum Verlierer im globalen Wettbewerb“, erklärt Beuchler. "Es ist höchste Zeit, dass die Politik das Ruder herumreißt."

Die Forderungen die OWM im Einzelnen:

1. Digitales Ökosystem

Konzentration auf Nutzerinteressen: "Der Nutzer und seine Interessen müssen deutlich stärker in den Mittelpunkt der Planung und Umsetzung digitaler Kommunikation gestellt werden", lautet die wohl grundsätzlichste Forderung der OWM. "Ein positives Nutzererlebnis ist wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz von Onlinewerbung". Gemeint sind damit nicht nur nervige Bannerwerbung und stalker-haftes Retargeting sondern auch Flut an Zustimmungs-Aufforderungen, denen Nutzer nach Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung ausgesetzt sind.

Brand Safety, Ad Fraud, Fake News: Die zentralen Kritikpunkte der vergangenen Jahre sind noch  immer aktuell: Mangelnde Brand Safety, zu viel Ad Fraud, unsichere Umfelder für Online-Werbung. Auch hier wird die OWM grundsätzlich: "Alle Marktakteure müssen konsequent mehr Verantwortung für ihr Angebot übernehmen", verlangt der Werbekundenverband. Besonders die US-Konzerne Facebook und Google dürfen sich angesprochen fühlen: "Plattformen mit User-generated Content müssen dafür sorgen, dass ihre werblichen Umfelder frei von Fake News und extremistischen, diskriminierenden sowie rechtsverletzenden Inhalten sind. Reichweiten, die nicht der Legal Safety entsprechen, sind aus der Vermarktung auszuschließen".

Einheitliche Standards und Währungen: Dieser Punkt ist ein Evergreen in der OWM-Mängelliste, aber das Problem stellt sich so drängend wie nie zuvor. Zentrale Media-Kennzahlen werden von unterschiedlich. Man brauche "marktweit akzeptierte Standards", um diese "Interpretationsspielräume auszuräumen und Intransparenz zu überwinden". Der Werbekundenverband regt die Gründung eines "deutschen Pendants zum US-amerikanischen Media-Rating-Council an".

Fairer Wettbewerb: Die OWM "lehnt Praktiken ab, die den fairen Wettbewerb einschränken und einzelne Marktpartner damit in die Rolle von Gatekeepern bringen“. Diese Adresse gilt vor allem dem Digital-Riesen Google. Der Konzern ist nicht nur Fast-Monopolist im Suchwort-Marketing sondern auch Dominator beim programmatischen Handel mit Online-Anzeigenplätzen. Google hatte kürzlich in seinem Browser Crome zudem einen eigenen Adblocker eingebaut. Auch hier sieht die OWM Google in der kritischen Gatekepper-Rolle.

2. Datenschutz

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Das neue EU-Gesetzt habe zu „branchenweiter Unsicherheit“ und auch „rechtlicher Unsicherheit“ geführt, bemängelt die OWM, weil Publisher den Gesetzestext sehr unterschiedlich auslegen. Die Forderung: „Der Markt muss sich auf eine branchenweit einheitliche Einwilligungsinterpretation verständigen“.

E-Privacy-Verordnung: Zur geplanten Verordnung, welche zu noch drastischen Einschränkungen bei Online-Werbung führen könnte, bekräftigt der Werbekundenverband noch einmal seine bekannten Positionen. Auch hier müsse die Einwilligungs-Praxis "einheitlich gestaltet werden" und dürfe "nicht über das in der DSGVO geforderte Maß hinausgehen". Das umstrittene so genannte Kopplungsverbot will die OWM kippen, ebenso die vorgesehene "technische Regulierung via Browser".

3. Erfolgsmessung im Digitalmarketing

Datenqualität: Konkrete Forderungen hat die OWM beim Thema Daten – der Grundlage für Targeting-Kampagnen. Es fehlen "standardisierte Kriterien", um die Qualität von Datensätzen für Targeting- Kampagnen zu überprüfen, bemängelt der Werbekundenverband. "Die Wirksamkeit ihrer Zielgruppenerreichung ist für Werbungtreibende daher kaum prüfbar und schwer nachweisbar". Die Branche müsse deshalb "standardisierte Qualitätskriterien" entwickeln. Anbieter "müssen die Qualität ihrer Datensätze ausweisen". Außerdem "müssen überall umfassend neutrale Audience-Verifizierungen durch unabhängige  Dritte durchführbar sein".

Kompatible Messtechnik: Der Nachweis, ob und wie eine Targeting-Kampagne gezündet hat, ist den Werbetreibenden zu kompliziert und aufwändig. Denn auch hier kochen unterschiedliche Anbieter ihr eigenes Süppchen. "Viele technologische Lösungen der Kampagnensteuerung und –messung sind nicht miteinander kompatibel", bemängelt die OWM, "und damit weder kanalübergreifend ausspielbar noch verifizierbar". Schuld seien die vielen "Insellösungen". Sie führen "zu Mehrkosten seitens der Werbungtreibenden und sind damit inakzeptabel". Die konkreten Forderungen: Kampagnensteuerung müsse über "alle Endgeräte, Formate und Buchungsformen hinweg möglich sein". "Technologische Inkompatibilitäten müssen überwunden werden". Und "programmatische Reichweiten müssen vollumfänglich bei jedem Format verifizierbar sein", auch bei Bewegtbild und Mobile.

Das vollständige Interview mit Tina Beuchler zum Thema lesen Sie in Ausgabe 37 der W&V, die am 10. September zur Dmexco erscheint. Sichern Sie sich Ihr Exemplar an unserem Messestand D 048 in Halle 8. Mehr zum Digitalmarketing finden Sie in unserem Dmexco-Special.


Autor: Thomas Nötting

ist Leitender Redakteur bei W&V. Er schreibt vor allem über die Themen Medienwirtschaft, Media und Digitalisierung.